Als Tourist in der eigenen Stadt:Schön leer hier in München

Blick vom Münchner Olympiaturm

Erst seit einer Woche ist der Olympiaturm wieder in Betrieb.

(Foto: Catherina Hess)

Die Aussicht vom Olympiaturm und andere Klassiker des Touristenprogramms lassen sich im Moment entspannt genießen - trotzdem läuft das Geschäft mit den Gästen nur langsam wieder an.

Von Heiner Effern und Tom Soyer

Man kann jetzt wieder ganz hoch hinaus in München, das wollen sich die vier Abiturienten aus dem Schwarzwald nicht entgehen lassen. In der bleiernen Hitze des späten Samstagnachmittag betreten sie kurz nach 17 Uhr das Foyer des Olympiaturms. Als erstes müssen sie sich registrieren, man weiß ja nie, ob das Coronavirus irgendwo hier lauert. Jeder erhält eine weiße Plastikkarte, damit die Mitarbeiter den Überblick behalten, wie viele Menschen sie bereits eingelassen haben. Und dann geht es hinein in den Aufzug, der sie in Sekundenschnelle in die Höhe katapultiert. In die Kabine von Liftführer Naeel Rasho dürfen normalerweise bis zu 30 Gäste, doch derzeit sind nur zehn erlaubt. Sicherheits-Auflagen. Hat hier jemand Angst wegen Corona? Allgemeines Kopfschütteln, nur Fabian Bigott will mal kurz nach hinten an den Haltegriff. Allerdings wegen der Höhe, nicht wegen Corona.

Zusammen mit Benita Hund, Lisa Stumm und Niels Bandelow ist er für eine Woche Urlaub nach München gekommen. "Wir sind nicht so die Wandertypen", sagen sie. Fernreisen waren auch keine geplant, also sind sie spontan losgefahren. Vorher haben sie noch im Internet nachgesehen, ob sich der Trip lohnt. "Die meisten Sehenswürdigkeiten sind offen. Wir halten uns dort einfach an die Maskenpflicht", sagt Niels Bandelow. Sie haben den Marienplatz besucht, sind wegen der Warteschlange vor dem Hofbräuhaus in den Biergarten am Viktualienmarkt ausgewichen, haben den Surfern am Eisbach zugesehen und wollen noch in die Bavaria Filmstudios und ins Deutsche Museum. Und die geschlossenen Clubs? Die vier lachen. Die reizen sie ebenso wenig wie das Wandern. Aber den Blick vom Olympiaturm, den finden sie toll.

Was sie vielleicht nicht wissen: Erst seit einer Woche hat ihn die Olympiapark GmbH wieder in Betrieb genommen. Die Auffahrt im Aufzug war das Corona-Nadelöhr, doch mit dem strengen Sicherheitskonzept kommt der Turm bei den Touristen an. In der ersten Woche kamen fast zwei Drittel der Besucher, die in der Vergleichswoche 2019 zur Plattform hinaufgefahren sind. "Vorsichtig optimistisch" stimme das die Betreiber, sagte ein Sprecher. Die Olympiapark GmbH ist unsicher gewesen, ob sich die Öffnung wirtschaftlich lohne. Nun überlegt sie, die eingeschränkten Öffnungszeiten auszudehnen.

Der Olympiaturm ist derzeitig auch der einzige Klassiker, bei dem die Touristen hoch hinaus können. Der Turm vom Alten Peter im Zentrum ist auf unabsehbare Zeit geschlossen. Die engen Treppen lassen ein sicheres Hoch- und Absteigen nicht zu. An der Tür des Aufzugs im Rathaus hängt ein Schild mit der gleichen Botschaft. Die Frauenkirche ist geöffnet. Dort können sich Besucher wie im Inneren der Kirche St. Peter weitgehend frei bewegen. Im Ordinariat zählt man die Gäste nicht, es sei aber zu beobachten, "dass die Zahl der Touristen vor allem im Dom seit einigen Wochen wieder deutlich zunimmt", heißt es. Am regnerischen Sonntagvormittag ahnt man, dass diese Steigerung von einem geringen Niveau ausgehen muss. Der Dom ist weitgehend leer, wie auch die Fußgängerzone und der Marienplatz. Nur vor zwei Türen in der Innenstadt hat sich gerade eine kurze Schlange gebildet: Die eine führt ins Hofbräuhaus, die andere in die Residenz.

