Covid-19:Kinder bremsen laut Studie das Virus aus

COVID-19, Lerchenrainschule Stuttgart. Besuch der ViertklâÄ°ssler zum Schulstart. Die ersten Sch¸ler d¸rfen wieder an die

Wie gefährlich wäre ein Normalbetrieb in den Schulen nach den Sommerferien? Studien sollen Aufschluss geben.

(Foto: Max Kovalenko/imago images)

Ergebnisse aus Dresden zeigen, dass sich das Coronavirus unter Schülern und Lehrern in Sachsen kaum verbreitet hat.

Von Christina Berndt

Kinder sind nicht nur keine Treiber der Corona-Pandemie - sie könnten sogar eher Bremsklötze für das Virus sein. Zu diesem Schluss kommen jetzt zumindest Wissenschaftler des Universitätsklinikums Dresden, die am Montagvormittag die Ergebnisse der sogenannten Sächsischen Schulstudie vorstellten.

Im Auftrag der sächsischen Landesregierung hatten die Mediziner seit Mai mehr als 1500 Schüler zwischen 14 und 18 Jahren sowie rund 500 Lehrer aus 13 sächsischen Schulen auf durchgemachte Infektionen mit Sars-CoV-2 untersucht. Ihr Blut wurde auf Antikörper gegen das Virus getestet. Dabei fand sich lediglich bei zwölf Schülern und Lehrern ein Hinweis auf eine abgeklungene Infektion mit dem neuen Coronavirus.

Zwar haben Tests inzwischen gezeigt, dass Antikörper gegen Sars-CoV-2 nach einer durchgemachten Infektion oft rasch wieder aus dem Blut der Genesenen verschwinden. Für den Infektiologen Reinhard Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Dresden, steht nun dennoch fest, dass "die Ausbreitung des Virus an Schulen nicht explosionsartig erfolgt". Die sächsische Studie ergänze das auch in anderen Studien gewonnene Bild, "dass Kinder wahrscheinlich anders als bei der Influenza nicht die Treiber der Infektion sind, sondern eher Bremsklötze". Eine weitergehende Öffnung der Schulen ist aus seiner Sicht daher möglich. Auch Alexander Dalpke, Direktor des Instituts für Mikrobiologie am Universitätsklinikum Dresden, betonte: "Es gibt jedenfalls keinen Hinweis darauf, dass es sich bei den Schulen um besondere Hotspots handelt."

Der Virologe erklärt sich das so: Kinder husten nicht so stark wie Erwachsene, womöglich geben sie das Virus deshalb nicht so leicht weiter. "Zudem scheint die Schwere der Erkrankung dazu beizutragen, wie infektiös ein Patient ist." Und Kinder erkranken nun einmal seltener schwer.

Weniger als ein Prozent der Schüler nachweislich infiziert gewesen

Obwohl die Jugendlichen in Sachsen bereits seit Mitte Mai wieder zur Schule gehen und 80 Prozent von ihnen nach eigenen Angaben auch außerhalb von Schule und Familie Kontakte unterhalten, hat sich das Virus kaum unter ihnen verbreitet. Nur etwa 0,6 Prozent der getesteten Schüler haben sich der Studie zufolge infiziert. "Das lag noch unter dem, was wir erwartet hatten", sagte Berner.

Dabei haben die Forscher gezielt in Schulen getestet, in denen sie von Corona-Fällen wussten. "Dennoch haben wir keine Ausbreitung festgestellt, die Infektionen sind auf eine sehr kleine Zahl von Schülern und Lehrern begrenzt geblieben." Auch in ihre Familien hätten die Jugendlichen die Infektion kaum weitergetragen - und in 20 Familien von Schülern, in denen Corona-Fälle aufgetreten waren, hatte sich nur ein Schüler bei seinem Angehörigen infiziert. Das wissenschaftliche Manuskript soll in Kürze bei einer internationalen Fachzeitschrift eingereicht werden und dann auch öffentlich zur Verfügung stehen.

