Polizei:Zwischen den Fronten

Polizisten sind in Krisenzeiten viel gefragt, sehen sich aber auch mit dem Vorwurf konfrontiert, zu hart, falsch oder gar diskriminierend zu agieren. Zu einer Studie über möglichen Rassismus in der Polizei gehen die Meinungen weit auseinander.

Polizeieinsatz bei Demonstration

Was ist angemessen? Polizisten sprühen Reizmittel bei der Auflösung einer Demonstration in Hamburg.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Zu "Hessens Innenminister in Drohmail-Affäre unter Druck" vom 13. Juli, "Lambrecht stellt sich gegen Seehofer" vom 7. Juli, "Müll und Politik" vom 27./28. Juni, "Standhaft, bis zum Umfallen", 26. Juni sowie zu "Wurzeln des Zorns" vom 23. Juni:

Pauschalurteile unterlassen

Seit Tagen köchelt in mir leise Wut über den Artikel der taz-Autorin und die in sämtlichen Medien verbreiteten Kommentare pro und contra. Der Beitrag von Herrn Prantl, "Müll und Politik", passt ins Bild: ein im Grunde vorbildlicher Ansatz mit richtigen, nachvollziehbaren Argumenten wird am Ende durch eine absurde Schlussfolgerung entwertet. Der Text der taz-Kolumne überschreitet meines Erachtens sehr wohl die Grenzen der freien Meinungsäußerung! Ja, was denn sonst?

Es ist keine Frage, dass es bei der Polizei Menschen gibt, die Probleme im Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund haben. Aber das ist keine isolierte Polizeisache - es ist ein allgemeines gesellschaftliches Problem. Auch wenn man "der Polizei" da auf die Finger gucken muss, kann es keinesfalls gerechtfertigt sein, all die Tausenden von Beamten, die ihre Arbeit völlig korrekt und zu unser aller Nutzen tun, pauschal in die Mülltonne zu stecken!

Der vor Hass strotzende Artikel ist besonders unter dem Aspekt des derzeit angesagten Polizei-Bashings geeignet, die Hemmschwelle für Aggressionen herunterzureden. Das Verrohen der Sprache geht der Gewalt voraus: principiis obsta.

Otto Kühnberger, Berlin

Polizisten, nicht Sozialarbeiter

Der Kommentar "Wurzeln des Zorns" zeichnet sich durch eine Abfolge von Phrasen und Stereotypen aus. Wenn Beschuldigungen gegen staatliche Organe wie zum Beispiel die Polizei erhoben werden, so sollten doch zumindest handfeste Beweise für ein falsches und rassistisches Verhalten vorliegen und angesprochen werden. Pauschal zu behaupten, große Teile der Gesellschaft, und besonders die Polizei, seien rassistisch, ist populistisch.

Weiterhin ist zu fragen, woher die Autorin ihr Wissen bezieht, dass sowohl das Innenministerium als auch die Polizei über die Probleme einer "interkulturellen" Gesellschaft nicht informiert sind. Bei der Polizei werden sicher Deeskalationskonzepte für alle aus polizeilicher Sicht kritischen Veranstaltungen ausgearbeitet; in dem Artikel bleibt leider auch die Frage unbeantwortet, welche Strategie angewandt werden soll, wenn, wie in Stuttgart, den Jugendlichen der Sinn nach Eskalation und Zerstörung steht. So suggeriert dieser Kommentar unterschwellig, dass Zugewanderte permanent und mit Absicht von der Mehrheitsgesellschaft und der Polizei diskriminiert werden. Die Intention der Autorin, die Gründe für die Gewaltbereitschaft jugendlicher Migranten zu erklären, ist im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Stuttgart misslungen.

