Biologie:Käfer entkommt Frosch durch den Darm

Biologie: Seine robuste Schale hilft dem Wasserkäfer Regimbartia attenuata, in Magen und Darm seiner Fressfeinde zu überleben.

Seine robuste Schale hilft dem Wasserkäfer Regimbartia attenuata, in Magen und Darm seiner Fressfeinde zu überleben.

(Foto: Shinji Sugiura/Shinji Sugiura/ Kobe University)

Japanische Biologen haben eine ausgeklügelte Überlebenstechnik beobachtet: Ein Wasserkäfer wird gefressen - und flieht über den Verdauungstrakt seines Feindes.

Von Julian Rodemann

Stoisch starrt der Frosch auf die Glasscheibe des Laborbehälters, in dem er vorübergehend untergebracht ist. Ob das Tier überhaupt mitbekommt, was hinter ihm mit seinem Kot vor sich geht? Die gerade ausgeschiedene, kleine schwarze Kugel hat scheinbar, nun ja, Füße bekommen und krabbelt gemächlich über das Hinterteil der Amphibie. Was der Frosch offenbar nicht weiß und was bis vor Kurzem auch noch kein Mensch beobachtet hatte: Bei dem schwarzen Kügelchen handelt es sich keinesfalls um Fäkalien, also Überreste der Verdauung, sondern um einen ganzen, quicklebendigen Wasserkäfer der Spezies Regimbartia attenuata.

Die knapp 5 Millimeter großen Insekten können sich nämlich im Überlebenskampf auf eine ganz besondere Fähigkeit verlassen. Wenn ihre Fressfeinde, darunter viele Froscharten, die kleinen Krabbler längst verspeist haben und sich eine Verdauungspause gönnen, geschieht in ihrem Inneren Erstaunliches: Die verschluckten Wasserkäfer trotzen den Magensäften, kämpfen sich schwimmend durch den Darm und krabbeln schließlich putzmunter durch dessen Ausgang in Richtung Freiheit. Zu diesem Schluss jedenfalls kommt der japanische Biologe Shinji Sugiura von der Universität Kobe in einer neue Studie, erschienen im Fachjournal Current Biology.

Vermutlich stimulieren die Wasserkäfer den Schließmuskel von innen, damit der sich öffnet

Der Wissenschaftler fütterte Frösche mit 15 Wasserkäfern der Art Regimbartia attenuata und filmte sie dabei. Nur ein Käfer überlebte den Aufenthalt im Magen-Darm-Trakt nicht und wurde erst nach knapp 60 Stunden als Kot ausgeschieden. Die anderen 14 Exemplare krochen jedoch schon nach wenigen Stunden wieder aus dem Hinterteil ihres Fressfeindes. Anderen Käferarten gelang es nicht, den Fröschen durch die Hintertür zu entkommen; ihre Überreste wurden erst nach mindestens einem Tag ausgeschieden.

Weil dieser reguläre Verdauungsvorgang deutlich länger dauert, müssen sich die Käfer aktiv in Richtung Anus fortbewegen, vermutete Sugiura. Außerdem verließen alle 14 Exemplare den Darm mit dem Kopf voraus. Um seine Hypothese zu überprüfen, fixierte er die Beine von 15 weiteren Wasserkäfern mit klebrigem Wachs, um ihre Mobilität einzuschränken. Von diesen Tierchen überlebte kein einziges. Sugiura denkt, dass die Wasserkäfer den Schließmuskel von innen stimulieren, damit er sich öffnet.

Es sind mehrere Tierarten dokumentiert, die es überleben können, gefressen zu werden. Besonders Frösche bieten manchen Tieren Gelegenheit dazu, da sie keine Zähne haben, ihre Beute am Stück schlucken und in der Regel erst im Magen töten. So beobachteten Forscher vor einigen Jahren sogar, wie eine kleine Blindschleiche lebendig von einem Frosch ausgeschieden wurde. Dass sich Tiere wie die Wasserkäfer aber selbst aktiv durch den Verdauungstrakt bewegen, um durch die Hintertür zu entkommen, wurde zuvor noch nicht beobachtet. Bekannt war lediglich, dass sogenannte Bombardierkäfer einigen Fröschen durch das Maul entkommen, indem sie mithilfe eines Sekrets einen Würgereiz auslösen. Ob den betroffenen Fröschen dadurch der Geschmack auf die Käfer dauerhaft vergeht, ist nicht bekannt.

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