Die niedrige Durchseuchung bedeutet aber auch: Die Immunität in der sächsischen Bevölkerung ist derzeit kaum höher als im März 2020, als die Pandemie begonnen hat. Auch die Dunkelziffer sei in der untersuchten Region offenbar sehr niedrig, sagt Berner. Denn von den zwölf positiv Getesteten haben fünf von ihrer Infektion gewusst, sieben hatten diese nicht bemerkt. In ihre Familien hatten die Jugendlichen die Infektion kaum weitergetragen - und in 20 Familien von Schülern, in denen es Corona-Fälle gab, hatte sich offenbar nur ein Schüler bei seinem Angehörigen infiziert.

Experten und Minister warnen dennoch vor Leichtfertigkeit

Dennoch ist mit Sars-CoV-2 nach Ansicht Berners nicht zu spaßen. "Ich habe großen Respekt vor diesem Virus", sagte er. "Auch für Kinder nehmen wir es ernst, wir kennen schwer kranke und verstorbene Kinder", sagt Berner. Die Frage von Schul- und Kitaschließungen sei trotzdem heute anders zu bewerten als zu Beginn der Pandemie, als Fachleute noch dachten, dass sich das Virus unter Kindern besonders schnell ausbreitet. Doch zuletzt gab es immer mehr Belege für das Gegenteil. Zwar wurde in Israel der Beginn einer zweiten Infektionswelle auch auf zu schnelle Schulöffnungen zurückgeführt. Doch im April hat eine Studie aus Australien mehr als 700 Kontakte von infizierten Lehrern und Schülern untersucht und kaum eine Weiterverbreitung des Virus gefunden. Auch die südwestdeutsche Eltern-Kind-Studie hat Kindern Mitte Juni eher eine kleine Rolle im Infektionsgeschehen zugeschrieben. Und in den Niederlanden und Island konnten die Behörden keine einzige Infektion eines Erwachsenen auf ein Kind zurückführten.

Womöglich werde die Rolle der Kinder nur deshalb unterschätzt, weil sie gerade nicht in die Schule gehen, lautete eine anhaltende Kritik solcher Ergebnisse. Doch diese hebeln die Studien aus Baden-Württemberg und Sachsen scheinbar aus, wo explizit junge Menschen untersucht wurden, die in die Schule oder in die Notbetreuung gingen.

Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) fühlt sich daher in seinem Kurs bestätigt. Sachsen hatte die Schulen Mitte Mai als erstes Bundesland wieder geöffnet - und die Schulstudie als Begleitinstrument ins Leben gerufen. Die Ergebnisse zeigten nun, dass eine weitere Öffnung möglich und zu verantworten sei, sagte Piwarz auf der Pressekonferenz. Für das nächste Schuljahr kündigte er den Übergang zum Normalbetrieb an Sachsens Schulen an - weiterhin niedrige Infektionszahlen vorausgesetzt. "Wir fühlen uns den Kindern verpflichtet", sagte er, "deren Recht auf Bildung und Teilhabe."

Mit Sorge blickt Piwarz dagegen auf Berichte über deutsche Touristen im Ausland, die Sars-CoV-2 offenbar nicht ernst nehmen. Wenn diese Menschen nach Hause zurückkehrten, könnte das die Infektionszahlen hochtreiben und am Ende auch die Schulöffnungen infrage stellen. Piwarz appellierte daher an die Bevölkerung: "Ich habe die Bitte, dass wir uns alle miteinander unseren Kindern zuliebe so disziplinieren, dass die Kinder weiter zur Schule gehen können."

Hinweis der Redaktion: Eine erste, direkt nach der Pressekonferenz veröffentlichte Version dieses Berichts wurde später aktualisiert und um Ergebnisse von anderen Studien und die Erfahrungen aus Israel ergänzt.

Zur SZ-Startseite
Coronavirus Antikörper Test

SZ PlusCoronavirus
:Was Antikörper verraten

Ischgl: 42 Prozent, Genf: zehn Prozent, Heinsberg: 16 Prozent. Immer mehr Orte erheben, wie viele ihrer Bürger Antikörper gegen das Coronavirus im Blut haben. Was bringen diese Studien und wie zuverlässig sind die Tests überhaupt?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: