Nach der kulturellen Zwangspause:"Caramba, Corona"

Nach der kulturellen Zwangspause: "Ich will keine Isolierung, ich will lieber einen Mann": Die Sängerin Julia von Miller, Anatol Regnier (rechts) und Frederic Hollay laufen im Irschenhauser Theatergarten zur Höchstform auf.

"Ich will keine Isolierung, ich will lieber einen Mann": Die Sängerin Julia von Miller, Anatol Regnier (rechts) und Frederic Hollay laufen im Irschenhauser Theatergarten zur Höchstform auf.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Julia von Miller, Anatol Regnier und Frederic Hollay feiern bei der "Gesellschaft unterm Apfelbaum" mit begeisterten Gästen die "Liebe auf Distanz".

Von Barbara Szymanski, Icking

Was gab weiland der TV-Moderator Robert Lembke als Bonmot seinen Zuschauern mit auf den Weg: "Die Liebe ist eine tolle Krankheit. Da müssen gleich zwei ins Bett." Anatol Regnier kneift die Augen zusammen und linst schmunzelnd ins Publikum. Die vielen Gäste bei der "Gesellschaft unterm Apfelbaum" um Initiatorin Barbara Reimold in Irschenhausen lachen fröhlich zurück. Da ist sie wie angeknipst, die prächtige Laune. Corona? Das in Freundschaft und künstlerischen Umtrieben eng verbundene Trio - Regnier, die Sängerin Julia von Miller und der Pianist Frederic Hollay - nimmt die Sache ernst, verpackt den Schrecken jedoch in Wohlklänge und jede Menge Reime, Ausflüge ins Kabarettistische und freche, leicht corona-haltige Gesänge aus dem scheinbar unerschöpflichen Reservoire der bundesdeutschen Schlagermusik der 1960er Jahre.

Die meisten Liebesanbahnungen spielen sich derzeit entweder virtuell oder im Kopf ab. "Liebe per Distanz" hat das kreative Trio deshalb sein neues Programm betitelt. Dabei kommt es dem Adressatenkreis sogleich recht nahe - schließlich geht das "Thema Nummer 1" alle an. Aber: "Die Liebe ist ein seltsames Spiel." Connie Francis, die Frau mit der Sägestimme, röhrte 1960 den Song, der aus allen Musikboxen quoll. Und die Apfelbaumgesellschaft bewegt die Lippen zu der wohlige Seufzer hervorlockenden Interpretation, die Julia von Miller präsentiert. Frohgemut mit einem flotten Dixie haut Frederic Hollay dazu ordentlich auf die Tasten des E-Pianos.

Die frische und klare Stimme der Sängerin kann auch ganz schön frivol klingen. Bei tiefen Tönen samtig, in der Mittellage plastisch und in den hohen Tönen knackig bis zart oder gehaucht. Julia von Miller kostet nicht nur diese Wandelbarkeit aus, sondern auch die Texte. Jedes Wort ist zu verstehen, ohne dass die Dynamik darunter auch nur einen Moment leiden müsste. Anatol Regnier, dessen Stimme sich immer ein wenig kraus anhört, bewährt sich als prima Duopartner. Hübsch, diese Duette zwischen Taufrische und Raureif. "Sag mir, was du denkst" ist eines davon - und weckt Erinnerungen an bauschige Petticoats und Versuche vor dem Spiegel, Conny Froboess und Peter Kraus nachzuahmen. Regnier mit einem berühmten Song von Charles Aznavour: "Du lässt dich geh'n" - kann das funktionieren? Aber klar doch. Ein bisschen "isch kann disch einfach nischt verstehn", und schon klagt da der französische Chansonnier, und das Publikum spendet einmal mehr reichlich Beifall.

Hart ist der Schnitt zum Bogenhauser Friedhof, auf dem der "Monaco Franze" Helmut Fischer ebenso begraben ist wie Helmut Dietl oder der TV-Kommissar Siegfried Lowitz. Zur Versöhnung rezitiert Regnier Erich Kästners berührendes Gedicht "Juli" ("Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur..."). Auch Kästner wurde in Bogenhausen beerdigt. Im Anschluss erklingt der Song der Comedian Harmonists "Die Liebe kommt, die Liebe geht". Julia von Miller fasst diesen rahmigen Song so verrucht auf wie einst Zarah Leander - einfach wunderbar. Gleiches gilt für den umgetexteten Schlager "Juanita hieß das Mädchen", das Freddy Quinn 1959 schluchzte. Nun heißt der Refrain "Caramba, Corona".

Diesen Ohrwurm widmet Regnier seinem einstigen Gitarrenschüler Manfred Heller; der Leiter der Musikschule Wolfratshausen sitzt an diesem Abend im Publikum. Das Lied endet mit den Worten "Denn es blieben ihm zwei Freunde: die Gitarre und das Meer". Heller lacht, alle lachen. Rasch noch ein Goethe-Gedicht untergebracht. "Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll", die Gäste murmeln den Schluss mit: "Halb zog sie ihn, halb sank er hin."

Mit einem jazzigen Song lockt Julia von Miller die Zuhörer in die zweite Runde dieses bravourösen Abends und schickt noch einen Gute-Laune-Song hinterher: "Ich will keine Isolierung, ich will lieber einen Mann." So ähnlich krakeelte 1959 Trude Herr, die aber lieber keine Schokolade wollte. Und wieder gibt es eine Umdichtung. Statt "Ich bin ein Mädchen aus Piräus" heißt es nun "Ich bin ein Mädchen von der Isar", und viele summen mit beim Refrain "Ein Floß wird kommen, und das bringt mir den Einen". Auf den Weg nach Hause gibt Anatol Regnier den Ratschlag mit: "Es gibt wieder Nudeln und Klopapier. Liebe Deutsche, bleibt doch hier." Wenn es weiter solche Abend gibt, dann gerne.

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