München:Wiedergeburt nach sieben Jahren

Die Archäologische Staatssammlung am Englischen Garten wurde 2016 für eine Generalsanierung geschlossen. Noch bis 2023 müssen die Münchner auf die Eröffnung warten - und auf die echte Moorleiche Rosalinde

Von Patrik Stäbler

Die Moorleiche, die gar keine Moorleiche war - sie lagert bis heute tief im Depot der Archäologischen Staatssammlung. Drei Jahrzehnte lang war sie das Aushängeschild des Museums; gut drei Millionen Besucher hatten sie bestaunt, Generationen von Kindern sich vor ihr gegruselt - bis 2007 die Vitrine der sogenannten Moorleiche aus dem Dachauer Moos wegen Parasitenbefalls geöffnet wurde. Und sich herausstellte: Weder kam die Frauenmumie aus Dachau, noch hat sie je im Moor gelegen. Untersuchungen zeigten, dass sie aus Südamerika stammt, worauf das Museum sie - nach einer letzten Abschiedsausstellung 2014 - nach Peru zurückführen wollte.

Doch das erwies sich als kompliziert, weshalb die Mumie in München blieb - wo sie inzwischen Gesellschaft bekommen hat. Und zwar von einer echten Moorleiche, die 1957 beim Torfabbau nahe Peiting gefunden und auf den klingenden Namen "Moorleiche Rosalinde" getauft wurde. Die Überreste der Frau, die im 14. oder 15. Jahrhundert gelebt hat, gehören seit einigen Jahren ebenfalls zum Bestand der Archäologischen Staatssammlung und hätten das Zeug, als Vorzeige-Attraktion in die Fußstapfen ihrer "betrügerischen" Vorgängerin zu treten.

Baustelle Archäologische Staatssammlung, Lerchenfeldstraße 2

Bereits seit vier Jahren ist die Sammlung geschlossen.

(Foto: Florian Peljak)

Allerdings muss Rosalinde sich noch gedulden. Denn die Generalsanierung samt Erweiterung des direkt am Englischen Garten gelegenen Museums wird sich bis 2022 hinziehen. Vermutlich Mitte 2023, sagt Direktor Rupert Gebhard, werde das Haus wieder für Besucher zugänglich sein. Dabei hoffte man anfangs noch auf eine Wiedereröffnung im Jahr 2020. Doch kaum hatte das zentrale Bayerische Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte im August 2016 seine Türen geschlossen, zog sich die Planung in die Länge. Und parallel dazu - was kaum erstaunte -, kletterten auch die Kosten. Waren frühe Schätzungen noch von 20 Millionen Euro ausgegangen, so rechnet das Staatliche Bauamt inzwischen mit einer Summe von 55 Millionen Euro. Das Gros des Geldes fließt dabei in die Sanierung der 1974 erbauten würfelförmigen Gebäude entlang der Lerchenfeldstraße. Sie werden vollständig entkernt, ertüchtigt und neu aufgebaut. Überdies wurde auch die Fassade aus Corten-Stahl entfernt, die das Markenzeichen des Hauses gewesen war - und es künftig auch wieder sein wird. Denn nach der Sanierung erhält das Museum erneut einen Stahlmantel übergestreift, der mit der Zeit wohl ebenso korrodieren und eine rostige Patina annehmen wird.

Im Innern dagegen werde den Besucher kaum etwas an das alte Museum erinnern, ist Gebhard überzeugt. Von einem vergrößerten Foyer - inklusive einer von außen einsehbaren Vitrine - geht es wahlweise ins Museumscafé, zu den Verwaltungs- und Nebenräumen, in die Dauerausstellung, ins Veranstaltungsforum oder hinab in eine unterirdische Halle für Sonderausstellungen. Diese wurde neu gebaut und ist schon weit gediehen. "Hier werden wir ganz andere Möglichkeiten haben als früher", sagt Gebhard. So bietet der 600 Quadratmeter große Saal doppelt so viel Platz wie die bisherige Flächen im Parterre. Somit könne man nicht nur eigene Ausstellungen großzügiger planen, sondern auch externe Schauen leichter unterbringen, erklärt der Direktor. "Die früheren Räume waren dafür oft zu klein."

