US-Demokraten:Fünf Dinge, die der Parteitag gezeigt hat

US-Demokraten: In einer Umfrage sagen 54 Prozent der Amerikaner, dass sie ein gutes Bild von Kamala Harris hätten, nur 29 Prozent haben ein schlechtes.

In einer Umfrage sagen 54 Prozent der Amerikaner, dass sie ein gutes Bild von Kamala Harris hätten, nur 29 Prozent haben ein schlechtes.

(Foto: OLIVIER DOULIERY/AFP)

Obama bricht ein Tabu, die Demokraten schließen die Reihen - und Trump spielt seinen Gegnern in die Hände. Eine Zwischenbilanz.

Von Alan Cassidy, Washington

Es ist ein ungewöhnlicher Parteitag, mit dem die US-Demokraten offiziell ihren Wahlkampf gegen Donald Trump einläuten: keine gefüllten Säle, kein Glitzer, keine Ballons, stattdessen Videoschalten und Reden vom Band. Und doch tut sich bei dieser Convention einiges. Eine Zwischenbilanz nach drei von vier Abenden.

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1. Obamas beispiellose Warnung

Barack Obama hat sich seit dem Ende seiner Präsidentschaft nicht allzu oft über Donald Trump geäußert. Zum Ärger vieler Demokraten hielt er sich lange an die Norm, wonach sich ehemalige Präsidenten mit direkter Kritik an ihren Nachfolgern zurückhalten. Diese Zurückhaltung hat Obama nun aber mit seiner Rede am Parteitag abgelegt - und mit Trump geradezu abgerechnet.

Obama hielt seine Ansprache aus dem Museum of the American Revolution in Philadelphia, um zu unterstreichen, worum es bei der Wahl im November gehe: "um die Zukunft unserer Demokratie". Trump habe sich als inkompetenter Präsident erwiesen, der nicht fähig sei, in das Amt hineinzuwachsen. Vor allem aber sei er eine Gefahr für die Demokratie. Er untergrabe das Wahlrecht und gehe gegen friedliche Demonstranten vor. "Unsere demokratischen Institutionen sind so bedroht wie nie zuvor."

Obama warf Trump vor, sich über das Gesetz zu stellen und beschuldigte ihn mehr oder weniger direkt, sein Amt missbraucht zu haben, "um sich oder seine Unterstützer zu bereichern". Die amerikanische Demokratie sei nie perfekt gewesen, und es bleibe auch nach einer Abwahl Trumps viel tun. "Aber jede Chance auf Erfolg hängt vollkommen vom Ausgang dieser Wahl ab. Diese Regierung hat gezeigt, dass sie unsere Demokratie niederreißen wird, wenn sie glaubt, dass sie nur so gewinnen kann."

Das war eine beispiellose Warnung, besonders für einen wie Obama, der sich als Präsident stets dann am wohlsten fühlte, wenn er in warmen Tönen über Hoffnung und Wandel sprach - eine Warnung, die zeigte, wie hoch der Einsatz in den Augen der Demokraten im November ist.

2. Plötzlich diese Einheit

Ein viel bemühtes Klischee der amerikanischen Politik besagt: "Democrats fall in love, Republicans fall in line". Grob übersetzt: Die Demokraten wollen sich für ihren Kandidaten begeistern, während die Republikaner zum Wohl der Partei jeden Kandidaten unterstützen, egal, wen diese aufstellt. Mit Biden und Trump verhält es sich eher umgekehrt. Was die Demokraten antreibt, ist nicht Begeisterung für Biden - sondern Abneigung gegen Trump. Diese Abneigung und der brennende Wunsch, ihn loszuwerden, hat dazu geführt, dass die Demokraten sehr viel geschlossener auftreten als manchmal in der Vergangenheit.

Das war nicht unbedingt zu erwarten. Am letzten Parteitag vor vier Jahren hatten enttäuschte Anhänger des Linkspolitikers Bernie Sanders noch Tumulte im Saal ausgelöst, und der Wahlkampf von Hillary Clinton wurde bis am Wahltag vom Flügelstreit der Demokraten überschattet. Auch Anfang dieses Jahres, als sich abzeichnete, dass Biden die demokratischen Vorwahlen gewinnen würde, machten viele Progressive ihrem Ärger über den in ihren Augen viel zu moderaten "Establishment-Kandidaten" Biden Luft.

