Iranisches Atomprogramm:Donnerndes Echo aus Israel

Iranisches Atomprogramm: Die Schäden an der iranischen Atomanlage in Natans sind auf dem Satellitenbild gut sichtbar.

Die Schäden an der iranischen Atomanlage in Natans sind auf dem Satellitenbild gut sichtbar.

(Foto: Planet Labs Inc. via AP)

Hinter gezielten Angriffen auf Irans Atomprogramm steckt womöglich der Erzfeind. Teheran muss nun agieren, denn keine Reaktion bedeutet Schwäche.

Von Paul-Anton Krüger und Peter Münch, Tel Aviv

Behrouz Kamalvandi hatte sich eine günstige Position gesucht für sein Interview. Im Staatsfernsehen war der Sprecher der Iranischen Atomenergie-Organisation vor der Ecke eines gemauerten Flachbaus in der Urananreicherungsanlage Natans zu sehen, in dem es am frühen Morgen des vergangenen Donnerstag gebrannt hatte. Vor einem "leer stehenden Industrieschuppen" sprach Kamalvandi. Zu sehen waren ein paar angekohlte Wände, Türen, die aus den Angeln geflogen waren, verbogene Elemente des Blechdachs.

Hätte sich Kamalvandi auf die andere Seite des Gebäudes gestellt, wäre sofort klar gewesen, dass es hier eine gewaltige Explosion gegeben haben muss. Ein Satellitenbild des kommerziellen Anbieters Planet Labs zeigt: Etwa die Hälfte der 80 mal 45 Meter großen Halle ist weggerissen, völlig ausgebrannt. Trümmer des Dachs wurden Hunderte Meter durch die Luft geschleudert. Leer stand der vermeintliche Industrieschuppen ebenfalls nicht.

Dort waren wertvolle Maschinen aufgebaut, mit deren Hilfe Iran neu entwickelte Zentrifugen zur Urananreicherung montiert und ausgewuchtet hat. Vermutlich wurden dort auch Komponenten und fertige Maschinen gelagert. Es war das technische Juwel des iranischen Atomprogramms, das hier zerstört worden ist. Die neuen Zentrifugen, Dutzende Male effektiver als die im Einsatz befindlichen vom Typ IR-1, hätten dem Regime eine Abkürzung auf dem Weg zur Atombombe an die Hand gegeben - ein wertvolles politisches Druckmittel. Von "erheblichen Schäden" spricht inzwischen auch Kamalvandi. Sie könnten die Entwicklung und Produktion moderner Zentrifugen auf mittlere Sicht bremsen, fügte er hinzu. Irans Oberster Nationaler Sicherheitsrat teilte mit, die Ursache der Explosion sei bekannt, aber aus Gründen der nationalen Sicherheit würde sie vorerst nicht bekannt gegeben.

Kaum war der Donner der Detonation verhallt, kam das Echo aus Israel, Irans Erzfeind. Verteidigungsminister Benny Gantz schränkte zwar ein, "nicht alles, was in Iran passiert, hat notwendigerweise etwas mit Israel zu tun". Doch Außenminister Gabi Aschkenasi, wie Gantz ein früherer Generalstabschef der Armee, wurde deutlicher: Iran müsse der Weg zur atomaren Bewaffnung versperrt werden, erklärte er, und deshalb "ergreifen wir Maßnahmen, über die man besser nicht spricht". Parallel dazu informierte ein anonym bleibender "nahöstlicher Geheimdienstler" die New York Times und die Washington Post, dass Israel mittels einer "gewaltigen Bombe" die Explosion in Natans ausgelöst habe. Und am Ende gefiel sich auch noch der frühere israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman darin, Hinweise auf jenen anonymen Informanten zu geben, dessen Name dann in israelischen Medien auftauchte: Es soll demnach niemand anders sein als Mossad-Chef Yossi Cohen persönlich.

Teheran ist in einem Dilemma, denn nicht zu reagieren, bedeutet Schwäche

Diese Reaktion passt zu Israels Politik der gezielten Zweideutigkeit, mit der Furcht verbreitet wird, ohne offiziell Verantwortung zu übernehmen. Wann immer ein Schlag gegen das iranische Atomprogramm gelingt - vom Computervirus Stuxnet zur Zerstörung von Zentrifugen bis zu Attentaten auf iranische Atomwissenschaftler - richtet sich der Verdacht neben den USA immer auch auf Israel. Und dort wird er ganz gezielt nicht entkräftet. Als dem Mossad vor zwei Jahren der Coup gelang, Tausende Dokumente mit brisanten Informationen über das Atomprogramm aus Teheran zu stehlen, die dann als Beweismittel weltweit verbreitet wurden, machte die Regierung dies sogar öffentlich. Mit dem Dokumenten-Diebstahl hat Israel bewiesen, dass es in der Lage ist, Operationen im Herzen Irans auszuführen.

Diesmal nährt ein relativ aufwendig produziertes Bekennervideo mit Insiderwissen den Verdacht. Es ging beim persischen Dienst der BBC ein, Stunden bevor der Vorfall in Iran oder anderswo öffentlich bekannt war. Darin bezichtigt sich die bislang völlig unbekannte Gruppe "Geparden des Heimatlandes" des Sabotageaktes in einer der am besten geschützten Einrichtungen in der Islamische Republik. Der Name erinnert an Hackertrupps der Revolutionsgarden, in dem Video ist von Dissidenten aus dem Sicherheitsapparat die Rede. Das wäre der größte Albtraum des Regimes, zumal mehrere weitere Explosionen in den vergangenen Tagen bislang nicht aufgeklärt sind, vor allem jene auf dem Militärgelände Parchin bei Teheran. Dort war ein Gebäudekomplex in die Luft geflogen, in dem ballistische Raketen für die Revolutionsgarden produziert wurden.

Die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna spricht mit Blick auf die Vorfälle vom "Übertreten roter Linien durch die Feinde der Islamischen Republik, besonders durch das zionistische Gebilde", womit Israel gemeint ist. Die israelische Expertin Sima Shine, die früher für den Mossad und nun für das Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) Iran beobachtet, hält es für "ungewöhnlich", dass die iranische Führung jetzt Schäden in Natans einräumt. Das erzeuge Handlungsdruck: "Es wird schwierig für sie, nicht zu antworten", sagte sie in einer Telefonkonferenz mit Journalisten, "denn nicht zu reagieren, bedeutet Schwäche." Sie kann sich eine iranische Vergeltung mit Cyberangriffen vorstellen, sieht das Teheraner Regime aber auch vor einem "großen Dilemma". Denn das höchste Ziel der Iraner sei ein Ende der Sanktionen. An einer militärischen Eskalation hätten sie deshalb kein Interesse.

Dass Iran auch aus dem All unter ständiger Überwachung steht, unterstrich die Regierung in Jerusalem zu Beginn dieser Woche, als mit großem Aplomb der neue Spionagesatellit Ofek 16 in die Erdumlaufbahn geschossen wurde. Er soll Irans Atomprogramm überwachen - über das Israel aber ohnehin schon gut im Bilde zu sein scheint.

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