Coronavirus in Deutschland:SPD-Chef Walter-Borjans wirft Spahn Versäumnisse vor

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SPD-Parteichef Walter-Borjans spricht in seinem Büro im Willy-Brandt-Haus in Berlin. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Bereitstellung von Corona-Testkapazitäten halte nicht mit den Ankündigungen des Gesundheitsministers Schritt, sagt der Sozialdemokrat. Gerade jetzt kehren viele Urlauber zurück nach Deutschland.

Von Henrike Roßbach und Mike Szymanski, Berlin

Die gestiegenen Infektionszahlen der vergangenen Tage sorgen für Unruhe in der Koalition. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans wirft Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Versäumnisse vor, etwa beim Umgang mit Reiserückkehrern. Die "vollmundige Selbstvermarktung" des Ministers könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass an vielen Stellen Testkapazitäten fehlten oder dass Rückkehrer aus Nichtrisikogebieten zwar zu kostenlosen Tests eingeladen, dann aber ungetestet nach Hause geschickt würden. Zudem ließen Testergebnisse so lange auf sich warten, dass Betroffene "gegen ihren Willen zum Infektionsrisiko" würden.

"Zum erfolgreichen Umgang mit der Pandemie gehört nicht nur der Auftritt vor der Kamera, sondern auch das Klein-Klein der Umsetzung", sagte Walter-Borjans der Süddeutschen Zeitung. "Das ist aber ganz offenbar nicht Sache des Bundesgesundheitsministers." Spahn hatte betont, noch könnten das Gesundheitswesen und der öffentliche Gesundheitsdienst mit den gestiegenen Infektionszahlen umgehen.

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Am Sonntag meldete das Robert-Koch-Institut 555 Neuinfektionen mit dem Coronavirus, allerdings übermitteln nicht alle Gesundheitsämter am Wochenende ihre Zahlen. An den Vortagen waren es nämlich noch jeweils mehr als tausend Neuinfektionen gewesen. Weil in einigen Bundesländern die Schule wieder beginnt, kehren derzeit viele Reisende zurück nach Deutschland - auch aus Ländern mit hohen Infektionsraten. Gleichzeitig führt das heiße Wetter zu vollen Stränden und Badeseen.

SPD-Chef spricht von "Pflicht zur Vorsicht"

Walter-Borjans zeigte Verständnis dafür, dass viele Bürger "urlaubsreif" seien. Er sagte aber auch, "die Pflicht zur Vorsicht" bleibe trotzdem. Für viele sei "alles unbedenklich, was nicht strikt verboten ist". Die Politik müsse deshalb die Test- und Maskenpflicht sichern "und gegebenenfalls mit spürbaren Sanktionen durchsetzen". Der SPD-Chef warnte vor einem zweiten "wirtschaftlichen Lockdown". Dieser würde auch die wirtschaftsstarke Bundesrepublik an die Grenze der Belastbarkeit und möglicherweise darüber hinaus bringen. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nannte die Infektionszahlen alarmierend. "Wir müssen diesen Trend abflachen und umkehren, denn es geht um die Gesundheit aller, die Rückkehr der Kinder in die Schulen und den Aufschwung unserer Wirtschaft", sagte er der Funke-Mediengruppe.

Nach Agenturberichten liefen die Pflichttests, die seit Samstag für Rückkehrer aus Risikogebieten gelten, an den Flughäfen weitgehend reibungslos an. Auch wer mit dem Auto, dem Zug oder per Schiff aus einem Risikogebiet einreist, muss sich testen lassen. Reisende aus anderen Ländern können sich seit August ebenfalls kostenlos testen lassen. Unterdessen laufen trotz der Infektionszahlen Vorbereitungen für erste Großveranstaltungen, etwa in Düsseldorf. Am Montag wollen die Landesgesundheitsminister über ein Konzept der Deutschen Fußball-Liga beraten, das eine Rückkehr der Fans in die Stadien ermöglichen soll

© SZ vom 10.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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