Kommentar:Aufwachen aus der Schockstarre

In die Basketball-Szene kommt wieder Bewegung. Doch in München mag man sich nicht treiben lassen vom Geschehen.

Von Joachim Mölter

Keiner weiß, wie es weitergeht mit dem Sport in Zeiten der Corona-Pandemie. Aber in den Mannschaftssportarten bereiten sich allüberall die Ligen und Klubs schon mal darauf vor, im Herbst den Spielbetrieb für die nächste Saison aufzunehmen, mit Zuschauern oder ohne, das kann niemand vorhersagen. Aber es hilft ja nix stillzustehen, es muss auch wieder weitergehen. Möglicherweise im September, wie es die Fußballer planen, eventuell im Oktober, wie es Basket-, Hand- und Volleyballer vorhaben, vielleicht erst im November, den die Eishockeyspieler anvisiert haben.

Auch außerhalb des dauerbetriebenen Fußballs, der gefühlt sowieso nie geruht hat, erwacht die Szene wieder zum Leben. Am aufgewecktesten sind zweifellos die Basketballer. Die waren bereits während des allgemeinen Stillstands im Frühjahr nicht untätig und haben ihren Kollegen gezeigt, wie sich trotz allem ein Spielbetrieb organisieren lässt: Beim Finalturnier in München kürten sie im Juni einen Meister, Alba Berlin, und sammelten zudem wertvolle Erkenntnisse für alle (Corona-)Fälle, die noch kommen könnten.

Die in der Basketball-Bundesliga (BBL) gewonnene Gewissheit, dass es trotz Corona grundsätzlich möglich ist, zu spielen, hat die Dribbler über Deutschland hinaus inspiriert. Die nordamerikanische Profiliga NBA setzt demnächst ihre Saison 2019/20 unter ähnlichen Voraussetzungen fort, wie sie die BBL geschaffen hatte. Und der europäische Spielermarkt ist auch in Bewegung, nicht so sehr wie sonst um diese Zeit, aber deutlich stärker als zu erwarten war angesichts einer unsicheren Ertragslage. Vor allem die von Mäzenen finanzierten Euroleague-Klubs aus Mailand und Valencia haben sich verstärkt als gäbe es keine Krise. Zwar leisten sich auch andere, in der Regel vom Fußball quersubventionierte Vereine wie ZSKA Moskau, FC Barcelona oder Fenerbahce Istanbul namhafte Neulinge, aber die Ansage aus Mailand und Valencia ist klar: Sie wollen das Kräfteverhältnis auf dem Kontinent verschieben.

Das hatte auch der FC Bayern München mal vor; erst vor einem Jahr hatte er das Ziel ausgegeben, in den Euroleague-Playoffs der besten Acht mitzumischen. Dann verfehlten die FC-Bayern-Basketballer alle Saisonziele deutlich, in Europa, im Pokal, in der BBL, und nun stehen sie im Corona-Sommer auffallend still, wie in Schockstarre. Während selbst der nationale Rivale Alba Berlin seinen Kader für 2020/21 schon fast komplett hat, haben die Münchner bislang nur den neuen Trainer vorgestellt, den Italiener Andrea Trinchieri. Auf neue Spieler warten die Fans noch; man wolle sich "nicht vom Markt treiben lassen", versucht Geschäftsführer Marko Pesic zu beruhigen.

Kann sein, dass es richtig ist, in diesen turbulenten Zeiten Ruhe zu bewahren. Kann auch sein, dass der Spielermarkt abgegrast ist, wenn der FC Bayern einkaufen geht. Im Moment scheinen sie darauf zu vertrauen, dass es der neue Trainer Trinchieri schon richten wird. Das ist ein bisschen wenig Aufbruchstimmung.

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