Abfall:Bis in die letzte Ritze

Abfall: Wenn ein Getränk auf die Hand bestellt wird, landet der Becher am Ende oft auf dem Boden – wo ihn jemand aufsammeln muss.

Wenn ein Getränk auf die Hand bestellt wird, landet der Becher am Ende oft auf dem Boden – wo ihn jemand aufsammeln muss.

(Foto: Robert Haas)

Kippen und Wegwerfbecher machen ein Fünftel des Mülls auf der Straße aus. Nun sollen die Hersteller für die Reinigung zahlen, etwa die Tabakindustrie.

Von Michael Bauchmüller und Christoph Koopmann, Berlin/München

Mit großflächig vermüllten Straßen haben sie in Köln Erfahrung. Schließlich rücken die Frauen und Männer der örtlichen Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) jedes Jahr zu Karneval aus, um die Überbleibsel durchfeierter Tage und Nächte zu beseitigen. Da kommen schon mal 400 Tonnen Müll zusammen. Aber Abfall auf öffentlichen Plätzen und Straßen, "das ist hier leider ein Dauerthema", sagt ein Sprecher der AWB. Dabei hat die Stadt Köln vor einem Jahr die Bußgelder für Müllsünder schon erhöht. Wer zum Beispiel dabei erwischt wird, wie er Zigarettenstummel achtlos wegwirft, muss nicht mehr 35 Euro zahlen, sondern 50 bis 150 Euro. Doch das Problem ist geblieben, sagt der AWB-Sprecher.

225 Millionen Euro kostet laut einer Studie allein die Entsorgung der Zigarettenstummel

Michael Ebling nennt Kippen "kleinen, schädlichen Müll, der sich in die letzte Ritze drückt und aus dieser von uns am Ende auch entfernt wird". Ebling ist Oberbürgermeister von Mainz und Präsident des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU). Und letzterer wiederum hat nun Experten den Straßenmüll in Deutschland untersuchen lassen. In Parks und auf Bürgersteigen, in Papierkörben an Laternen. Ergebnis: 20 Prozent des Gesamtvolumens machen Zigarettenkippen und Einwegverpackungen für Lebensmittel aus. Etwa Coffee-to-go-Becher oder Take-away-Schachteln.

Das birgt Zündstoff, denn die Kommunen wollen dafür Geld sehen. "Bisher werden die Kosten auf die Allgemeinheit umgewälzt", klagt Ebling. Der Studie zufolge sind die nicht von Pappe. Allein die Entsorgung der Kippen taxiert sie auf 225 Millionen Euro im Jahr. Schließlich sei die Reinigung hier besonders aufwendig, der Ritzen wegen. Für Einwegbecher veranschlagte das beauftragte Institut die Entsorgungskosten auf 120 Millionen Euro.

Aufkommen sollen dafür künftig jene Firmen, die den Müll in Verkehr brachten, etwa die Zigarettenindustrie. Handhabe dafür hat die EU geschaffen. Ihre 2019 erlassene Kunststoffrichtlinie erlaubt es, die Hersteller in die Pflicht zu nehmen. In Deutschland soll die Basis dafür eine Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes legen, erstmals regelt es auch die "Produktverantwortung" der Hersteller. Derzeit liegt das Gesetz im Bundestag. "Die Lasten müssen künftig stärker von den Verursachern getragen werden", sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Im Übrigen liege ihr sehr daran, die Kommunen zu stärken. Bislang wird die Abfallentsorgung in Deutschland aus kommunalen Haushalten und Straßenreinigungsgebühren finanziert.

Wie genau Schulze die Millionen eintreiben und an die Kommunen verteilen will, weiß aber auch sie noch nicht. "Das ist nicht ganz trivial", sagt sie. "Wir betreten da juristisches Neuland." Auch fehlten noch Leitlinien der EU dafür. Und schließlich dürften sich auch Hersteller und Wirtschaft mit Händen und Füßen dagegen wehren - wer weiß schon, wer noch alles herangezogen wird für Dinge, die gerade die öffentliche Hand erledigt, als wäre es selbstverständlich.

Beim Deutschen Zigarettenverband (DZV) ist man nicht sonderlich begeistert über die Abfallstudie. "Zigarettenkippen spielen im Hinblick auf Volumen und Gewicht nur eine untergeordnete Rolle beim Abfallaufkommen", sagt Geschäftsführer Jan Mücke. In der Studie bleibe die Berechnungsgrundlage für die Summen, die der Tabakindustrie angelastet werden, unklar. Außerdem sei der VKU als Vertreter der Kommunen in der Müllentsorgungsdebatte parteiisch, da sei eine vom VKU initiierte Untersuchung nicht sehr aussagekräftig. "Aussagen über die Belastung durch Zigarettenfilter müssen auf unabhängige Berechnungen gestützt sein", sagt Mücke. Zunächst einmal will seine Streitpartei, die Tabakindustrie, im Herbst eine von ihr in Auftrag gegebene Studie vorstellen.

Mücke hat auch ein grundsätzliches Problem mit dem Vorhaben des Bundesumweltministeriums. "Es entspricht nicht dem Verursacherprinzip, wenn Zigarettenhersteller für die Müllentsorgung aufkommen müssen", sagt er. Schließlich seien es nicht die Hersteller, die Kippen auf den Boden werfen, sondern einige wenige Verbraucher. Da sei Aufklärungsarbeit ein wichtiges Mittel.

Die Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe dagegen sehen Svenja Schulzes Vorhaben grundsätzlich positiv, sagt der AWB-Sprecher. Auch wenn die geplante Neuregelung nicht dafür gedacht sei, den Abfallentsorgern Arbeit abzunehmen - mit dem Geld könnte man mehr Mülleimer und Aschenbecher aufstellen. Damit künftig weniger in den Ritzen landet.

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