Es ist nicht die Aufgabe der Polizisten, als Sozialarbeiter gesellschaftliche Probleme zu lösen. Zum Gesamtproblem jugendlicher Migranten ist anzumerken, dass sie in der Regel das in Deutschland suchen und finden, was ihnen ihre Heimatländer nicht bieten können, aber auch hier werden nicht alle Träume erfüllt werden. Diese manchmal sehr harte und oft auch ungerechte Realität des Lebens gilt für Einheimische wie für Zugewanderte.

Heide Neubert, Clausthal-Zellerfeld

Überheblicher Journalismus

Es ist ja zweifelhaft, ob ausgerechnet ein Minister diesen Strafantrag stellen muss, aber etwas mehr Selbstkritik von den besserwissenden Journalisten wäre erforderlich. Diese kritisieren Gott und die Welt, aber schreiben sie einmal einen lausigen Artikel, so ist bei Kritik immer gleich die Demokratie und die Pressefreiheit in Gefahr! Wenn es die Berufskollegen nicht machen, wer soll dann diese Artikel kritisieren? Eine Krähe hackt der anderen nicht das Auge aus. Manchmal ist die Überheblichkeit einiger Journalisten nicht auszuhalten.

Peter Falk, Berlin

Profiling für weiße Männer

Der Meinung von Constanze von Bullion, "Deutschland braucht ein Konzept der Deeskalation, diesmal ein interkulturelles", kann ich mich vollkommen anschließen. Die Erklärungs- und Verhaltensmuster bei der Aufklärung und Bestrafung von Straftaten orientieren sich noch immer zu sehr an pauschale Gruppenzugehörigkeiten wie Ausländer, Migrant oder Asoziale. Wäre diese oft angewandte Profiling-Strategie der Polizei und Staatsanwaltschaften eine gleichberechtigte Methode, dann müssten zum Beispiel beim Thema Kindesmissbrauch vorwiegend deutsche, weiße Männer unter besonderer Kontrolle stehen. Die letzten Fälle in Münster oder Lügde haben gerade gezeigt, wie sogar bekannte vorbestrafte Männer von Jugendamt und Ermittlungsbehörden keine oder nur wenig Beachtung fanden.

Auch bei rechtsextremistischen Straftaten verfolgten die Ermittlungsbehörden eher nach dem vorrangigen Ausländer-Profiling als nach Rechtsextremen, obwohl die tatsächlichen Täter oft dem Verfassungsschutz und der Polizei bekannt waren. Diese einseitige Ermittlungsstrategie muss beendet werden, um unserem Grundgesetz gerecht zu werden. Konkret zur taz-Kolumne "Abschaffung der Polizei" vom 15. Juni, die von vielen als Satire bezeichnet wird: Ich bin ein Freund von Satire und Kabarett, die für Aufklärung, Hintergründe und meist für guten Humor sorgen. Aber gerade gute Satiriker achten auf Menschenwürde, die auch oft bei ihrer Satire eingefordert wird. Deshalb hat dieser Artikel gar nichts mit Satire zu tun, sondern ist einfach menschenverachtend. Das oft zuletzt angewandte Zitat von Brecht, dass Kunst alles darf, ist nur noch hilflos und demaskiert die eigene intolerante und populistische Haltung. Für die taz und alle anderen Medien ein hoffentlich lehrreiches Ereignis. Gegen Rassismus, Diskriminierung etc. hilft nicht Rassismus, Diskriminierung etc., sondern eine klare Haltung, wie von Jesus: Wenn du eine auf die Backe bekommst, dann halte ihm gleich noch die andere hin.

Ludwig Waldleitner, Hattenhofen

Würde aller Berufe schützen

Hätte Horst Seehofer die taz-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah angezeigt, wäre das kein Anschlag auf die Pressefreiheit gewesen. In Deutschland, anders als in Russland oder der Türkei, zieht die Staatsgewalt vor Gericht auch gern einmal den Kürzeren. Ein Urteil hätte vielleicht Klarheit darüber geschaffen, wo die Grenzen der Verhöhnung von Staatsdienern sind.