Nun aber sind diese Stimmen größtenteils verstummt. Die wichtigsten Vertreter des linken Flügels haben sich in seltener Deutlichkeit hinter Biden gestellt. Das begann mit Bernie Sanders, der in seiner Rede am Montag seine Anhänger ohne Zwischentöne aufrief, Biden zu unterstützen. Und das setzte sich fort mit Elizabeth Warren, die am Mittwoch einen flammenden Appell für "Joes Pläne" hielt, Pläne, die sie während ihrer eigenen Präsidentschaftskandidatur noch als viel zu zaghaft kritisiert hatte.

Die Harmonie ging so weit, dass selbst Hillary Clinton in ihrer Rede positiv auf Bernie Sanders verwies, den sie eigentlich immer noch für ihre Wahlniederlage mitverantwortlich macht. Trump, so scheint es, bringt auch alte Feinde zusammen.

3. Der grelle Kontrast zu Trump

Die Demokraten verwenden bisher einen großen Teil ihres Parteitags darauf, Joe Bidens Lebensgeschichte zu erzählen - auch, um republikanischen und parteilosen Wählern, die sie umwerben, die Angst vor ihm zu nehmen. Sie tun das, indem sie bis zur Erschöpfung Biden als Person in den Mittelpunkt stellen: seine Schicksalsschläge, seinen Charakter und seinen Umgang mit Menschen. Biden, das streicht fast jeder Beitrag an diesem Parteitag heraus, ist menschlich das Gegenteil von Trump - und würde deshalb die Würde in das Amt zurückbringen.

Gleichzeitig tut Trump in diesen Tagen viel, um diesen Kontrast noch zu verstärken. Der Präsident fand am Mittwoch lobende Worte für die Anhänger der Verschwörungstheorie QAnon, die er als Patrioten bezeichnete. Er sprach einer offen rassistischen republikanischen Kandidatin für den Kongress seine Unterstützung aus. Und er rief zu einem Boykott des US-Reifenherstellers Goodyear auf, weil dieser offenbar in einem Werk das Tragen der roten Trump-Kappen verboten hatte - alles an einem Tag. Die Aussicht auf einen Präsidenten Biden wird so auch ein Versprechen auf Normalität.

4. Ein historischer Moment

Im Unterschied zu anderen Rednern hielt sich Kamala Harris am Mittwoch mit Angriffen auf Trump eher zurück - und stellte ihre Nominierungsrede als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft in den Kontext der Frauen- und Bürgerrechtsbewegung. Harris ist die erste schwarze Frau und die erste Frau mit asiatischem Hintergrund, die von einer großen Partei für dieses Amt nominiert wird. In ihrer Ansprache erzählte sie die Geschichte ihrer Mutter, die als junge Migrantin von Indien nach Kalifornien kam - und sich nie erträumt hätte, dass ihre Tochter einst als Vizepräsidentin in ihrer Wahlheimat vorgeschlagen würde.

Harris rief dazu auf, gegen den "strukturellen Rassismus" zu kämpfen, der dafür verantwortlich sei, dass Schwarze, Latinos und Indigene überproportional stark von der Corona-Pandemie betroffen seien. "Gegen Rassismus gibt es keinen Impfstoff", sagte sie. Reichlich Lob erhielt die Senatorin von Hillary Clinton, die sie als "richtige Partnerin" für Biden lobte. Für die Demokraten verlief Harris' Nominierung bisher nicht schlecht: In einer Umfrage sagen 54 Prozent der Amerikaner, dass sie von ihr ein gutes Bild hätten, nur 29 Prozent haben ein schlechtes. Das dürfte sich allerdings ändern, je länger der Wahlkampf dauert.

5. Die Corona-Wahl und Bidens Programm

Schon lange ist klar, dass die Demokraten die Wahl zu einem Referendum über Donald Trump machen wollen. Der bisherige Verlauf des Parteitags hat nun unterstrichen, dass die Leistung der Trump-Regierung im Umgang mit der Corona-Pandemie dabei eine zentrale Rolle spielen soll. Ein Redner nach dem anderen machte an den drei Abenden den Präsidenten dafür verantwortlich, dass die USA hinsichtlich der Fallzahlen und der Zahl der Corona-Toten einen unrühmlichen Spitzenplatz belegen. "Covid-19 war Trumps größter Test", sagte Senatorin Elizabeth Warren: "Er ist daran kläglich gescheitert."

Was die eigenen politischen Inhalte Joe Bidens angeht, so gab die Convention bisher allerdings nicht viel her. Der Mittwoch war der erste Abend, an dem Themen wie Klimawandel, Waffengesetzen und Einwanderung immerhin länger angesprochen wurden. Doch auf ein konkretes Programm warteten unentschlossene Wähler bisher vergeblich. Gut möglich, dass sich das am Donnerstag ändert: Dann nämlich, wenn Biden seine Nominierungsrede hält.

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