Großbritannien:Ohne Huawei

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London untersagt die Beteiligung der Chinesen beim Aufbau des superschnellen Mobilfunknetzes. Handynutzer werden sich nun sehr viel länger gedulden müssen.

Von Christoph Giesen und Alexander Mühlauer, London/Peking

Zu heiß für Großbritannien: Kunde beim Fiebermessen in einem Huawei-Laden in Peking. (Foto: Tingshu Wang/reuters)

Es ist eine Entscheidung, die eine Sogwirkung auf ganz Europa entfalten könnte: Großbritannien hat sich dazu entschlossen, das Kommunikationsnetz des Landes künftig ohne den chinesischen Weltmarktführer Huawei zu bauen. Die britische Regierung hat dem Telekomausrüster am Dienstag untersagt, sich weiter beim Aufbau des neuen Mobilfunknetzes 5G im Vereinigten Königreich zu beteiligen. Von Ende dieses Jahres an dürfen britische Netzwerkanbieter keine Komponenten mehr von Huawei kaufen. Bereits verbaute Teile sollen bis 2027 komplett entfernt werden.

Premierminister Boris Johnson folgt damit den Forderungen von US-Präsident Donald Trump. Die Regierung in Washington wirft Huawei schon lange vor, Spionage zu ermöglichen und drängt andere Länder dazu, den Konzern vom Aufbau der 5G-Netze auszuschließen. Indem sich Johnson auf Trumps Seite schlägt, vollzieht er eine Kehrtwende. Noch im Januar hatte er Huawei eine Beteiligung beim 5G-Ausbau unter Auflagen erlaubt. Den Sinneswandel begründete die britische Regierung nun mit den jüngsten US-Sanktionen, die zuverlässige Lieferungen von Huawei-Produkten verhindern könnten. Johnsons Bann wurde von etwa 60 Tory-Abgeordneten begrüßt, die in Huawei eine Bedrohung für die nationale Sicherheit sehen.

Huawei bezeichnete die britische Entscheidung als enttäuschend

Ein Sprecher des Konzerns bezeichnete die britische Entscheidung als enttäuschend. "Bedauerlicherweise ist unsere Zukunft in Großbritannien politisiert worden, es geht um US-Handelspolitik und nicht um Sicherheit", sagte er und verwies darauf, dass dies eine schlechte Nachricht für jeden britischen Handybesitzer sei. Die Regierung in London gab zu, dass sich der 5G-Ausbau nun verzögern werde. Huawei-Konkurrent Nokia bot sich bereits an, den chinesischen Konzern "umfassend und schnell" zu ersetzen; auch Ericsson erklärte, bereitzustehen. Führende Mobilfunk-Experten sind sich allerdings darüber einig, dass sie beim Know-How weit hinter Huawei liegen.

Beinahe wie zum Trotz hatte der chinesische Konzern bereits am Montag seine Halbjahreszahlen vorgelegt. Die deutliche Nachricht: Seht her, uns geht es immer noch prächtig. Während die Weltwirtschaft schwächelt, stieg der Umsatz von Huawei in den ersten sechs Monaten um 13,1 Prozent auf 454 Milliarden Yuan (umgerechnet etwa 57 Milliarden Euro) im Vergleich zum Vorjahr. Corona, Sanktionen, Handelskrieg, all das scheint Huawei nicht sonderlich zu stören. Wie aussagekräftig die Zahlen jedoch wirklich sind, lässt sich schwer beurteilen. Das Unternehmen ist nicht an der Börse gelistet und muss daher nicht allzu viel preisgeben. Der Konzern ist eine Geheim-GmbH. Knapp 100 000 ausschließlich chinesischen Mitarbeitern soll das Unternehmen gehören. Wer aus der Firma ausscheidet, muss seine Anteile wieder verkaufen. Der Gründer, Ren Zhengfei, hält auf dem Papier etwas mehr als ein Prozent der Anteile.

Wie es wirklich um Huawei steht, erfuhr die Öffentlichkeit Mitte Mai als das US-Handelsministerium erklärte, Chiphersteller dürften keine Halbleiter an Huawei liefern, sofern diese auf Software und Technologie aus den Vereinigten Staaten beruhten. Huawei benötigt jedoch Chips für seine Smartphones und Netzwerke. Durch die neuen Einschränkungen könnte der Konzern den weltgrößten Chiphersteller, TSMC aus Taiwan, als Produktionspartner verlieren - mit Konsequenzen für bereits bestehende Huawei-Mobilfunknetze überall auf der Welt. "Diese neue Regel wird sich auf den Ausbau, die Wartung und den kontinuierlichen Betrieb von Netzen im Wert von Hunderten von Milliarden Dollar auswirken, die in mehr als 170 Ländern unsere Technologie nutzen", sagte damals Aufsichtsratschef Guo Ping und räumte ein, dass es für sein sonst so selbstbewusst auftretendes Unternehmen, um das "Überleben" gehe.

Huawei muss nun befürchten, dass sich weitere Länder dem Londoner Bann anschließen. So muss auch Deutschland entscheiden, wie es mit dem chinesischen Konzern umgeht. In den zwei vergangenen Jahren sprachen immer wieder Delegationen aus Washington vor, um die Bundesregierung von einem Huawei-Bann zu überzeugen. Ex-Botschafter Richard Grenell drohte gar offen, Deutschland vom Informationsfluss der amerikanischen Geheimdienste abzuschneiden. Richtig verfing das jedoch nicht. Der Grund: Großbritannien ist gemeinsam mit Neuseeland, Australien, Kanada und den USA Mitglied der sogenannten Five Eyes, dem mächtigsten Spionagebund der Welt. Die Dienste dieser fünf Länder teilen ihre Informationen untereinander. Warum die Bundesrepublik abkoppeln, wenn Großbritannien weiterhin zu den Five Eyes gehört? Das ist nun hinfällig. Als letztes der fünf Länder haben sich die Briten gegen Huawei entschieden, im Juni hatten bereits die kanadischen Mobilfunkkonzerne bekannt gegeben, auf den chinesischen Ausrüster zu verzichten.

In London hofft Johnson jedenfalls darauf, dass er mit seinem Huawei-Bann in der Gunst von US-Präsident Trump wieder gestiegen ist. Der Premierminister strebt einen Handelsvertrag mit Washington an, der die britische Wirtschaft nach dem Brexit beflügeln soll. Ob es allerdings vor den US-Präsidentschaftswahlen dazu kommt, ist fraglich. Fest steht hingegen, dass sich mit der Huawei-Entscheidung das Verhältnis zwischen Peking und London weiter abkühlen wird. Nachdem Johnson vor Kurzem drei Millionen Hongkongern ein Bleiberecht in Großbritannien angeboten hatte, kritisierte die chinesische Regierung das Vorhaben scharf. Nun dürfte die Causa Huawei den Streit zwischen dem Königreich und der Volksrepublik weiter anfachen.

© SZ vom 15.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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