Nord Stream 2:Neue US-Sanktionen zielen auf Fährhafen Sassnitz

Fährhafen Sassnitz Sanktionen

Die neuen Sanktionen richten sich gegen das russische Verlegeschiff Akademik Tschersk, das die Ostsee-Pipeline fertigstellen soll.

(Foto: Stefan Sauer/dpa)

Die Vereinigten Staaten versuchen, die Fertigstellung der von ihnen kritisierten Pipeline Nord Stream 2 zu verhindern. Die letzten Meter des Projektes werden zum politischen Kräftemessen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Nein, Gnade werde es wohl keine geben. Nach allen Vorgaben des US-Kongresses, nach aller "Orientierungshilfe durch unsere Regierung". Nach all dem also sei es "schwer, sich Ausnahmen wegen guten Willens vorzustellen". So schreiben es drei US-Senatoren an die Chefs des Sassnitzer Fährhafens. Diese riskierten gerade die "finanzielle Überlebensfähigkeit" ihres Unternehmens.

Es ist die jüngste Eskalationsstufe im Streit um die Ostseepipeline Nord Stream 2: Es geht ans Eingemachte. Seit 2017 mühen sich die USA, die zweite Pipeline zu verhindern. Washington, so heißt es nun auch im Brief der drei republikanischen Senatoren, betrachte die Gasröhre "als schwere Bedrohung der europäischen Energiesicherheit und der amerikanischen nationalen Sicherheit". Und bisher haben die Sanktionen auch ihre Wirkung entfaltet, zumindest indirekt.

So zog Allseas, eine niederländische Firma mit Sitz in der Schweiz, kurz vor Weihnachten ihre Verlegeschiffe aus der Ostsee ab, darunter die Pioneering Spirit, das größte Verlegeschiff der Welt - als Reaktion auf Sanktionsdrohungen. Russland reagierte: Moskau schickte zwei russische Spezialschiffe, die Akademik Tscherski und die Fortuna. Seit zwei Monaten liegt die Akademik Tscherski in Mukran, die Fortuna wurde Anfang Juli von dort nach Rostock verlegt. Und auf diese zwei Verlegeschiffe zielen nun die Senatoren.

"Europa darf sich nicht erpressbar machen"

Deren Versorgung löse in dem Moment Sanktionen aus, in denen sie entweder Rohre in die Ostsee verlegen oder sich in irgendeiner Weise an der Verlegung beteiligen. Manager oder Aktionäre des Fährhafens dürften dann nicht mehr in die USA reisen. Sämtliches Vermögen der Firma dort werde eingefroren, inklusive aller Transaktionen, "die unser Finanzsystem passieren". Amerikanische Firmen dürften über den Hafen künftig weder importieren noch exportieren, noch Schiffe versichern, die das tun. "Sie würden das Vermögen ihrer Anteilseigner vernichten und sicher Klagen ihrer Aktionäre in Milliardenhöhe ausgesetzt sein", drohen die Republikaner. Als erstes hatte das Handelsblatt über den Brief berichtet.

Allerdings ist der Hafen nicht in privater Hand, sondern gehört zu 90 Prozent der Stadt Sassnitz. Die restlichen zehn Prozent liegen beim Land Mecklenburg-Vorpommern. Der Hafen selbst wollte das Schreiben am Freitag nicht kommentieren. Die Angelegenheit sei eher etwas für die Bundespolitik. Das Wirtschaftsministerium stellte sich am Freitag abermals gegen jede Form extraterritorialer Sanktionen. Diese seien völkerrechtswidrig, erklärte eine Sprecherin. "Gerade in der aktuellen Corona-Krise ist nicht Zeit, um an der Eskalationsspirale zu drehen und weitere Sanktionen anzudrohen." Niels Annen (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, pochte im Tagesspiegel auf die nationale Souveränität. "Europa darf sich nicht erpressbar machen", sagte er.

Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin reagierte empört auf das Vorgehen der USA. Er bezeichnete den Schritt als "wirtschaftliche Kriegserklärung". Der frühere Umweltminister sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die Unsitte amerikanischer Drohbriefe an deutsche Unternehmen nimmt Überhand." Die Drohung sei nach europäischem und internationalem Recht illegal. "Die Einmischung in die Souveränität Deutschlands und der Europäischen Union hat eine nie gekannte Aggressivität erreicht, die nicht unbeantwortet bleiben darf", so Trittin. "Die Unternehmen, die mit diesem Projekt befasst sind, brauchen Schutz vor den Wild-West-Methoden aus Washington." Er verwies darauf, dass sich der Hafen Sassnitz im Wahlkreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befindet. "Es ist nur schwer zu begreifen, wie diese ihr fortgesetztes Nichthandeln den Beschäftigten des Hafens erklären will."

So entwickeln sich die letzten Kilometer der umstrittenen Pipeline zum Kräftemessen zwischen Berlin und Washington. Nur 160 von insgesamt 2360 Kilometern Röhren fehlen noch, im Wesentlichen entlang der dänischen Insel Bornholm. Ursprünglich hatte die Leitung schon Ende 2019 fertig sein sollen. Zuletzt hatten amerikanische Ministerien verschiedene beteiligte Unternehmen zu Videokonferenzen geladen, um sie auf die Sanktionsrisiken hinzuweisen. Sollte die Strategie aufgehen, droht eine milliardenschwere Investitionsruine in der Ostsee. Insgesamt 9,5 Milliarden Euro sind bisher in das Projekt geflossen, finanziert auch von Energiekonzernen aus halb Europa: Wintershall und Uniper aus Deutschland, Frankreichs Engie, die niederländisch-britische Shell, der österreichische Mineralölkonzern OMV. Um die 120 Unternehmen aus ganz Europa sind derzeit an dem Projekt beteiligt.

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