Kommentar:Mit Betriebsrat ist besser

Gegen jede sechste Neu­gründung von Betriebsräten machen Arbeitgeber Druck. Ein großer Fehler, denn, das zeigen Studien: Firmen mit Betriebsrat sind oft innovativer als Firmen ohne.

Von Sibylle Haas

So richtig Lust hatte die Smartphone-Bank N26 offenbar nicht darauf, dass die Mitarbeiter einen Betriebsrat bekommen. Mehrfach versuchte die Firma, die Gründung mit fadenscheinigen Argumenten zu blockieren. Auch im Handel werden schnell mal Filialen dicht- und woanders wieder aufgemacht, wenn sich Mitarbeiter organisieren wollen. Bei deutschen Ablegern von Amazon oder Apple gingen die Betriebsratswahlen ebenfalls eher holprig vonstatten.

Gegen jede sechste Neugründung von Betriebsräten machen Arbeitgeber Druck. Sie schüchtern Kandidaten ein, drohen mit Kündigung oder verhindern die Bestellung des Wahlvorstands, das zeigt eine neue Befragung von regionalen Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen. Besonders verbreitet ist der Widerstand gegen Betriebsräte in mittelgroßen inhabergeführten Unternehmen, fasst das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zusammen.

In gut einem Drittel der Fälle, in denen sich die Führung gegen die Gründung eines Betriebsrats stellt, finden die Wahlen dann auch gar nicht statt. Das ist bedenklich. Für Arbeitgeber, weil sie Macht nicht teilen wollen. Für Mitarbeiter, weil sie ihren Kandidaten nicht den Rücken stärken. Und für Gewerkschaften, weil sie in vielen Betrieben an Stärke verlieren.

Gerade Start-ups beschwören gerne den speziellen "Spirit" ihrer Firma. Ein Betriebsrat passe da nicht zu den "Werten", argumentierte auch N26. Spirit und Werte sehen in vielen Start-ups aber oft so aus: Zwölf-Stunden-Tage, kleines Gehalt, Wochenendarbeit, Karrieren nach Willkür des Chefs, alternative Mitarbeitervertretungen. Die alternativen Interessenvertreter sind aber eine Farce, weil sie gesetzlich nicht legitimiert sind, auf Augenhöhe mit den Führungsspitzen zu reden. Oft sind sie auch nur deren Erfüllungsgehilfen, denn sie haben keinen Schutz. Anders als echte Betriebsräte können sie gekündigt werden. Und gerade dieser Kündigungsschutz ermächtigt Betriebsräte, auf Missstände hinzuweisen, er verpflichtet sie allerdings auch dazu.

Demokratische Mitbestimmung in Unternehmen funktioniert nur durch demokratisch gewählte Interessenvertreter. Betriebsräte dürfen mitreden, wenn Kollegen oder Kolleginnen entlassen werden sollen. Betriebsräte sind zu beteiligen, wenn es um die Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen geht. Und sie müssen informiert werden, wenn Betriebe zusammengelegt oder technische Verfahren eingeführt werden.

Wer Betriebsratswahlen behindert, macht sich strafbar

Betriebsräte haben eine Reihe von Rechten. Dafür steht die deutsche Betriebsverfassung. Und schon der erste Satz im Gesetz ist klar: In Betrieben mit mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern dürfen Betriebsräte gewählt werden. Arbeitgeber, die das verhindern wollen, machen sich strafbar.

Es ist ja durchaus verständlich, dass Eigentümer allein über die Geschicke ihrer Firma bestimmen wollen. Immerhin haben sie viel Geld investiert und arbeiten auf eigenes Risiko, da mag es schwierig sein, Macht zu teilen. Doch Studien zeigen, dass Unternehmen mit Betriebsräten oft produktiver und innovativer sind als Firmen ohne betriebliche Mitbestimmung. Die Gründe dafür sind eindeutig: Betriebsräte sind näher an der Belegschaft als Chefs und Chefinnen. Sie hören, wo es im Betrieb hakt, wo an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um Produkte zu verbessern. Sie reden mit Kollegen und Kolleginnen, die engen Kontakt zu den Kunden haben und die deshalb wissen, was am Markt gewünscht ist. Dies alles kann Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen, übrigens auch, wenn es darum geht, Fachkräfte zu gewinnen. Denn, auch dies zeigen Studien, mitbestimmte Unternehmen bieten bessere Arbeitsbedingungen.

Die als deutsches Konsensmodell benannte Betriebsverfassung ist weltweit nahezu einzigartig. Sie setzt auf Kompromiss und auf den Willen zur Einigung im Streitfall. Sie sichert den sozialen Frieden in den Betrieben, weil Betriebsräte kein Streikrecht haben und damit Firmen vor ausufernden, teuren Arbeitskämpfen bewahrt werden. Sie bietet natürlich immer auch die Möglichkeit des Missbrauchs. Dann nämlich, wenn Arbeitgeber zu unlauteren Mitteln greifen, um sich das Wohlwollen von Betriebsräten zu sichern und Betriebsräte sich korrumpieren lassen. Doch trotz dieser Verlockungen hat sich die deutsche Betriebsverfassung bewährt. Auch die Smartphone-Bank N26 könnte davon profitieren. Denn Betriebsräte sind zumeist gute Ratgeber - auch wenn es um das Wohl der Firma geht.

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