Bytedance-Gründer Zhang Yiming:Verkaufen oder alles verlieren

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Bytedance-Gründer Zhang Yiming steht vor einer schwierigen Entscheidung. (Foto: REUTERS)

Selfmade-Unternehmer Zhang Yiming hat die Video-App Tiktok zu einem weltweiten Phänomen gemacht. Nun hat ihm Donald Trump ein dramatisches Ultimatum gesetzt.

Von Christoph Giesen, Peking

Bis zum Morgengrauen hat Zhang Yiming wieder einmal gearbeitet, wie er in einem Brief an seine Mitarbeiter am Dienstag verriet. Um 5.30 Uhr habe er ein letztes Mal die Nachrichten gecheckt, bevor er schlafen gegangen sei: Sein Name, seine Firma und seine App - überall ist davon zu lesen, seitdem US-Präsident Donald Trump damit gedroht hat, den populären Videodienst Tiktok in den USA zu verbieten, weil die Daten der zumeist jugendlichen hundert Millionen amerikanischen Nutzer nicht sicher seien vor dem Zugriff der Kommunistischen Partei Chinas.

Nun steht Zhang vor einer schweren Entscheidung, der vielleicht teuersten dieser Tage: Entweder verkauft er Tiktok an Microsoft (auf 50 Milliarden Dollar taxieren Analysten den Wert), oder er verliert womöglich alles, wenn Trump seine Drohung wahr macht und die App verbietet. "In den vergangenen zwei Jahren und insbesondere in jüngster Zeit hat die Stimmung gegen China in vielen Ländern deutlich zugenommen", schreibt Zhang. "Es kommen wieder stürmische Zeiten."

Dabei hat es im Leben des Zhang Yiming bislang kaum Gegenwind gegeben. Mit 37 Jahren ist er Milliardär, auf umgerechnet mehr als elf Milliarden Euro wird sein Vermögen geschätzt. Fast alles, was er anpackte, wurde zum Erfolg - vor allem Tiktok. 2016 kam die App in China unter dem Namen Douyin auf den Markt. Inzwischen hat der Dienst etwa eine Milliarde Nutzer weltweit.

Der Grund: Sobald man Tiktok startet, beginnt im Hintergrund künstliche Intelligenz zu arbeiten, nach wenigen Videos, die man zu sehen bekommt, hat die App die Interessen ausgewertet und blendet nur noch für den Nutzer relevante Videos ein. Jugendliche verbringen Stunden mit Tiktok, hangeln sich von einem Video zum nächsten, wie im Bann. "Ich habe lange Zeit nur Tiktok-Videos angesehen, ohne selbst welche zu drehen, da es sich hauptsächlich an junge Leute richtet", erzählte Zhang einmal. "Später haben wir allen Mitgliedern des Managements vorgeschrieben, eigene Tiktok-Videos zu erstellen, und sie müssen eine bestimmte Anzahl an Likes bekommen." Wer nicht liefert, muss Liegestütze machen, eine Strafe wie beim Fußballtraining.

Geboren wurde Zhang 1983 in Longyan, in der südchinesischen Provinz Fujian, seine Eltern arbeiteten als Verwaltungsbeamte. 2001 schrieb er sich an der Universität in Tianjin ein, zunächst in Mikroelektronik, dann sattelte er auf Informatik um. Nach dem Abschluss fing er bei einem Online-Reisebüro an, schnell wurde er zum technischen Direktor befördert, dennoch verließ er die Firma und nahm ein Angebot von Microsoft an, ausgerechnet von jenem Konzern, der nun nach seiner App greift. Auch hier kündigte er rasch wieder: zu viele Regeln, zu viele Prozesse, zu wenig Freiheit. Seitdem ist Zhang selbständig, 2012 gründete er schließlich Bytedance, das Unternehmen, dem Tiktok gehört.

Sein erster Erfolg heißt aber Toutiao. Übersetzt: "Schlagzeile", ein sogenannter Nachrichtenaggregator. Je nach Vorlieben, Themen, Autoren oder Titeln offeriert einem die App Texte und Videos. Millionen Chinesen lesen nur noch über Toutiao. Wie bei Tiktok entscheidet der Computer, was man vorgesetzt bekommt, und das verblüffend genau. Technisch betrachtet ist Toutiao deutlich anspruchsvoller als Tiktok, ein globaler Erfolg wird der Dienst wohl dennoch nicht: Die strenge chinesische Zensur kontrolliert die Auswahl der Quellen, Tausende Zensoren überwachen bei Toutiao die Inhalte.

Nur einmal lag Zhang daneben: 2018 musste er eine Witze-App offline nehmen - Chinas Kader haben nicht sonderlich viel Humor. Die App sei "unvereinbar mit den sozialistischen Grundwerten", das "Xi-Jinping-Denken" sei nicht richtig implementiert worden, schrieb Zhang in einer Selbstkritik und stellte kurzerhand 4000 neue Löschfachkräfte für seine Firma ein. Sicher ist sicher, bloß kein Ärger mit der Politik.

© SZ vom 06.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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