Transparenz:Landtag streitet über Ausschuss-Livestreams

Transparenz: Wie es im Maximilianeum zugeht, war eine Zeitlang im Internet zu verfolgen. Künftig muss hingehen, wer eine Ausschusssitzung erleben will.

Wie es im Maximilianeum zugeht, war eine Zeitlang im Internet zu verfolgen. Künftig muss hingehen, wer eine Ausschusssitzung erleben will.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Opposition möchte die Sitzungen gerne weiter im Internet übertragen, so wie in der Corona-Zeit. Doch die CSU meldet grundsätzliche Bedenken an.

Von Lisa Schnell

Es gibt einige Momente, die man sich gerne noch mal ansehen würde. Wie etwa Katharina Schulze als Neuling im Innenausschuss Artikel und Paragraf verwechselte, bevor sie zum Shooting-Star der Grünen aufstieg. Oder wie die Abgeordneten der CSU miterleben mussten, dass wirklich niemand wusste, nicht mal der von ihnen ernannte Experte, was das sein soll: eine bayerische Leitkultur.

Wie sie damals bei der CSU dreinschauten, daran kann man sich nur erinnern. Noch einmal ansehen kann man es sich nicht. Denn anders als die Plenardebatten werden Ausschusssitzungen im Landtag nicht aufgezeichnet. Ausschüsse tagen zwar öffentlich, Journalisten und Gäste können Platz nehmen, ein Video aber gibt es nicht. Oder besser: gab es nicht. Das Coronavirus brachte dem Landtag eine nie dagewesene Leere und den Abgeordneten ungeahnte Auftritte bei Youtube. Wer wollte, konnte zum ersten Mal in der Geschichte des Landtags Ausschusssitzungen im Livestream verfolgen. Nach der Sommerpause aber, wenn im Landtag wieder Regelbetrieb herrschen soll, ist Schluss damit. Warum eigentlich?

Das fragt sich etwa Matthias Fischbach von der FDP. Waren sie nicht immer besonders stolz darauf, dass ihre Ausschüsse, anders als im Bundestag, öffentlich tagen? Und: Gehört das Internet heute nicht zur Öffentlichkeit dazu? "Wenn man sagt, man will öffentlich tagen, dann bitte richtig", sagt Fischbach, der vom Rest der Opposition Unterstützung bekommt. "Transparenz und Offenheit tun einem Parlament gut", sagt Horst Arnold (SPD). Er erhofft sich mehr Akzeptanz in einer Zeit, wo das Misstrauen gegenüber der Politik immer größer zu werden scheint. Außerdem könnte jemand aus Nordbayern, der sonst nicht extra angereist wäre, der Diskussion online folgen, sagt Ludwig Hartmann (Grüne). Gerade bei Massenpetitionen vermutet Fischbach ein hohes Interesse. Er plädiert dafür, die Videos - anders als derzeit - für einen gewissen Zeitraum zu speichern. Zudem soll es Regeln geben, um die Persönlichkeitsrechte etwa von Petenten im Ausschuss zu schützen.

Die Regierungsfraktionen - und damit die Mehrheit im Landtag - drängt es dagegen nicht unbedingt ins Netz. Ein gewisses Zögern lässt sich etwa bei den Freien Wählern beobachten, die laut ihrem parlamentarischen Geschäftsführer Fabian Mehring eine "pragmatische Mittelmeinung" vertreten und sich damit als Mittler zwischen der Opposition und der CSU sehen. Dort nämlich überwiegt die Skepsis. "Wird das Angebot überhaupt nachgefragt?", das ist die erste skeptische Frage von Tobias Reiß (CSU). Immerhin kostet so eine Übertragung nicht wenig. Laut Landtagsamt sind es zwischen 650 und 1600 Euro pro Sitzung und das bei 14 Ausschüssen, die fast wöchentlich tagen. Also: Lohnt sich das? Ein Blick in die Zahlen des Landtagsamts: Im Durchschnitt waren 255 Zuschauer bei einer Ausschusssitzung dabei, einmal sogar 1200, einmal nur 62, aber natürlich nicht die ganze Zeit. Gleichzeitig schalteten sich im Durchschnitt 44 Zuschauer zu. Reiß will sich das alles noch einmal genauer anschauen.

Aber ihn treibt etwas anderes noch mehr um als die puren Kosten. Er fragt sich: Muss denn wirklich jedes Fitzelchen im Internet abrufbar sein? "Es ist schon eine andere Atmosphäre, wenn es dauerhaft online ist", sagt Reiß. Aber bitte nicht falsch verstehen. Er und die CSU hätten natürlich nichts zu verbergen. Schon jetzt könnten ja Gäste und Journalisten dabei sein. Was er genau befürchtet, sagt Reiß nicht, aber man kann es erahnen. Ausschusssitzungen dauern lange, und es ist ganz normal, dass Abgeordnete nebenher auch mal was anderes machen und nicht in jeder Sekunde und für jedes Thema den größtmöglichen Elan aufbringen.

Journalisten wissen das, aber wissen es auch die Bürger? Am Ende gäbe es vielleicht gar nicht mehr Transparenz, sondern sogar mehr Missverständnisse. Mal ganz abgesehen von all den Dingen, die mit Videos noch angestellt werden können, wenn man sie ungünstig zusammenschneidet oder einzelne Parts in eine Endlosschleife schickt.

Hartmann von den Grünen vermutet dagegen, dass die CSU etwas ganz anderes fürchtet. "Sie bräuchten dann bessere Argumente, wenn sie die Anträge der Opposition ablehnen." Er denkt da etwa an einen ihrer Anträge in letzter Zeit: Die Grünen wollten Blasmusik in den Biergärten wieder zulassen, die CSU lehnte ab. "Sowas als Video käme wahrscheinlich nicht so gut an", sagt Hartmann. Ob man sich in Zukunft an solche Momente nur erinnern kann oder sie wirklich noch einmal sehen darf, das wollen die Fraktionen nach der Sommerpause klären.

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