Wie "Cronos Cube" ensteht:"Ich folge den Figuren"

Thekla Kalaman Kinderbuchautorin

"Ich weiß heute selbst, was ich will, was ich gut finde, was passt": Die Autorin Thekla Kraußeneck an ihrem Schreibtisch in Dietramszell.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die 33-jährige Autorin Thekla Kraußeneck veröffentlich beim Oetinger Verlag den dritten Band ihrer Science-Fiction-Serie

Interview von Christa Gebhardt

Die dystopische Geschichte nimmt im Jahr 2030 ihren Lauf. Zack und Lachlan, zwei jugendliche Freunde, leben in Irland, das sich gerade in einen Überwachungsstaat verwandelt. Während der eine sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen arrangiert, bereitet sich der andere auf den Widerstand vor. Doch dann wird er in das Virtual-Reality-Game "Cronos" entführt. Mit diesem Szenario lässt Thekla Kraußeneck den Leser in ihre Science-Fiction-Reihe "Cronos Cube" eintauchen, die mittlerweile vom Oetinger Verlag herausgegeben wird. Im September erscheint der dritte und vorletzte Band: "Cronos Cube - Der freie Wille". Die 33-jährige Autorin, die einige Jahre Mitarbeiterin der SZ Bad Tölz-Wolfratshausen war, lebt und schreibt in Dietramszell.

SZ: Frau Kraußeneck, in Ihrer Romanreihe gibt es zwei Welten: die diktatorisch regierte Europäische Republik im Jahr 2030 und die virtuelle Welt Cronos. Zack und Lachlan bewegen sich in beiden Welten. Welches Ziel haben die beiden?

Thekla Kraußeneck: Zu Beginn der Geschichte ist es noch keine Diktatur, sondern eine Autokratie, die von den meisten Menschen akzeptiert wird. Bis zu Band 3 entwickelt sie sich zum diktatorischen Überwachungsstaat. Das Ziel der beiden Freunde ist es anfangs, eine virtuelle Waffe zu finden, um in Freiheit zu überleben. Diese Waffe ist eine Tin Whistle, eine Flöte, die totale Manipulation über das Handeln und Denken anderer Menschen ermöglicht.

Ist das Computerspiel Cronos in Ihrem Roman ein raffiniertes Marketingprodukt, mit dem Menschen der realen Welt entfliehen, oder ist es ein Ort, an dem Spieler ihre individuelle Freiheit ausleben können?

Sowohl als auch, würde ich sagen.

Cronos ist eine vielfarbige Welt mit einer riesigen Anzahl magischer und fantastischer Figuren. Findet sich ein geübter Fantasy-Computerspieler leichter in Ihrer Romanwelt zurecht als ein Leser, der keine Computerspiele kennt?

Ich arbeite bewusst mit Bekanntem aus Fantasiewelten, damit der Zugang leichter fällt und man sich von Anfang an auf die Story einlassen kann. Wer die ersten beiden Bände gelesen hat, wird sich in Band 3 leichter zurechtfinden. Das gilt jedoch für alle Leser, nicht nur für solche, sie sich mit Computerspielen auskennen.

Der Untertitel von Band 3 lautet "Der freie Wille". Auch die reine Vernunft spielt eine große Rolle. Wie ist das gemeint? Im Kantschen Sinne der Aufklärung "Wage es, dich deines eigenen Verstands zu bedienen"?

Wenn man so will, dann ist die große Antagonistin der Reihe, die Turmgesellschaft, eine Kant-Fundamentalistin. Einen freien Willen gibt es ihr zufolge nur durch die reine Vernunft. Sie unterteilt die ganze Gesellschaft in die ihrer Meinung nach vernunftfähigen Freigeister und die anderen, die Leergeister, die sich von den Freigeistern bevormunden lassen müssen. Die Freigeister begreifen sich also als neue Herrenmenschen, als Elite. Aber haben sie deshalb wirklich einen freien Willen? Der Mensch als Teil der Gesellschaft ist ein Getriebener. Man weiß aus der Psychologie, dass sich ein Mensch als Individuum anders verhält, als wenn er in einer Gruppe agiert. Wer sich auf die nackte Vernunft verlässt, wird früher oder später grausam.

