Fortnite:Der Aufstand gegen Apple

Lesezeit: 3 min

Fortnite ist nicht nur ein Computerspiel, sondern längst auch virtueller Treffpunkt für viele junge Menschen. (Foto: oh)

Der Entwickler des erfolgreichsten Videospiels der Welt legt sich mit dem wertvollsten Konzern der Welt an. Das ganze System des App-Stores steht auf dem Spiel.

Von Simon Hurtz, Berlin

Vor drei Wochen wurden vier der mächtigsten Menschen der Welt gut fünf Stunden lang öffentlich gegrillt. Mehr als 200 Fragen stellten die Abgeordneten des US-Kongresses den Chefs von Amazon, Apple, Facebook und Google. Die Vertreter der Tech-Konzerne sollten dem Vorwurf entgegentreten, dass sie ihre Marktmacht missbrauchen. Scheinbar am glimpflichsten kam Apple-Chef Tim Cook davon. Doch eine seiner Antworten gab einen Vorgeschmack auf das Drama, das wenig später folgen sollte. Ob Apple jemals Vergeltung an einem Entwickler geübt habe, der sich öffentlich über die Richtlinien des App-Stores beschwerte, wollte der Demokrat Hank Johnson wissen. "Sir, wir üben keine Vergeltung oder tyrannisieren Leute", sagte Cook. "Das läuft unserer Unternehmenskultur komplett zuwider."

Tim Sweeney dürfte vehement widersprechen. Der Chef der Spieleschmiede Epic Games hat sich mit Apple angelegt und ließ einen Streit eskalieren, der seit Langem zwischen dem iPhone-Hersteller und vielen App-Entwicklern schwelt. Doch es begehrt nicht nur ein Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen gegen einen Zwei-Billionen-Dollar-Konzern auf. Es geht auch um grundlegende Fragen: Wie viel Provision darf Apple in seinem App-Store verlangen? Warum erhalten manche Entwickler eine Vorzugsbehandlung? Und: Wer schreibt die Regeln dieses Ökosystems? Beide Seiten spielen mit hohem Einsatz. Epic könnte den Zugang zu seiner wichtigsten Plattform verlieren. Apple riskiert nicht nur, eine ganze Generation junger Gamer zu verärgern. Auf dem Spiel steht das gesamte Geschäftsmodell des App-Stores. In den USA und Europa beschäftigen sich Kartellbehörden und Parlamente mit Apple. Und Epic liefert ihnen gerade weitere Argumente, ihre Ermittlungen schnell und kompromisslos voranzutreiben.

Epic Games hat gegen die Richtlinien von Apples Store verstoßen - offenbar mit Kalkül

Wer die ganze Tragweite des Konflikts verstehen will, muss wissen, was Fortnite ist. Mit dem erfolgreichsten Videospiel der Welt nimmt Epic jedes Jahr Milliarden Dollar ein, mehr als 350 Millionen Menschen kämpfen in virtuellen Arenen gegeneinander. Das Spiel prägt die Popkultur: Musiker feiern in Fortnite Release-Partys für neue Alben und stürmen die Charts, Fußballer feiern ihre Tore mit Tänzen der Charaktere. Jugendliche treffen in Fortnite ihre Freunde, besprechen ihre Hausaufgaben und hängen miteinander ab. Doch wenn man im App-Store nach Fortnite sucht, findet man derzeit nichts.

Maßgeblich dafür verantwortlich ist Epic selbst. Ende vergangener Woche versuchte das Unternehmen, die Zahlungsabwicklung von Apple und Google zu umgehen und sich damit die Provision von 30 Prozent zu sparen, die Entwickler abtreten müssen. Das verstößt gegen die Richtlinien der App-Stores, also verbannten beide Konzerne Fortnite. Darauf hatte Epic gewartet: Es reichte zwei vorbereitete Klagen ein und rief zum Protest in sozialen Netzwerken auf. Mit seiner Klage stellt Epic nicht nur die Höhe der Provision infrage, sondern das zentralisierte System des App-Stores. Der Entwickler will Apples geschlossenes Ökosystem sprengen und sich das Recht erstreiten, seine eigene Plattform auch auf iPhones anbieten zu dürfen.

Der Spieleentwickler versucht, andere Firmen für einen Aufstand zu gewinnen

Das bedroht Apples zweitwichtigste Einnahmequelle nach dem iPhone. Mit dem App-Store hat Apple die Art und Weise verändert, wie Menschen Zugang zu Software erhalten. Die Installation ist einfach, die Apps sind sicher, bezahlt wird automatisch. Doch der Komfort hat seinen Preis: die Freiheit von Nutzern und Entwicklern. Die Entwickler müssen umfangreiche Prüfverfahren durchlaufen, Nutzer können keine beliebigen Programme starten. Dieses Konzept greift Epic nun an.

Zusätzlich provozierte man Apple mit dem Video "Nineteen Eighty-Fortnite". Es spielt auf Apples ikonischen Werbespot "1984" an, der die Einführung des ersten Macintosh begleitete und den damaligen Marktführer IBM attackierte. Nun vertauschte Epic die Rollen, inszenierte sich selbst als Opfer und stellte Apple als Orwell'schen Diktator dar. Parallel deutete Epic-Chef Sweeney den Streit ums Geld zu einem Kampf um Gerechtigkeit um. Er erklärte sein Unternehmen, Marktwert mehr als 17 Milliarden Dollar, zu einem David, der für die Freiheit seiner Nutzer eintrete. Bis zu diesem Zeitpunkt lief für Epic alles nach Plan: Apple stand als Bösewicht da, obwohl es nur seine Regeln durchgesetzt hatte. Doch dann ging Apple in die Offensive: Wenn Epic weiter auf die Direktzahlung pocht, verliert es Ende August seine Entwickleraccounts. Das gefährdet nicht nur die Zukunft von Fortnite, sondern Epics Unreal Engine, die technologische Grundlage für Tausende erfolgreiche Spiele. Der Entwickler spricht von einem "katastrophalen" Schritt und will Apple mit einer einstweiligen Verfügung stoppen. Unabhängig davon, ob die Richter dem Einspruch stattgeben, stehen Apple unangenehme Monate bevor.

Epic versucht, andere Entwickler und Unternehmen wie Spotify und Sonos zum gemeinsamen Aufstand gegen Apple anzustiften. Spotify hatte sich bereits vergangenes Jahr bei europäischen Wettbewerbshütern beschwert, seit Juni ermittelt die EU-Kommission. Der Streaming-Anbieter konkurriert mit Apple Music, das keine Provision leisten muss. Deshalb versucht Spotify, Nutzer zu bewegen, Abos nicht über die iPhone-App, sondern über seine eigene Webseite abzuschließen - darf das innerhalb der App aber nicht erwähnen, weil das gegen Apples Richtlinien verstoßen würde. "Wir behandeln alle Entwickler gleich", sagte Tim Cook Ende Juli vor dem US-Kongress. Das ist falsch. 2016 köderte Apple Amazon mit einem Spezialdeal: Für Prime-Abos, die iPhone-Nutzer neu abschließen, muss Amazon nur 15 statt 30 Prozent Provision abgeben. Auch deshalb fühlen sich viele kleine Entwickler ungerecht behandelt.

© SZ vom 21.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Smartphones
:"Was Handys angeht, ist Apple erledigt"

Huawei, Xiaomi, Royole: Chinesische Handy-Hersteller machen auf sich aufmerksam. Designer Philippe Starck über einen Markt im Umbruch und das Zeitalter nach dem Smartphone.

Interview von Caspar von Au

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: