Prozess in München:Fotograf verklagt AfD wegen Urheberrechtsverletzung

Die Partei nutzte illegal ein Bild von Grünen-Politikerin Claudia Roth. Weil sie dann auch noch gegen ihre eigene Unterlassungserklärung verstieß, verlangt der Journalist nun 2800 Euro von der AfD - vor Gericht.

Von Stephan Handel

Das Städtchen Haan in Nordrhein-Westfalen zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es sich selber den Namen "Gartenstadt" gegeben hat. Außerdem ging dort Bernd Lucke zur Schule, der später die AfD gegründet hat. Mit der Partei will Lucke aus guten Gründen nichts mehr zu tun haben. Seine Nachfolger in Haan jedenfalls haben jetzt einigen Ärger am Hals, und zwar am Münchner Landgericht. Das liegt zum einen an der Grünen-Politikerin Claudia Roth. Zum anderen am Münchner Fotografen Michael Lucan.

Lucan nämlich hatte Roth auf dem Parteitag der Grünen 2016 in München fotografiert und das Bild auf Wikimedia veröffentlicht, unter einer sogenannten Creative-Common-Lizenz. Das heißt: Das Foto ist kostenlos zur Benutzung frei, es muss nur der Name des Fotografen genannt werden und die Art der Lizenz. Das scherte aber die AfD-Ratsfraktion in Haan nicht: Sie benutzte das Foto im Mai 2019 für eine Foto-Collage, ein Meme, beliebtes Agitationsmittel der Rechten im Internet. Weder Name noch Lizenz wurden genannt.

Michael Lucan entdeckte sein widerrechtlich verwendetes Bild und machte, was Urheber in solchen Fällen machen: Er verlangte Unterlassung und bediente sich dabei des sogenannten Hamburger Brauchs - in ihm ist zunächst keine Strafe festgelegt, wenn der Gegner erneut die Rechte verletzt, vielmehr kann der Rechteinhaber dann die Höhe der Strafe nach seinem Ermessen festlegen.

Die AfD unterschrieb die Unterlassungserklärung, entfernte das Bild wohl auch von der Website - aber nicht ganz: Wer die komplette Adresse eingab, fand die Collage immer noch. Auch in verschiedenen Webarchiven war sie vorhanden. Damit hatte die AfD gegen ihre eigene Unterlassungserklärung verstoßen, und Lucan setzte die Gebühr dafür auf 2800 Euro an. Das aber war den nordrhein-westfälischen Populisten zu viel - und in solchen Fällen entscheidet ein Gericht, in diesem Fall das Münchner Landgericht.

Matthias Zigann, der Vorsitzende Richter der 7. Zivilkammer, musste erst den Knopf finden: Der AfD-Anwalt war aus Düsseldorf per Video-Konferenz zugeschaltet, wie das in Corona-Zeiten immer häufiger vorkommt am Gericht. Als der Knopf zur Aktivierung der Mikrofone dann gedrückt war, konnte es losgehen - und Zigann machte gleich deutlich, dass er die Forderung Lucans für nicht völlig aus der Welt hielt. Der Anwalt in Düsseldorf versuchte die Angelegenheit herunterzuspielen, es sei doch relativ wenig Traffic auf der Seite der Haaner AfD-Fraktion, also ein "marginaler Verstoß"; was die Web-Archive anbelange, so seien Löschungsersuchen dorthin gegangen, die aber eben noch nicht erledigt seien.

Da kam er aber bei Lucans Anwalt Bernhard Reininger an den Richtigen: Es komme nicht darauf an, wie viele Menschen das Bild tatsächlich angeschaut haben. Und bei den Archiven, da habe die AfD lange genug Zeit gehabt; nun, mehr als ein Jahr später, zu behaupten, man arbeite daran, das reiche nicht. Und immerhin - es gehe nicht um einen "unbedarften Verbraucher", sondern um eine politische Organisation. Richter Zigann pflichtete dem Anwalt bei: Wenn jemand die Rechte eines anderen verletze und dann jemanden beauftrage, die Verletzung zu beseitigen - also das Bild zu löschen, dann, so Zigann, "könnte man schon erwarten, dass er das auch kontrolliert".

Der AfD-Anwalt bot 500 Euro an, Lucan sagte, recht weit unter 2500 Euro wolle er eigentlich nicht gehen. Zwischen diesen beiden Summen einen Kompromiss zu finden, dazu haben die beiden Seiten nun vier Wochen Zeit. Wenn das nicht gelingt, wird das Gericht am 1. Oktober eine Entscheidung verkünden.

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