Urlaub in der Corona-Krise:Alle 5000 Betten in und um Starnberg sind ausgebucht

Urlaub im Fünfseenland; Am Badegelände Kempfenhausen

Die Wanne ist voll: Auf dem Badesteg im Erholungsgelände Kempfenhausen geht es eng zu.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Straßen, Parkplätze und Stege sind voll: Wegen der Corona-Krise kommen Urlauber aus ganz Deutschland und noch mehr Ausflügler als sonst ins Fünfseenland. Der Pandemiearzt appelliert, auch im Freien Abstand zu halten.

Von Sabine Bader, Michael Berzl, David Costanzo, Lea Kropff und Jessica Schober

Für die Münchner ist der Starnberger See ohnehin die nächstgelegene Badewanne. Doch in diesem Corona-Sommer kommen Urlauber aus ganz Deutschland dazu, die eben nicht die Liegestühle an der Costa Brava, der Côte d'Azur oder in Varadero auf Kuba ansteuern. Alle 5000 Betten im Fünfseenland sind komplett ausgebucht. Auf den Parkplätzen der Erholungsgebiete sind Lücken schon am Vormittag Glückstreffer, auf den Badewiesen kommt fast schon Rimini-Gefühl auf. Sogar Bootsverleihern wird der Andrang manchmal zu viel: "Wir sind von früh bis spät ausgebucht", erzählt Evi Schropp aus Starnberg. Zu ihren Kunden gehören viele Touristen von weiter weg, zum Beispiel aus den Niederlanden. "Da kommen Leute aus Orten, die ich noch nie im Leben gehört habe."

Verkehr

Voll ist voll, da gibt es nichts zu deuteln. Bereits am frühen Vormittag rollt, genauer gesagt schiebt sich in diesen Tagen eine Blechlawine kreuz und quer durch den Landkreis Starnberg. Die Parkplätze an den Badegebieten sind meist schon am späteren Vormittag dicht. Und wer an dem einen See keinen Platz mehr für sein Auto und sein Handtuch ergattert, der versucht es eben am nächsten - die Region heißt ja Fünfseenland. Es gibt also noch Hoffnung.

Besonders kurios stellt sich die Situation am Ostufer des Starnberger Sees dar. Wer von Starnberg nach Berg unterwegs ist, für den ist häufig schon in Percha Schluss. Der Grund ist banal: Hier stauen sich die Unbelehrbaren, die ins Erholungsgelände Kempfenhausen wollen, obwohl das längst dicht ist. Stoisch warten sie mit gesetztem Blinker auf ein Wunder, das aber nicht geschieht. Das Einzige, was sich bildet, ist ein langer Stau, in dem auch diejenigen stehen, die einfach nur von A nach B am Ostufer wollen. Was die Gemeinde Berg verdrießt. Sie wünscht sich ein Hinweisschild, wenn der Parkplatz wegen Überfüllung geschlossen ist, oder einen Parkwächter, der die Leute weiterschickt. Das Landratsamt bewirtschaftet den Parkplatz. Aus der Kreisbehörde heißt es, man sei offen für Anregungen, wenn es hier permanent zu Engpässen komme.

Urlaub im Fünfseenland; Am Badegelände Percha Beach

Zwischen Percha und Berg staut sich der Verkehr.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Auch für Kai Motschmann von der Polizei Starnberg ist die Einfahrt ins Erholungsgelände zusammen mit der Zufahrt zum Undosa in Starnberg eine der neuralgischsten Stellen seines Dienstbereichs. Und Motschmann hat Erfahrung, er tut seit 33 Jahren Dienst in der Starnberger Inspektion. Vor allem an schönen Wochenenden werde in Percha und Kempfenhausen besonders abenteuerlich geparkt - auf Radwegen, Grünstreifen und Rettungswegen. Unter der Woche herrsche hier das "ganz normale Chaos".

Rettungsdienste

Die Rettungsdienste an den Seen sind solche Szenarien an sonnigen Wochenenden im Hochsommer gewohnt. Doch Walter Kohlenz, Vorsitzender der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), hat den Eindruck, dass es heuer mehr Tage mit besonders großem Andrang sind und dass mehr Einsätze zu bewältigen sind. Mit genauen Zahlen lasse sich das aber noch nicht belegen. "An unserer grundsätzlichen Taktik ändert das nichts", obwohl sich auch die Corona-Krise auf die Arbeit auswirke. So werde in der Rettungsstation in Possenhofen sogar manchmal das Personal reduziert, weil auch dort die Abstandsregeln einzuhalten sind. Bei Einsätzen werde jedem Patienten ein Mund- und Nasenschutz angeboten. Am häufigsten sind nach wie vor kleinere Malaisen wie Insektenstiche oder Schnittwunden.

Infektionsgefahr

Was der Starnberger Klinikchef Thomas Weiler schon wieder am Herrschinger Badesteg beobachtet hat, lässt ihn zweifeln: "Das hat mit Abstand nichts zu tun." Auch am Dampfersteg drängten sich die Passagiere viel zu lange, um sich gegenseitig vor dem Coronavirus zu schützen. Diese Distanzlosigkeit bleibe eine Infektionsgefahr im Fünfseenland - auch im Sommer, auch im Freien. "Wenn man lange genug neben jemandem liegt, dann bekommt man auch von dem Aerosole ab", sagt Weiler, der als Krisenmanager die Landkreise Starnberg, Landsberg, Fürstenfeldbruck und Dachau durch die Pandemie führen soll. "Da braucht man gar kein Anniesen oder Anhusten." Dabei sei das Risiko im Sommer eigentlich überschaubar, sagt der Mediziner. Bei Hitze verbreite sich der Erreger weniger als bei Kälte. Die UV-Strahlung arbeite zudem gegen das Virus.

