Gipfelstürmer:Eisbach Bio entwickelt ein Coronavirus-Medikament

Coronavirus: Entwicklung eines Medikaments bei Eisbach Bio

Zumindest im Labor scheint der Angriff auf das neuartige Coronavirus gut zu funktionieren, wie erste Tests von Eisbach Biozeigen.

(Foto: oh)

Das Münchner Start-up erkannte früh eine Schwachstelle des Virus. Die Labortests sind vielversprechend. Erste klinische Studien könnten schon im nächsten Jahr beginnen.

Von Elisabeth Dostert

Adrian Schomburg, 37, mag Bilder. Er und Andreas Ladurner, 49, haben 2019 die Firma Eisbach Bio gegründet. Wenn Schomburg sein Start-up präsentiert, zeigt er oft ein Ölgemälde von Antoine Borel aus dem Jahr 1787. Es hängt in der Nationalgalerie von Parma. Es zeigt, wie die Meeresnymphe Thetis ihren Sohn Achilles in den Unterweltfluss Styx taucht, um ihn unverwundbar zu machen. Sie hält ihr Kind an der Ferse fest. Diese wird nicht vom Wasser benetzt und ist später sein wunder Punkt. Dort trifft ihn der griechischen Mythologie nach der Pfeil des Paris.

Es ist ein schönes Bild für das, was Schomburg und Ladurner tun: Sie suchen den wunden Punkt in Tumorzellen. Die beiden Wissenschaftler haben ihn auch gefunden. "Manche Krebszellen verlieren einen Tumorsuppressor, also jene Gensequenz, die die Bildung eines Tumors verhindert", erklärt Schomburg: "Wir suchen in den Krebszellen nach einem Protein, auf das diese Tumore nicht verzichten können. Dieses Protein schalten wir aus." Den schwachen Punkt und die passende Substanz zu finden, ist eine gigantische Rechenaufgabe. Eisbach Bio analysiert riesige Datenmengen des menschlichen Genoms.

Schomburg ist Molekularbiologe, er hat für Pfizer gearbeitet und schon ein paar Mal gegründet. Ladurner ist Biochemiker, er lehrt am Biomedizinischen Zentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihre Firma sitzt im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) in Martinsried. Als Ende Januar die ersten Meldungen über das neue Coronavirus im Süden Münchens auftauchten, packte sie die Neugier. "Ich habe mich einen Abend an den Rechner gesetzt und mir die Gensequenz von Sars-CoV-2 angesehen", erzählt Schomburg. Was er sah, habe er zunächst nicht fassen können. Das Virus weise ein Eiweiß auf, das dem unverzichtbaren Zielprotein in den Tumorzellen zum Verwechseln ähnlich sehe. "Wir haben spekuliert, dass ein paar unserer Moleküle gegen Tumore auch gegen Sars-CoV-2 wirken könnten", sagt Ladurner. Zumindest im Labor scheint das gut zu funktionieren, wie erste Tests zeigen. "Unsere Moleküle greifen ein für das Virus essenzielles Eiweiß an und legen es lahm." Patente für das Verfahren und Molekülstrukturen hat das Start-up bereits eingereicht.

Wenn es gut weiterläuft, könnte aus den Molekülen ein Medikament werden und nächstes Jahr könnten die klinischen Tests erfolgen, sagt Schomburg. Bislang geht er von einer Behandlungsdauer von ein bis zwei Wochen aus und einem Preis von "unter 100 Euro". Wenn das passende Molekül erst einmal gefunden sei, sei die Produktion kein Problem, sagt Schomburg: "Im Grunde ist unser Produkt eine Chemikalie." Der Wirkstoff und die für eine Tablette nötigen Substanzen, etwa Zucker und Stärke, lassen sich relativ preiswert in großen Mengen herstellen. Das erledigen in der Regel Lohnunternehmen.

Es sei wichtig, im Kampf gegen das neue Coronavirus parallele Strategien zu verfolgen. "Im Moment konzentriert sich alles auf die Eindämmung der Infektion durch Tests und Schutzmaßnahmen wie Masken und die Entwicklung von Impfstoffen", sagt Schomburg. Aber was, wenn die Impfstoffe keine dauerhafte Immunität auslösen oder nicht jedem Menschen zur Verfügung stehen? Ladurner und Schomburg haben für sich die Antwort gefunden, es brauche neue antivirale Wirkstoffe wie das Präparat, an dem sie gerade arbeiten.

