Anschlag in München:Das Oktoberfestattentat gilt nun als das, was es war: Terror

Oktoberfest-Attentat 1980

Die vor mehr als fünf Jahren neu aufgenommenen Ermittlungen zum Oktoberfestattentat von 1980 sind eingestellt.

(Foto: dpa)

Die Aufarbeitung des größten Anschlags in der Geschichte der Bundesrepublik zeigt: Die Ermittler sind nicht mehr auf dem rechten Auge blind. Was aber kann diese Neubewertung heute noch bringen?

Kommentar von Annette Ramelsberger

Wäre die Bundesanwaltschaft bei ihrer Wiederaufnahme des Oktoberfestattentats Jahrzehnte nach der Tat wirklich noch auf die Hintermänner des Anschlags gestoßen: Das wäre eine Sensation gewesen. Es hätte deutlich gezeigt, wie blind man in den Achtzigerjahren mit der Gefahr durch rechten Terror umgegangen ist - bis dahin, dass eine paramilitärische Truppe wie die Wehrsportgruppe Hoffmann als harmlose Wanderer in Frankens Wäldern abgetan wurde. Vielleicht aber hätte selbst die Entdeckung bereits gestorbener oder noch lebender Hintermänner nicht mehr sehr viel bewegt, zumal wenn sie strafrechtlich nicht mehr belangt werden könnten. Denn außer Mord und Beihilfe dazu ist nach 40 Jahren alles verjährt.

Und braucht die Republik wirklich die Ausläufer eines alten Bebens, um zu spüren, wie groß die Gefahr ist? Längst haben neuere Anschläge rechter Terroristen das Land erschüttert: Schon als 2011 der Nationalsozialistische Untergrund NSU aufflog, blickte das Land in einen Abgrund. Und kaum war das Urteil über den NSU gesprochen, machte sich ein NSU 2.0 ans Werk und begann, eine Anwältin der Opfer und aktuell eine Linken-Politikerin mit dem Tod zu bedrohen. Und gerade steht in Frankfurt der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten vor Gericht, ein Rechtsradikaler, tief verankert in der Szene.

Das Oktoberfestattentat mit seinen 13 Toten und mehr als 200 Verletzten ist zwar der größte Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik, aber für viele, vor allem Jüngere, nur noch ein Kapitel im Geschichtsbuch. Es ist deswegen leicht, das Ergebnis der fünfeinhalb Jahre währenden akribischen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft achtlos abzulegen unter der Rubrik "Nichts Neues". Aber das wäre ignorant. Nicht nur, weil diese Ermittlungen mit Ernsthaftigkeit und Spürsinn geführt wurden. Die Beteiligten, gerade auch in der Soko "26. September", haben die Aufgabe auch als Ehrensache aufgefasst. Sie wollten zeigen, dass die Polizei nicht auf dem rechten Auge blind ist.

Das eigentlich Interessante am Ergebnis der Ermittlungen ist ja gerade, dass dieses rechte Auge der Behörden recht gut sehen kann - wenn es will. Und dass sich diese neue Scharfsichtigkeit auch in der Bewertung des Oktoberfestattentats niederschlägt. Die Bundesanwaltschaft hat nichts weniger als eine Kehrtwende um 180 Grad vollzogen. Was in den Achtzigerjahren noch als die Tat eines von Liebeskummer und Prüfungsstress gebeutelten, labilen Studenten abgetan wurde, der halt ein Hitlerbild überm Bett hängen hatte, das gilt den Staatsanwälten in Karlsruhe nun eindeutig als rechtsextremistisch motivierter Terrorakt, der die Bundestagswahl manipulieren und Franz Josef Strauß ins Kanzleramt bringen sollte.

Das ist eine Überzeugung, die in der Öffentlichkeit längst verbreitet ist. Was also soll diese Neubewertung heute noch bringen? Zu allererst die Erkenntnis, dass auch hartleibige Juristen ihre Meinung ändern können. Dann, dass der Blick der Sicherheitsbehörden nicht mehr von der ewigen Aufrechnung von linkem und rechtem Terror verstellt wird. Und zuletzt und sehr praktisch, dass sich nun die Paragrafenreiter im Bundesamt für Justiz nicht mehr darauf hinausreden können, den Opfern Entschädigung zu verwehren, weil die Bundesanwaltschaft den Anschlag ja nie als Terror eingestuft hat. Jetzt hat sie das getan. Jetzt muss das Geld fließen.

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Ort des Gedenkens: das Mahnmal auf der Münchner Theresienwiese zur Erinnerung an das Oktoberfest-Attentat vom 26. September 1980. Der Anschlag kostete 13 Menschen das Leben.

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