Konjunktur:Spätfolgen der Pandemie

Einige Wirtschafts­daten sehen gerade recht positiv aus. Für Entwarnung ist es aber zu früh - die Corona-Krise dürfte die Wirtschaft noch lange Zeit belasten.

Von Sibylle Haas

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln warnt sicherheitshalber schon vor überzogenen Konjunkturerwartungen. Es bessern sich zwar einige Indikatoren, die das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag veröffentlicht hat. Doch mahnt das arbeitgebernahe Institut davor, die wirtschaftliche Lage zu überschätzen. "Die Insolvenz-Zahlen für den April 2020 sagen nichts aus über die tatsächliche Zahlungsfähigkeit der Unternehmen in der Corona-Krise. Im Herbst steigt die Zahl der Insolvenzen voraussichtlich sprunghaft an", heißt es im jüngsten IW-Bericht.

Im April haben die Amtsgerichte 1465 Unternehmensinsolvenzen gemeldet, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Das sind 13,3 Prozent weniger als im April 2019. "Die wirtschaftliche Not vieler Unternehmen durch die Corona-Krise spiegelt sich somit bislang nicht in einem Anstieg der gemeldeten Unternehmensinsolvenzen wider", erklären die Statistiker. Allerdings gibt es dafür einen Grund: Die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen ist seit dem 1. März 2020 ausgesetzt. Hinzu kommt, dass die Gerichte während der Corona-Pandemie nur eingeschränkt arbeiten, was die Bearbeitungsdauer verlängert. Dies vor allem ist der Grund, dass von Privatleuten bisher weniger Pleiten registriert sind.

Weil Firmen bis September warten könne, um die Insolvenz zu beantragen, erwartet das IW im Herbst eine Insolvenzwelle. Das Institut rechnet damit, dass es in diesem Jahr deutlich mehr Firmenpleiten geben wird als im Vorjahr. Wenn sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte schnell erhole, werde die Zahl der Insolvenzen um sechs bis 15 Prozent steigen, dauere die Krise länger, könnten es auch bis zu 30 Prozent sein.

Wenig optimistisch stimmen zudem die jüngsten Zahlen zum Außenhandel. Der Wert der Warenausfuhren sank im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat um 29,7 Prozent auf 80,3 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt weiter berichtet. Gegenüber dem Vormonat, der bislang den Tiefpunkt markiert hatte, stiegen die Exporte damit immerhin um neun Prozent. Im April hatte es innerhalb eines Jahres früheren Angaben zufolge einen Rückgang von 31,1 Prozent gegeben - der heftigste Einbruch im Vergleich zum Vorjahresmonat seit Beginn der Außenhandelsstatistik im Jahr 1950. Reisebeschränkungen, Störungen in der Logistik und Unterbrechungen der Lieferketten in der Corona-Krise hinterließen tiefe Spuren. Auch gegenüber dem Februar 2020 - dem Monat vor den coronabedingten Einschränkungen - nahmen die Ausfuhren noch um 26,8 Prozent ab. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnen älteren Angaben zufolge mit einem Rückgang der Exporte im Gesamtjahr um 15 Prozent. "Wir sind noch meilenweit entfernt von einer Normalisierung im Außenhandel", sagte die Vizepräsidentin des Exportverbands BGA, Ines Kitzing.

Neben dem Export ist die Kauflaune der Verbraucher eine wichtige Säule der Konjunktur in Deutschland. Wie der Handelsverband Deutschland (HDE) kürzlich mitteilte, ist die Konsumstimmung jedoch nach wie vor im Keller. "Viele Verbraucher sehen mit Ungewissheit in die Zukunft und bangen um ihre Arbeitsplätze und damit auch um ihre Einkommen", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Das spürt vor allem die Tourismuswirtschaft. Hotels und Gaststätten haben besonders stark unter den Ausgangs- und Kontaktsperren wegen der Pandemie gelitten. Im April war die Zahl der Übernachtungen in deutschen Hotels und Pensionen um 90 Prozent eingebrochen. Auch im Mai sei sie mit einem Minus von 74,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat "erneut außergewöhnlich stark" zurückgegangen, so das Statistikamt. Das Mitte März verhängte Beherbergungsverbot ist zwar inzwischen aufgehoben. "Aber auch nach der Wiedereröffnung ist die Not in der Hotellerie groß", sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges.

Immerhin sind auf deutschen Autobahnen wieder mehr Lkws unterwegs. Die Wiesbadener Statistiker melden im Monatsvergleich für den Juni einen Zuwachs der Lkw-Maut-Fahrleistung um 4,7 Prozent. Bereits im Mai war sie um 6,2 Prozent gestiegen. Der Lkw-Verkehr stehe in engem Zusammenhang mit der Industrieproduktion, da die Firmen ihre Waren von einem Ort zum anderen bringen müssen. Damit ist der Lkw-Verkehr ein Hinweis für die Konjunkturentwicklung.

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