Urlauber im Fünfseenland; Urlaub im Fünfseenland

Die Boote von Verleiherin Evi Schropp sind von früh bis spät ausgebucht.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Auch wenn der Pandemiebeauftragte nicht glaubt, dass eine zweite Welle die Dimension der ersten von Ende März und Anfang April annehmen wird, blickt er gebannt auf die Urlaubsrückkehrer. Ihm fehle jedes Verständnis, wenn jemand wissentlich in ein Risikogebiet reise. Schwierig sei die Beurteilung allerdings, wenn ein Land während des Urlaubs zum Risikogebiet erklärt werde, wie es derzeit Kroatien drohe. Weiler rät allen Urlaubern zu Tests, eine Pflicht befürwortet er. Am besten wäre es, wenn sich alle Rückkehrer während der Inkubationszeit von fünf bis sechs Tagen in Quarantäne zurückzögen. Doch Weiler weiß auch: Das ist verdammt viel verlangt."

Tourismus

Rund 5000 Betten hält das Fünfseenland für Übernachtungsgäste bereit - und die waren schon vergangenes Wochenende alle komplett ausgebucht, sagt Christoph Winkelkötter von der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung (GWT). Besonders Ferienwohnungen und Pensionen seien gefragt bei Urlaubern aus ganz Deutschland. Die Touristeninformationen in Dießen, Herrsching und Starnberg würden inzwischen wieder regelmäßig aufgesucht von Ausflüglern, die spontan über Nacht bleiben wollten. Auch der Ausflugsticker ist laut Winkelkötter bis zu 120 000 täglich angeklickt worden. Dort rät die GWT für dieses Wochenende dazu, vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Als Alternative zu den großen Seen empfiehlt sie eine Radtour von Feldafing zum Maisinger See. Doch egal, wie sehr die GWT versucht, die Touristenströme zu lenken - "wenn es so heiß wird wie am Wochenende, dann wollen die Leute einfach ans Seeufer", sagt Winkelkötter. Er rät Reisenden, die frühen Morgen- und späten Abendstunden zu nutzen. Spätestens am Vormittag sei zum Beispiel vor dem Starnberger Strandbad erneut mit einer rund hundert Meter langen Schlange wartender Menschen zu rechnen.

Eisdiele

Dass heuer viele Gäste aus ganz Deutschland zu Besuch sind, hört Heike Rosenberger schon an den Dialekten. In der Eismacherei in Stegen wurde schon von Sächsisch bis Fränkisch in allerlei Mundarten ein Eis bestellt. "Sogar die Bodenseeler kommen an den Ammersee", sagt sie. Rund 20 Prozent mehr Besucher als im Vorjahr zählt Rosenberger. Bis zu 220 Kilo selbst gemachtes Eis gingen pro Tag über die plexiverglaste Theke. Manchmal stünden die Eishungrigen in einer langen Schlange bis auf den hauseigenen Parkplatz, um Abstand zu halten.

Campingplätze

Auf Campingplätzen gibt es für die Tagesgäste Obergrenzen, damit es nicht zu eng wird auf den Liegewiese. In Seefeld am Wörthsee zum Beispiel ist die Besucherzahl auf maximal 400 begrenzt. Wer als Tagesgast auf das Gelände des Campingplatzes am Pilsensee will, muss vorab online Eintrittskarten kaufen. Erwachsene und Jugendliche ab 16 Jahren bezahlen vier Euro, Kinder ab sechs Jahren zwei Euro. Geöffnet ist jeweils von 9 bis 19 Uhr. Für dieses Wochenende sind die Tickets schon ausverkauft. Erst von Montag an sind wieder Buchungen möglich. "Es muss jedem klar sein, dass es in Zeiten der Corona-Pandemie keine Badesaison wie in den zurückliegenden Jahren geben kann", so die Betreiber auf ihrer Internetseite.

Hotel

"Der Sommer 2020 ist anstrengend für uns alle", sagt Claudia Aumiller vom Jakl-Hof am Wörthsee, die auch Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes ist. Ihr Haus sei - wie sonst auch im August - komplett ausgebucht, doch die Verluste des Frühjahrs könne sie damit kaum ausgleichen. Am Wochenende sei im Jakl-Hof endlich mal wieder eine größere Hochzeitsgesellschaft zu Gast, freut sich Aumiller. Ihre Gäste hielten sich größtenteils an die Hygienemaßnahmen. Insgesamt fällt ihr auf, dass weniger Schweizer und Österreicher da seien. Dem großen Besucherandrang am Schönwetterwochenende sieht Aumiller kritisch, weil die Verkehrslage mit zwei Straßensperrungen rund um den Wörthsee momentan so angespannt sei. "Es ist ein Gehupe und Gedränge auf den Parkplätzen", erzählt Aumiller. "Manche ältere Gäste sagen, es sei zwar wunderschön hier, aber sie würden nie wieder versuchen, sonntags an den See zu gelangen." Besonders schwierig sei es im Moment, Personal zu finden - deshalb übernimmt Aumiller viele Schichten von der Rezeption bis zum Einkauf selbst.

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