Hebertshausen:Punkte fürs Ökokonto

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Die Gemeinde Hebertshausen will einen 25 Meter breiten Uferstreifen des Kalterbachs renaturieren. Dadurch soll der Fluss wieder Seitenarme bilden können. Eine "Win-win-Situation" für die Natur und die Kommune

Von Horst Kramer, Hebertshausen

Die Gemeinde Hebertshausen will nachhaltiger werden. In der Gemeinderatssitzung stand gleich zweimal der Begriff "Ökokonto" auf der Tagesordnung. Zum einen ging es um ein Renaturierungsprojekt am Kalterbach, das der interkommunale Verein Dachauer Moos (VDM) durchführen will. Zum anderen um einen Antrag der CSU-Fraktion, Waldgebiete, die der Gemeinde gehören, dem kommunalen Ökokonto zuzuführen. Das Gremium sprach sich prinzipiell für beide Vorhaben aus. Allerdings ohne die Möglichkeit, die Kalterbach-Maßnahme für ihr Ökokonto zu nutzen.

Der VDM-Geschäftsführer Robert Rossa, ein gelernter Agraringenieur, und der Biologe Martin Baars, einer der Naturschutzbeauftragten Hebertshausens, stellten das Kalterbach-Vorhaben vor. Dabei soll ein 25 Meter breiter Uferstreifen auf der Ostseite des Amperzuflusses renaturiert werden. Die Gemeinde besitzt nahe der Grenze zur Nachbargemeinde Haimhausen rund 1,5 Hektar Grund. Gegenwärtig ist der verpachtet und wird als Ackerfläche genutzt. "Die Gemeinde kann mit der Renaturierung gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen", fuhr Rossa fort: für den Natur- und Klimaschutz etwas tun und dabei ihr Ökokonto auffüllen. Dazu reiche es, die Restackerfläche von 1,28 Hektar in eine extensive Wiese zu verwandeln.

Der Kalterbach fließt aus dem Feldmochinger See in die Amper. (Foto: Niels P. Jørgensen)

In einem Ökokonto sammelt eine Kommune unbebaute Flächen an, die sie bei Baumaßnahmen im Außenbereich als Ausgleichsflächen nutzen kann. Allerdings nur, wenn sie ökologisch aufgewertet wurde oder wird. Also wenn etwa eine artenarme Wiese in ein Streuobstareal verwandelt oder ein reiner Fichten-Nutzwald nachhaltig umgebaut wird. Für ein ökologisch wertvolle Fläche erhält eine Kommune drei Prozent "Zinsen" pro Jahr. Das bedeutet, dass aus einer Streuobstwiese, die tatsächlich 2000 Quadratmeter umfasst, binnen zehn Jahren eine Ökokonto-Fläche von 2600 Quadratmetern wird. Wenn nun eine Kommune unbebaute Flächen mit der Ausweisung neuer Baugebiete versiegelt, kann sie ihre Ökokontogebiet als Ausgleichsflächen einsetzen - sofort und ohne weitere Prüfung. Das Ökokonto ist somit einerseits ein Planungshilfsinstrument, um einer Kommune eine schnellere Bauplanung zu ermöglichen, andererseits aber auch ein Naturschutzinstrument, das die Schaffung zusammenhängender Biotope ermöglicht.

Der VDM kann das Projekt am Kalterbach aus staatlichen Fördermitteln zu 90 Prozent finanzieren und auch für die Folgekosten aufkommen. Konkret geht es laut Baars darum, dem Kalterbach wieder die Möglichkeit zu geben, Seitenarme zu bilden und zu mäandrieren - in ähnlicher Weise querte der Bach bis zu seiner Begradigung zu Beginn des 20. Jahrhundert das Moos. Baars hat vor rund zehn Jahren ein ähnliches Vorhaben durchgeführt, circa 3,2 Kilometer bachaufwärts in der Nähe des Obergrashofs. Mit beeindruckenden Erfolgen: Unter anderem hat sich dort eine seltene Libellenart wieder angesiedelt, die Helm-Azurjungfer. Aber auch Fischarten wie die Forelle nutzen das flache Ufer zum Laichen. Das Projektgebiet am Unterlauf des Kalterbachs könnte sogar wachsen: Rossa berichtete, dass ein Landwirt, dessen Flächen nördlich an das Gemeindeareal anschließen, ebenfalls an einer Renaturierung seines Ufers interessiert sei.

Artenreichtum: Eine Libelle hat es sich am Ufer des Kalterbachs zwischen Ampermoching und Hackermoos gemütlich gemacht. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Bürgermeister Richard Reischl (CSU) lobte das Projekt: Hebertshausen wolle nicht nur über Naturschutz reden, sondern auch handeln. Ohne aber über das Ökokonto davon zu profitieren: "Unser Ökokonto ist gut aufgefüllt", so Reischl, auch in Hinblick auf den CSU-Antrag. Zudem verwies der Rathauschef auf ein Schreiben des Bayerischen Bauernverbands vom Jahresanfang, in dem der Verband vor der Reduktion von landwirtschaftlich genutzten Flächen gewarnt hatte.

Reischls Stellvertreter, Martin Gasteiger (FBB), griff den Gedanken auf: "Es muss gewährleistet sein, dass kein Nachteil für die Landwirte entsteht." Zum Beispiel durch Hochwasser. Baars versicherte: "Hydraulisch ändert sich überhaupt nichts." Rossa sagte der SZ Dachau: "Ich kenne diese Sorgen der Landwirte. Sie sind verständlich, aber sachlich unbegründet."

Marianne Klaffki (SPD) nannte die Renaturierung eine "großartige Idee" und sprach von einer "Win-win-Situation für die Natur und die Gemeinde." CSU-Ortschef Clemens von Trebrau-Lindenau, als diplomierter Land- und Forstwirt ein Mann vom Fach, regte an, das Projekt in einem größeren Rahmen aufzuziehen und hakte bei Rossa nach: "Haben Sie schon mit den Besitzern am Westufer gesprochen?" Rossa reagierte zurückhaltend: Dort habe man es mit einer Vielzahl von Besitzern zu tun, die alle einzeln überzeugt werden müssten. Eine erfolgreiche kleine Maßnahme zeige dagegen fast immer eine "Strahlwirkung". Baars sprach von ökologischen "Trittsteinen", die letztendlich ein Netzwerk bildeten.

Die Renaturierung des Kalterbach-Abschnitts wurde vom Gemeinderat bei zwei Gegenstimmen durchgewunken, die ökologische Aufwertung des Ackers indes abgelehnt. Dafür fand der CSU-Antrag die einhellige Zustimmung des Gremiums. Die Ratsmitglieder beschlossen, alle gemeindeeigenen Waldflächen durch unabhängige Experten auf ihre ökologische Aufwertbarkeit untersuchen zu lassen. Die Ergebnisse werden anschließend dem Gemeinderat vorgestellt.

© SZ vom 29.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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