Baustelle Archäologische Staatssammlung, Lerchenfeldstraße 2

Chef Rupert Gebhard.

(Foto: Florian Peljak)

Im Weiteren wird auch die Dauerausstellung komplett überarbeitet. Statt der bloßen Zurschaustellung von Exponaten samt Erklärtafeln soll dem Besucher "eine Story erzählt werden", so sagt es Gebhard. Ihm zufolge wird es einen 45-minütigen "Schnell-Rundgang" unter dem Motto "Abenteuer Archäologie" geben sowie einen zweiten, vertiefenden Rundgang, der etwa doppelt so viel Zeit in Anspruch nimmt. Beispielsweise wolle man anhand eines bislang noch nie gezeigten keltischen Fürstengrabs demonstrieren, mit wie viel Aufwand und welchen Methoden Archäologen heutzutage arbeiteten, sagt Gebhard. Das 2700 Jahre alte Grab samt seiner Beigaben wurde 2011 in Niederbayern komplett aus der Erde gehoben, nach München gebracht und dort unter Laborbedingungen sechs Jahren lang peu à peu auseinandergenommen, untersucht und restauriert. Nun soll es eine Hauptattraktion der neuen Dauerausstellung werden.

Vor der Schließung habe die Staatssammlung 60 000 bis 100 000 Besucher pro Jahr angezogen, sagt Gebhard. "Wir waren vor allem ein Wintermuseum. Und ein Museum für Münchner." Nun wolle man auch Touristen ansprechen sowie Besucher, "die nicht nur wegen der Ausstellung kommen", sagt der Direktor, sondern gezielt zu Veranstaltungen. Dazu komme das Café mit seinem Außenbereich auf der Dachterrasse, "wo auch Spaziergänger im Englischen Garten für einen Kaffee oder einen Imbiss vorbeikommen können". Gebhard spricht deshalb von einem "erweiterten Museumsbegriff" und denkt etwa auch an die Surfer der Eisbach-Welle: "Warum ziehen die sich auf der Straße um - und nicht bei uns?"

Archäologische Staatssammlung

Bis die Archäologische Staatssammlung aussieht wie auf dem Entwurf von Nieto Sobejano Arquitectos ist noch viel zu tun. Entwurf: Nieto Sobejano Arquitectos Madrid/Berlin

Über all diesen Plänen schwingt freilich immer eine bange Frage mit: Wie schwer wird es für die Museumsmacher, ihrem Haus wieder Leben einzuhauchen, wenn es 2023 öffnet - satte sieben Jahre nach der Schließung? "Ja, das ist eine sehr lange Zeit", sagt Rupert Gebhard, der einräumt: "Das wird ein Neuanfang. Und da braucht es einen größeren Aufwand, um das Haus wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen."

Wiewohl sich die Staatssammlung schon jetzt bemüht, trotz der Schließung präsent zu sein. Aktuell ist etwa eine Sonderausstellung zu den Funden im Marienhof im Stadtmuseum zu sehen. Und in der Burg Grünwald, einer Zweigstelle der Staatssammlung, läuft noch bis Januar die Schau "Antike Gemmen aus Bayern". Zudem beteiligt sich das Haus jedes Jahr mit einer Ausstellung an der Residenzwoche: Sie widmet sich von Oktober bis Ostern den Nonnengrüften am Max-Joseph-Platz. Trotz all dieser Engagements fiebern Rupert Gebhard und sein Team schon jetzt der Wiedereröffnung in drei Jahren entgegen. Das Konzept für die künftige Dauerausstellung steht bereits. "Auf dem Papier ist alles schon zu 50 Prozent eingerichtet", sagt der Direktor. Nicht nur das Grab des Kelten-Fürsten wird einen festen Platz im Museum bekommen, sondern auch die echte Moorleiche Rosalinde.

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