Man stelle sich nur einmal vor, nicht Polizisten wären scherzhaft als reif für die Mülldeponie bezeichnet worden, sondern zum Beispiel Asylbewerber oder Hartz-IV-Empfänger. Eine Klage gegen die Verfasserin hätten wir doch alle, wenn nicht als notwendig, so doch zumindest als Ausdruck gerechter Empörung gesehen. Ja aber, Polizisten sind doch Täter, keine Opfer! Wirklich? Warum sollte denn ausgerechnet die Würde von Polizisten keinen Schutz verdienen?

Axel Lehmann, München

Kurzsichtiges Denken

Wer erinnert sich noch an die Initiative Seehofers, Quasi-Grenzgefängnisse an der bayerischen Grenze zu bauen, um Geflüchtete aus Kriegs- oder Hochrisiko-Ländern zu verwahren? Es ist nicht zu verhehlen, dass dabei ein Hauch von staatlicher Willkür gegenüber Nichtdeutschen mitschwingt. Dass Polizisten mit staatlichen Machtbefugnissen diese auch hart und konsequent anwenden, (siehe Hamburger G-20-Gipfel) ist auch bekannt!

Wenn nun der Bayer Seehofer eine von der EU angestoßene wissenschaftliche Untersuchung zur rassistischen Polizeikontrolle strikt ablehnt, ist das weniger eine Machtdemonstration kraft seines Ministeramtes, sondern eher ein fehlgeleitetes Zeugnis kurzsichtigen Denkens! Seine Argumentation der Ablehnung einer Untersuchung, mit Bezug auf ausreichend vorhandenen Gesetzen, führt schon deshalb in die Irre, weil Gesetze keine absolute Sicherheit geben gegen Verstöße, und eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema Rassismus erst eine fundamentale, einigermaßen gesicherte Grundlage liefern kann, von der aus argumentiert und operiert werden kann.

Dr. Udo Küppers, Bremen

Einschlägige Stichprobe

Wer sich gegen das Vorhaben von Bundesjustizministerin Lambrecht, eine Rassismusstudie bei der Polizei zu initiieren, opponiert, macht sich verdächtig. Schon allein dieser eine mögliche tendenziöse Zielsetzung zu unterstellen, macht hellhörig. Offensichtlich existiert Sorge ob des Resultats. Dazu ein Beispiel: Ich befand mich vor einiger Zeit abends im Thalys-Zug von Paris nach Köln. Der Waggon, in dem ich mich befand, war spärlich besetzt. In Aachen stieg Personal der Bundespolizei hinzu. Eine Bundespolizistin betrat den Eisenbahnwagon und kontrollierte zwei farbige Paare und keine weiteren Fahrgäste. Als die Beamtin mich passierte, erkundigte ich mich, warum sie ausgerechnet die beiden Paare und keine anderen Personen der Ausweiskontrolle unterzogen hätte. Sie entgegnete, dass es sich um eine Stichprobe handeln würde. Da sie bei Betreten des Thalys-Waggons zielgerichtet auf die beiden Paare zusteuerte, lag der Verdacht rassistischen Auftretens nahe.

Burkhard Maus, Paris/Frankreich

Deeskalation ist jetzt wichtig

Prantls Artikel "Müll und Politik" ist ein Beispiel, was Journalismus leisten kann und muss. Er ist getragen von Sach- und Fachkenntnis, bringt einen komplexen, emotional aufgeladenen Sachverhalt auf den gesellschaftlich relevanten Punkt und ist der Aufklärung verpflichtet. In Zeiten der hysterischen Erregungswellen und des Terrors kleiner, aber lautstarker Gruppenegoismen ist Deeskalation in der öffentlichen Debatte ein Gebot der Stunde. Und auch dazu leistet der Text einen Beitrag: nachzudenken darüber, dass die Forderung nach parteiischem Betroffenheitsjournalismus eine verhängnisvolle Sackgasse ist.

Harald Raab, Weimar

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