Nehmen wir zum Vergleich Harry Potter, im Grunde ein Entwicklungsroman. Müssen sich Zack und Lachlan auch zu reifen Persönlichkeiten entwickeln, die am Ende das Böse besiegen, oder haben sie eine andere Bestimmung?

Was ist das Böse? Menschen sind nicht böse, sie haben Motivationen. Die Turmgesellschaft ist zum Beispiel ideologisch motiviert, sie denkt wirklich, dass sie das Richtige tut. Und entsprechend denken Lachlan und Zack das von sich selbst. Es lässt sich also schwer sagen, ob am Ende das Gute siegt. Dass sich die Jungs im Verlauf der Story entwickeln, ist da unvermeidlich. Anfangs sind sie naive Jugendliche mit klaren Vorstellungen von sich selbst. Am Ende müssen sie akzeptieren, dass sie zum Teil richtig miese Entscheidungen getroffen haben. Das zu erkennen und anzunehmen, um dann bewusst und verantwortungsvoll zu handeln, bedeutet für mich Reife. Also, ja: Auch Cronos Cube ist ein Entwicklungsroman.

Wie haben Sie sich als Autorin entwickelt?

Ich denke, ich bin sowohl entspannter als auch stilsicherer geworden. Beim ersten Band hatte ich meinen eigenen Stil noch nicht wirklich gefunden. Vor drei Wochen habe ich den vierten Band beendet, und wenn man ihn mit dem ersten Band vergleicht, merkt man den Unterschied sofort. Aber meine größte Entwicklung ist wohl daran zu erkennen, dass mir diese Unterschiede selbst auffallen. Ich weiß heute selbst, was ich will, was ich gut finde, was passt.

Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Im Kleider-und Kostümladen der drei Scherenschwestern platzt Ihre Fantasie aus allen Nähten. Woher nehmen Sie diese bild- und symbolhaften Ideen?

Sie sind einfach da. Als Autorin setzt du dich nicht hin und sagst: So, jetzt komme ich mal auf ein paar Ideen, und dann geht's los. Es fühlt sich eher an, als wäre schon längst alles da, als müsse es nur aufgedeckt werden. Dieser Prozess kann einen ziemlich demütig machen. Aber manchmal lasse ich mich auch inspirieren, weil ich die Bedeutung hinter den Dingen mag. Die drei Scherenschwestern sind an die mythologischen Nornen angelehnt, die zusammen das Schicksal weben.

"Cronos Cube - Der freie Wille" erscheint im September. Die Handlung ist verwickelt und sehr komplex auf allen Ebenen. Haben Sie als Autorin das alles so strategisch vorausgeplant, oder entwickelt sich das beim Schreiben?

Beides. Ich plane das meiste voraus und habe meine Techniken dafür. Dennoch lasse ich mir flexible Teile übrig, in denen sich Ideen und Einfälle verwirklichen lassen. Und ich folge den Figuren, die ja auch ein Eigenleben entwickeln - nicht jedes Detail lässt sich voraussehen, da muss ich dann eben drauf reagieren, wenn es soweit ist.

Ein Happy End ist schwer vorstellbar. Natürlich werden die Leser nicht wünschen, dass der totalitäre Überwachungsstaat gewinnt oder die Helden einfach von der virtuellen Fantasiewelt verschluckt werden. Dürfen die Leser auf Entwirrung des Chaos und eine friedliche Lösung hoffen?

Hoffen kann man immer.

Werden Sie Ihr neues Buch bei Lesungen vorstellen können?

Schwierig. Aber was auf jeden Fall stattfinden wird, ist eine Online-Lesung auf meinem YouTube-Kanal.

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