Als Tourist in der eigenen Stadt: Im Hofbräuhaus liegen mehr Schilder mit der Aufschrift "Tisch blockiert" herum als Tische besetzt sind.

Im Hofbräuhaus liegen mehr Schilder mit der Aufschrift "Tisch blockiert" herum als Tische besetzt sind.

(Foto: Catherina Hess)

Man darf sich aber davon nicht täuschen lassen. Die Schlangen sind kein Zeichen eines großen Andrangs, sondern einer gewissenhaften Registrierung am Eingang und der wegen der nötigen Abstände stark eingeschränkten Kapazitäten. Im Hofbräuhaus liegen mehr Schilder mit der Aufschrift "Tisch blockiert" herum als Tische besetzt sind. Im Museum der Residenz kann man sich im Kaisersaal wie ein Kaiser fühlen, der alle seine Untergebenen hinausgeworfen hat und nun den Raum ganz alleine genießen will. Kommen sich mal ein paar Besucher zu Nahe wie im Audienzzimmer vor dem Eingang zur Grünen Galerie, sorgt eine freundliche Frau von der Aufsicht für den nötigen Abstand.

Die Schlösser- und Seenverwaltung hat für ihr Sicherheitskonzept den Zugang stark beschränkt. Grundsätzlich könnten derzeit "etwa ein Viertel bis ein Sechstel der vor Ausbruch der Corona-Pandemie zulässigen Gesamtzahl" eingelassen werden, sagte eine Sprecherin. Das bedeutet für Schloss Nymphenburg, dass 80 Besucher gleichzeitig ins Haus dürfen. Sie erhalten zur Kontrolle eine Wäscheklammer, die sie beim Verlassen wieder abgeben müssen. Jede Klammer wird nach der Nutzung ebenso desinfiziert wie jeder Audio-Guide. Wer am Sonntag gleich zur Öffnung um 9 Uhr kommt, muss trotzdem am Eingang nicht warten. Zu sehen ist fast alles: Nur einzelne Räume sind mit Kordeln abgeriegelt. Beim Geburtszimmer von König Ludwig II. müssen sich die Besucher etwa mit einem Blick durch die Tür begnügen.

Als Tourist in der eigenen Stadt: Nicht einmal zur Glockenspiel-Zeit belebt sich der Marienplatz an diesem Hochsommertag.

Nicht einmal zur Glockenspiel-Zeit belebt sich der Marienplatz an diesem Hochsommertag.

(Foto: Catherina Hess)

Wer an diesem Wochenende durch München schlendert, merkt aber auch, was fehlt. Man hört selten einen Brocken Französisch oder Italienisch, die breiten, lässigen Wonderful-Kommentare der Amerikaner gibt es gar nicht. Gästeführerin Carmen Finkenzeller erzählt am heißen Samstag im Schatten des Rathauses dann auch einer Gruppe von Familien aus ganz Deutschland Episoden aus der Stadtgeschichte. Ihre Kunden erfahren, dass an der Rathausecke zwischen Marienplatz und Weinstraße ein bronzener Lindwurm angebracht ist, der als Ungeheuer die Pest symbolisiert. Und Finkenzeller zeigt auch das Steinrelief rechts dahinter mit den Schäfflern und ihrem Tanz her, der das Überwinden der Pest und die Rückkehr der Lebensfreude markiert.

Diese Lebensfreude sei derzeit für eine freiberufliche Gästeführerin wie sie noch ziemlich Corona-gebremst. "Naja, schaugt net guat aus, natürlich", sagt sie, "wir selbständigen Gästeführer fallen durch alle Raster." Finkenzeller lässt ihren Blick kurz über den relativ leeren Marienplatz schweifen. Nicht einmal zur Glockenspiel-Zeit belebt er sich an diesem Hochsommertag, und das liegt nicht nur an der Hitze, wie sie weiß: "Alles leer - da gruselt's einen schon!"

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