Die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, das Volksbegehren zum Mietenstopp nicht zuzulassen, ist honorig, nachvollziehbar und juristisch begründet - richtig ist sie trotzdem nicht. Denn, anstatt die Tür zuzuschlagen, hätte das Gericht sie - vorerst - einen Spalt offenlassen können, einfach, indem es anders entschieden hätte.
Das Land Berlin hat vor einiger Zeit im Parlament ein Gesetz beschlossen, das dem bayerischen Volksbegehrens-Vorschlag ähnlich ist (auch wenn es im Einzelnen sehr viel weiter geht). Dieses Gesetz wird derzeit vom Bundesverfassungsgericht überprüft. Und dieses hat dazu in einem Beschluss vom März gesagt, es müsse "jedenfalls als offen bezeichnet werden", ob Berlin die Kompetenz zur Gesetzgebung hat.
Mietrecht in Bayern:Verfassungsrichter kippen "Mietenstopp"-Volksbegehren
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof untersagt eine Gesetzesinitiative, die Mieterhöhungen in teuren Gegenden für einige Jahre verbieten wollte. Drei der neun Richter waren jedoch anderer Meinung.
Die bayerischen Verfassungshüter hätten also das Volksbegehren zulassen können - Gründe dafür finden Juristen immer, wenn sie nur wollen -, um dann in Ruhe abzuwarten, wie Karlsruhe entscheidet: Wäre das Berliner Gesetz verworfen worden, wäre die Initiative auch in Bayern nicht erlaubt gewesen. Wäre es aber erlaubt worden, dann hätten in der Zwischenzeit die bayerischen Initiatoren weitermachen können mit der Organisation ihres Volksbegehrens. Falls es so kommt, dann sind die Münchner Richter verantwortlich für eine unnötige Verzögerung.
Denn dass die Initiative nicht so zweifelsfrei verfassungswidrig ist, wie es das Gericht darstellt, sagt nicht nur der Karlsruher Beschluss - drei Mitglieder der neunköpfigen Münchner Spruchgruppe waren anderer Meinung als die Mehrheit ihrer Kollegen. Sie führen in ihrem Sondervotum ein weiteres, grundsätzliches Argument an: Volksgesetzgebung und Parlamentsgesetzgebung stehen laut bayerischer Verfassung gleichwertig nebeneinander. Aber nur die Volksgesetzgebung - Volksbegehren, Volksentscheide - wird präventiv verfassungsrechtlich überprüft, bevor das Verfahren überhaupt beginnen kann.
Bei Gesetzen des Parlaments geschieht das erst nachher - oder überhaupt nicht. Dieses Ungleichgewicht kann nur ausgeglichen werden, indem der Verfassungsgerichtshof bei seinen Entscheidungen die größtmögliche Großzügigkeit an den Tag legt. Beim Volksbegehren Mietenstopp wäre das ohne weiteres möglich gewesen, denn Zweifel an der Unzulässigkeit gibt es - siehe oben - sogar im Gericht selbst. Das wäre dann wirklich honorig gewesen.