Gegen viele Viren lässt sich kein Impfstoff finden, ein Wirkstoff aber schon

"Gegen Hepatitis C und Cytomegalieviren, eine Gruppe von Herpesviren, gibt es noch keinen Impfstoff, aber Wirkstoffe, die die viralen Infektionen heilen. Auch gegen HIV haben wir nach mehr als 30 Jahren Forschung noch keinen Impfstoff gefunden, dafür aber chemische Substanzen, die den Ausbruch der Krankheit bremsen und eindämmen", sagt Ladurner.

Die beiden Gründer wären keine guten Unternehmer, wenn sie sich nicht ausgiebig mit der Konkurrenz beschäftigten. Gegen Covid-19, die Krankheit, die das Virus auslöst, werden einige Medikamente getestet, die für andere Indikationen entwickelt wurden. Im Fachjargon heißt das Repurposing. Anfänglich galten die Wirkstoffe Chloroquin und Hydroxychloroquin als mögliche Kandidaten. Sie wurden zur Behandlung von Malaria entwickelt. Die Hoffnung hat sich allerdings nach negativen Studien zerschlagen.

Als ein weiterer Kandidat gilt Remdesivir, das von der Firma Gilead zur Behandlung von Infektionen mit Ebola- und Nipahviren entwickelt wurde. Es ist das erste Arzneimittel, das in der EU eine bedingte Zulassung zur Behandlung von Covid-19 erhalten hat. "Ich würde Remdesivir nehmen, aber das Mittel zerstört nicht nur die Herstellung der genetischen Information von Sars-CoV-2, sondern beeinflusst möglicherweise auch unsere Gene", sagt Schomburg. Er und Ladurner wollen das Mittel nicht verdammen. "Unser Ansatz ist aber gezielter, weil er sich explizit gegen das Coronavirus richtet und mit dem Eiweiß einen Motor zerstört, der in allen bekannten Coronaviren nahezu unverändert ist", sagt Ladurner.

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Ob ihr Ansatz zum Erfolg führt, ist trotz erster Erfolge im Labor nicht ausgemacht. Es gibt Risiken, die Gründer haben die Szenarien durchgespielt: Das Medikament von Eisbach Bio könnte in der klinischen Phase scheitern. Oder es gibt doch schnell einen langfristig wirksamen Impfstoff, und es braucht vielleicht kein Therapeutikum mehr. Für Entwicklungsländer könnte das Medikament dann trotzdem eine Alternative sein, argumentiert Schomburg, weil es voraussichtlich preiswerter sein werde als der Impfstoff und leichter herzustellen und zu transportieren. Es könnte auch sein, dass durch eine globale Immunisierungskampagne das neue Coronavirus verschwinde, ehe es eine Therapie gebe.

Wegen der Risiken habe sich Eisbach Bio zur Finanzierung seiner Covid-19-Forschung eigene Geldquellen gesucht. Ein Milliardär habe einen siebenstelligen Betrag gespendet. Den Namen nennt Schomburg nicht. Nur so viel verrät er, es sei keiner der üblichen Verdächtigen - also nicht die Brüder Strüngmann, die bei Biontech investiert sind, oder Dietmar Hopp, Großaktionär von Curevac. Auch nicht die Stiftung von Bill und Melinda Gates. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstütze das Vorhaben auch. "Momentan haben wir genug Geld", sagt Schomburg.

Das werde sich ändern, wenn die klinischen Tests und irgendwann die Produktion anlaufen. Die Gründer wünschen sich mehr Unterstützung für die Forschung und Entwicklung von Wirkstoffen, nicht nur finanzielle. Er habe mehrere Politiker und Institutionen angeschrieben, die Reaktionen seien aber eher mäßig ausgefallen. Auch wünschen sie sich mehr Enthusiasmus, der die Etablierung radikal "neuer therapeutischer Ansätze" befeuere. Eben Ansätze wie ihren.

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