Umstrittener Paragraf 219a:Regierung will bessere Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen

Schwangerschaftsabbruch Abtreibung Werbung

Informationsbroschüren für Abtreibungen.

(Foto: dpa)

Einem Papier zufolge sei das aber nicht immer problemlos möglich. Ärztinnen und Ärzten fehle es mitunter an der Akzeptanz für ein solches Verfahren.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Etwa 100 000 Frauen zählt das Statistische Bundesamt jedes Jahr, die sich einem Schwangerschaftsabbruch unterziehen. Während einige von ihnen Tabletten schlucken, wählen andere einen Eingriff. Doch obwohl diese Behandlung so häufig benötigt wird, fehlt in Deutschland eine medizinische Leitlinie für sichere und moderne Operationen.

Die Berliner Hochschulgruppe Medical Students for Choice bemängelt seit Jahren, dass auch im Medizinstudium Schwangerschaftsabbrüche zu kurz kämen. Inspiriert von einer Studentenbewegung in den USA organisieren sie Kurse, in denen Medizinstudenten freiwillig den praktischen Umgang mit der Absaugpumpe lernen - an Papayafrüchten.

Die Regierungskoalition hatte sich in ihrem Kompromiss zum umstrittenen Paragrafen 219a, der Werbung für Abtreibungen unter Strafe stellt, auch darauf geeinigt, "die Qualität der medizinischen Versorgung von Frauen" bei Schwangerschaftsabbrüchen zu sichern. Nun haben Bundesgesundheitsministerium und Bundesärztekammer dazu ein Konzept erarbeitet, welches sich derzeit in der Ressortabstimmung befindet und der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

In der Medizinerausbildung sollen Beratungsgespräche mit Patientinnen verankert werden

Demnach habe das Gesundheitsministerium die Hochschulen angefragt und erfahren, dass hier die Grundlagen über Abbrüche zwar "theoretisch überwiegend in Form von Vorlesungen, weniger im Rahmen von Seminaren gelehrt" würden. Praktische Kompetenzen erlangten angehende Ärzte aber in der Weiterbildung.

Das Problem, eine gute Versorgung zu gewährleisten, liege dem Papier zufolge anderswo: "Neben ethisch-moralischen Gründen ist auch häufig die fehlende Akzeptanz Grund für Ärztinnen und Ärzte, die Verfahren nicht durchzuführen", heißt es. Um mehr Zuspruch unter den Ärzten zu erlangen, wollen Ministerium und Bundesärztekammer künftig die Beratungsgespräche mit Patientinnen stärker in der Medizinerausbildung verankern. "Das gilt hingegen ausdrücklich nicht für die praktische Durchführung eines Abbruchs", heißt es.

Lediglich Ärzte, die ihre Ausbildung bereits hinter sich haben, sollen künftig ein besseres Angebot für freiwillige Fortbildungen erhalten. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Berufsverband der Frauenärzte beabsichtigten demnach, "jährlich auf dem jeweils stattfindenden Kongress das Thema 'Schwangerschaftsabbruch' aufzugreifen und dazu einen Beitrag anzubieten". Außerdem soll endlich eine fachliche "Leitlinie zur sicheren Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen" entstehen. Das Gesundheitsministerium werde die Fachgesellschaften bei der Entwicklung dieser Richtlinien "mit finanziellen Mitteln unterstützen". Bislang existieren lediglich Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation für die klinische Praxis. Diese wolle man nun auch "ins Deutsche übersetzen".

Bei der Gießener Ärztin Kristina Hänel, die vor zwei Jahren die jüngste Abtreibungsdebatte angestoßen hatte, weckt der Entwurf jedoch auch Sorgen. Sie fürchtet, das neue Konzept könne dazu führen, dass künftig nur noch Gynäkologen Abbrüche vornehmen dürften - und eben keine Allgemeinärzte mehr wie sie. Das wäre "ein gravierender Einschnitt", sagt sie. Aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt es jedoch, eine solche Einschränkung sei nicht geplant.

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