Schwabing:Drei Zimmer, Küche, Bad und Geld

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Eine Vermieterin geht gegen ihren Mieter vor, in dessen Wohnung plötzlich eine WG lebt. Er nimmt dadurch Monat für Monat Hunderte Euro ein, was sie nur zufällig nach Jahren erfährt.

Von Anna Hoben

Als Lilly Duhse ihre Mieter kennen lernte, war deren Einzug schon anderthalb Jahre her. Eine Wohngemeinschaft, bestehend aus einer Studentin und zwei Studenten. "Alle sehr nett", sagt Lilly Duhse, eine Frau Mitte 80 mit leichtem Berliner Zungenschlag. Es gab da nur ein kleines Problem. Die drei Studenten waren nicht die Mieter, denen sie die Wohnung in der Hohenzollernstraße in Schwabing vermietet hatte. Ihr Mieter war ein Geschäftsmann mittleren Alters - so dachte sie zumindest. Es war im Frühjahr 2019, als Lilly Duhse einen Handwerker in die Wohnung begleitete. Er sollte ein blindes Fenster austauschte. So erzählt sie es. Als sie bei dieser Gelegenheit die tatsächlichen Bewohner ihrer Wohnung kennen lernte, war sie erst überrascht. Dann ärgerte sie sich.

Ursprünglich hatte die Schwabinger Wohnung Lilly Duhses Eltern gehört. Sie selbst hat sie später ihrem Sohn Ramon vererbt, sich aber ein Nießbrauchrecht eingeräumt. Das heißt, dass sie sich als Vermieterin um alles kümmert und auch die Mieteinnahmen an sie fließen. Um die aktuelle Situation zu erklären, muss man mehr als sieben Jahre zurückgehen. Anfang 2013 mietet ein Unternehmer aus dem Allgäu die Wohnung für seinen Sohn. Ende 2016 kündigt er den Mietvertrag, weil der Sohn aus München wegzieht. Der Bruder des ersten Mieters, ebenfalls ein Unternehmer, der ein Dutzend Restaurants in München betreibt, lädt Lilly Duhse daraufhin in eines seiner Lokale ein. Er würde nun gern die Wohnung mieten, sagt er, und vielleicht hin und wieder ein Zimmer an einen seiner Mitarbeiter untervermieten. So erzählt sie es.

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Lilly Duhse ist damals einverstanden. Unter dem Punkt "Sonstige Vereinbarungen" steht deshalb im Mietvertrag: "Untervermietung ist gestattet."Im Nachhinein wird auch noch der Bruder des Unternehmers als Mieter in den Vertrag mit aufgenommen - möglicherweise, damit sein Sohn eines Tages wieder einziehen kann. Von wem dies ausging, darüber gehen die Aussagen auseinander. Sie habe das nicht gewollt, sagt Lilly Duhse - in ihrem Exemplar fehle auch die Unterschrift des Bruders. Der Mieter indes behauptet nun vor Gericht, die Aufnahme des Bruders in den Mietvertrag sei von der Vermieterin selbst ausgegangen.

Wer in München eine Wohnung findet wie die von Lilly Duhse, hat Glück gehabt. Drei Zimmer, Küche, Bad, 84 Quadratmeter. Mitten in Schwabing. Für 933 Euro kalt. Inklusive Betriebskosten: 1133 Euro. Elf Euro kalt pro Quadratmeter in Schwabing - fast schon ein Schnäppchen.

Der Gastro-Unternehmer zieht jedoch nie in die Wohnung ein - was Lilly Duhse erst anderthalb Jahre später feststellen würde. Stattdessen vermietet er die Wohnung an eine Jura-Studentin unter, die wiederum zwei Zimmer an zwei weitere Studenten untervermietet. Allerdings bezahlt die Wohngemeinschaft nicht 1133 Euro an den Unternehmer, sondern 1900 Euro warm - so sagen die Studenten. Der Mieter (und Vermieter der WG) selbst spricht vor Gericht von 1700 Euro warm. Er verdient also jeden Monat einige Hundert Euro mit der Weitervermietung.

Nachdem sie erfahren hat, wie die tatsächlichen Verhältnisse sind, kündigt die Vermieterin im Mai 2019 das Mietverhältnis. Als ihr Mieter sich wehrt, klagt sie auf Herausgabe und Räumung der Wohnung. Die Weitervermietung sei unberechtigt, heißt es in der Klage. Es werde vermutet, dass der Unternehmer "nie in die streitgegenständliche Wohnung eingezogen ist, sondern diese lediglich in Gewinnerzielungsabsicht angemietet hat". Den Unternehmer oder dessen Angehörige wollen Lilly Duhse und ihr Sohn nicht mehr als Mieter haben. Sie wären allerdings gern bereit, die Wohnung direkt an die Studenten zu vermieten, die schon seit Jahren darin leben. Zu einer deutlich geringeren Miete als jener, die sie jetzt bezahlen.

Darauf sind die Studenten aber offenbar gar nicht besonders erpicht. Seit zwei Jahren lebten sie in der Wohnung, die Lage sei "top", der Zustand "wahnsinnig gut", sagt eine von ihnen, als man sie am Telefon erreicht. Jeder von ihnen zahle 550 Euro kalt, das sei für ein Zimmer in München mehr als in Ordnung. Zum Vermieterstreit wollen die Studenten sich nicht äußern. Nur so viel: Sie, die Bewohner, hätten nie Probleme gehabt mit den Eigentümern oder mit ihrem Vermieter. Sie sehen den Gastro-Unternehmer als ihren Vermieter an - dass er nicht der Eigentümer ist, haben sie erst spät erfahren. Den Mietvertrag der WG haben die Duhses bis heute nicht gesehen.

Nun ist es am Amtsgericht, einige Dinge zu klären. Etwa, ob der Bruder des Unternehmers "Mietvertragspartei geworden" ist. Nach laienhafter Einschätzung sehe es so aus, als sei der Name des Bruders in einer anderen Handschrift geschrieben, hielt das Gericht nach der Verhandlung im Juni fest. Vor allem aber muss es klären, ob es sich um einen "normalen Wohnungsmietvertrag" handelt oder um einen zur gewerblichen Weitervermietung. Das Gericht tendiere zu der Ansicht, dass es sich um einen Wohnungsmietvertrag handelt, bei dem die Untervermietung gestattet ist, heißt es im Protokoll der Verhandlung vom Juni. Das heißt: eine Untervermietung einzelner Zimmer - die gewerbliche Weitervermietung der ganzen Wohnung ist dann eben nicht erlaubt. Für diese Auslegung spreche, dass im Vertrag keine Adresse des Mieters steht. Die hätte die eigentliche Vermieterin sich aber ja geben lassen, wenn sie gewollt und gewusst hätte, dass er die Wohnung komplett weitervermieten will. Für Oktober ist ein weiterer Verhandlungstermin vereinbart, dann sollen Zeugen dazu gehört werden.

Worüber sie sich am meisten ärgere? "Über meine Dummheit", sagt Lilly Duhse. Er fühle sich veralbert, fügt ihr Sohn hinzu, weil der Mieter mit seiner Wohnung Geld verdiene. Unterdessen hat der Mieter den Untermietvertrag mit den Studenten gekündigt - sein Neffe wolle Ende des Jahres wieder einziehen

© SZ vom 08.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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