Fernandes bei Manchester United:Der beste Wintertransfer seit Éric Cantona

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Kunstfertig auch im englischen Regen: Bruno Fernandes von Manchester United. (Foto: imago images/Sportimage)

Mit dem Einzug in die Champions League rettet ManUnited die Saison. Dass die Aufholjagd gelungen ist, liegt vor allem an den Künsten von Bruno Fernandes, der den Klub vitalisiert hat.

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Auf dieses Zuspiel war Leicester City nicht vorbereitet, aus einem einfachen Grund: weil man sich darauf gar nicht vorbereiten konnte. Mit klinischer Präzision spielte Bruno Fernandes für Manchester United den Pass, der die gegnerische Abwehr überforderte. Die Szene lief so zügig ab, dass einem die wahre Genialität der Aktion erst in der Wiederholung so richtig vor Augen geführt wurde.

Nach einem Ballverlust des jungen Hamza Choudhury etwa 30 Meter vor dem eigenen Tor trat Fernandes in zentraler Lage in Erscheinung. Fast ohne Reaktionszeit leitete er den Ball direkt in den Lauf seines Teamkollegen Anthony Martial weiter: nicht zu kurz, nicht zu steil, nicht zu langsam, nicht zu schnell, eiskalt, gerade und knöchelflach - der Prototyp des Passes, bei dem es kein Zurück mehr gibt. Im Strafraum blieb Abwehrchef Jonny Evans gegen den einschussbereiten Martial kein anderer Ausweg, als im Tackling alles aufs Spiel zu setzen. Die Grätsche (mit der Evans minimal den Ball touchierte) holte den Stürmer von den Beinen: Elfmeter. Fernandes trat zum 14. Saison-Strafstoß für United an, er lockte Leicesters Torwart Kasper Schmeichel in die falsche Ecke, schoss den Ball flach links ins Tor (71.). Die rote Karte für Evans nach Frustfoul (90.+4) und der zweite Treffer durch Jesse Lingard (90.+8) waren nur noch Beiwerk.

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Von Sven Haist, Liverpool

Mit dem 2:0 in Leicester zum Saisonabschluss hat Manchester United das Schloss des Multimillionen Euro schweren Geldkoffers geknackt, den es für die Qualifikation zur Champions League gibt. Hinter Meister Liverpool und dem Stadtrivalen City belegt United aufgrund des besseren Torverhältnisses mit 66 Zählern vor dem punktgleichen Chelsea den dritten Platz.

Als undankbarer Fünfter kam Leicester ins Ziel, was lediglich einen Startplatz in der Europa League einbringt. Dabei lag Leicester zu Jahresbeginn noch 14 Punkte vor dem Rekordmeister. Auf der Tribüne litten die verhinderten Stammkräfte (Madison, Chilwell, Pereira und Söyüncü) konsterniert mit - einzig Jamie Vardy erhielt als bester Ligatorjäger (23 Treffer) eine persönliche Entschädigung für Leicesters beachtliche Saisonleistungen.

Fernandes könnte Manchester bis zu 80 Millionen Euro kosten

Der Umschwung bei Manchester United, den manche im Klub sogar für eine Transformation halten, vollzog sich mit der Verpflichtung des Spielmachers Fernandes im Winter. Am 30. Januar kaufte der Klub den 25 Jahre alten Portugiesen für den stattlichen Transferbetrag von 55 Millionen Euro - der sich durch Bonuszahlungen auf bis zu 80 Millionen erhöhen könnte - aus seinem erst ein paar Monate zuvor verlängerten Vertrag bei Sporting Lissabon heraus. Wie einst seinen großen Landsleuten Luis Figo und Cristiano Ronaldo gelang ihm bei Sporting der Durchbruch: mit 63 Toren und 52 Vorlagen in 137 Spielen, den meisten davon als Kapitän.

Den Wechsel von Fernandes, der in Manchester bis 2025 unterschrieb, hätte United vor einem Jahr zwar günstiger haben können, damals war man auch schon interessiert - dennoch hat sich die Personalie im Wortsinne ausbezahlt. Seit Fernandes mitspielt, hat Manchester United in der Premier League nicht mehr verloren.

Fernandes ist weder besonders schnell noch besonders athletisch, aber er ist der gesuchte Zehner

In 14 Partien gelangen Fernandes (ausgesprochen "Fur-nandsch") mit acht Treffern und sieben Vorlagen mehr Torbeteiligungen als jedem anderen Spieler in England in diesem Zeitraum. Jedes Mal stand er in der Startelf, verpasste bloß 67 der 1260 möglichen Einsatzminuten. Auf der Insel heißt es, Fernandes' Anstellung sei das beste Wintergeschäft eines Vereins gewesen - jedenfalls seit sich Manchester United am 26. November 1992 während der laufenden Saison die Dienste des ebenso legendären wie kontroversen Linksaußen Éric Cantona vom Ligarivalen Leeds United sicherte, für damals anderthalb Millionen Pfund. Zu diesem Zeitpunkt lag United im Mittelfeld der Liga neun Punkte hinter Spitzenreiter Norwich City, ehe Cantona die Red Devils mit neun Toren und elf Assists in 22 Ligaspielen zur Meisterschaft führte. Eine Saison spielte der jetzige United-Trainer Ole Gunnar Solskjaer damals noch mit Cantona zusammen, einen Vergleich zwischen Cantona und Fernandes hat Solskjaer bislang stets vermieden.

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Als Fazit zur abgelaufenen Spielrunde sagte Solskjaer nur, dass Fernandes den Klub vitalisiert habe: "Wir müssen zugeben, dass Bruno massiven Einfluss auf uns hat. Er ist fantastisch, sein Enthusiasmus und seine Mentalität haben uns sehr geholfen." Selbst gegen Leicester, als Fernandes die Anstrengungen der zurückliegenden Wochen anzusehen waren, ragte er im entscheidenden Augenblick heraus.

"Hätte er nicht Bruno Fernandes geheißen, wäre er vermutlich zuvor ausgewechselt worden", witzelte der frühere United-Spieler Gary Neville während des Spiels in seiner Expertenrolle bei Sky Sports.

Fernandes weiß immer etwas mit dem Ball anzufangen

Fernandes, 1,79 Meter groß, ist weder sonderlich antrittsschnell noch besonders athletisch, aber mit seiner eleganten Spielweise der lang gesuchte Zehner im United-Mittelfeld. Er will immer den Ball haben und weiß immer etwas damit anzufangen.

Als Strippenzieher hinter den drei schnellen Stürmern Mason Greenwood (18, England), Anthony Martial (24, Frankreich) und Marcus Rashford (22, England) verknüpft der 19-malige portugiesische Nationalspieler mit seinen Pässen die Angreifer miteinander und steht seinen Mitspielern auch zur Verfügung, wenn es darum geht, den Ball zu behaupten und weiterzuleiten. Immer mit dem Finger am Abzug für den tödlichen Pass - oder den entscheidenden Schuss.

© SZ vom 28.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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