Umwelt:Vergiftete Wale

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Auch wenn Menschen versuchen, ihnen zu helfen, überleben gestrandete Wale oft nicht. (Foto: DIEGO IZQUIERDO/AFP)

Schwermetalle, Herbizide, Weichmacher: Die Meeressäuger sind stärker mit Schadstoffen belastet als gedacht. Das könnte eine der Erklärungen für das Stranden vieler Tiere sein.

Von Thomas Krumenacker

Plastikreste, Pestizide und Schwermetalle aus Kraftwerksschornsteinen: Die Belastung mit Schadstoffen macht vor den Weltmeeren nicht halt. Das bekommen auch Wale zu spüren. Einer neuen Studie zufolge sind die Meeressäuger stärker mit Umweltgiften belastet als bislang angenommen. Die Meeresverschmutzung könnte auch zum Stranden vieler Tiere während der Zugsaison beitragen, vermuten die Forscher.

"Wir waren sehr überrascht darüber, wie stark die Belastungen auch bei Arten sind, die keine oder wenige Berührungen mit der Zivilisation haben oder die, wie der Ostpazifische Delfin, ihr ganzes Leben sehr weit draußen auf dem Meer in tiefen Gewässern verbingen", bilanziert Studienleiterin Annie Page-Karjian vom Ozeanografischen Institut der Florida Atlantic University in Boca Raton die Ergebnisse ihrer soeben im Fachjournal Frontiers in Marine Science erschienenen Analyse. Das sei umso erschreckender, weil viele der nachgewiesenen Stoffe wie Weichmacher aus der Plastikherstellung oder Pflanzenschutzmittel über Abwasserleitungen oder Flüsse ins Meer gelangten und offenbar Folgen viel weiter über die Küstengewässer hinaus hätten als angenommen.

Um herauszufinden, wie stark die Meeressäuger belastet sind, analysierten Page-Karjian und ihre Kollegen die Konzentrationen von mehr als einem Dutzend Stoffen und Stoffverbindungen im Fettgewebe und der Leber von 83 Walen. Die Tiere waren zwischen 2012 und 2018 an der Südostküste der USA gestrandet und entweder bereits tot oder mussten getötet werden. Neben Schwermetallen wie Quecksilber, Blei und Cadmium fanden sie in den untersuchten Walarten auch hohe Konzentrationen einiger weitverbreiteter Herbizide aus der Landwirtschaft und von Stoffgruppen, die in Kosmetika und Desinfektionsmitteln oder als Weichmacher in Plastikflaschen und anderen Kunststoffprodukten Verwendung finden. "Wale sind durch Anreicherung der Giftstoffe so stark mit Umweltgiften belastet, dass sie beispielsweise für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet wären", sagt die Studienleiterin.

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Das hat auch Folgen für die Bestände der Tiere. "Bei bestimmten Substanzen wie Organochlorverbindungen und Quecksilber bedroht das Belastungsniveau bereits jetzt die Populationen einiger Arten", sagt die Forscherin. Die Belastung mit anderen Stoffen, etwa dem Herbizid Atrazin, sei geringer. Aber bereits die Tatsache, dass sie überhaupt in den Körpern der Hochseebewohner nachgewiesen werden konnten, sei besorgniserregend. Bislang werde angenommen, dass diese Stoffe nur in Seen oder Flüssen in direkter Nähe zu industrieller Landwirtschaft oder von Industrieanlagen Auswirkungen hätten.

Die Chemikalien arbeiten sich durch die Nahrungsketten und landen auch beim Menschen

Mit ihrer Analyse wollten die Forscher auch herausfinden, ob die Giftstoffbelastungen eine Rolle beim Stranden der Tiere während ihrer Wanderungen sein könnten. Unmittelbare Ursache für dieses Phänomen ist wahrscheinlich der Verlust des Orientierungsvermögens der Tiere wegen einer Störung der ausgeprägten Echoortung. Wie es aber dazu kommt, ist noch nicht vollständig erforscht. "Wir wissen, dass die hohe Belastung mit Chemikalien zu Verhaltensänderungen, einer Schwächung des Immunsystems und negativen Folgen für die Fortpflanzung bei Meeressäugern führen kann", sagt die Tiermedizinerin Page-Karjian. Von Blei und Quecksilber ist beispielsweise bekannt, dass sie das Nervensystem von Organismen angreifen. Zwar konnten die Wissenschaftler bei keinem der gestrandeten Tiere belegen, dass es als unmittelbare Folge einer Giftstoffbelastung gestrandet ist. "Die chronisch hohe Belastung mit diesen Stoffen kann aber gravierende Folgen unterhalb der sofortigen Tötungsschwelle haben und Organfunktionen ebenso wie das Verhalten beeinflussen und auf diese Weise zum Stranden beitragen", sagt Page-Karjian.

Für die vielen Menschen, die Anteil an gestrandeten Meeressäugern nehmen, hält die Forscherin auch einen Rat bereit. Jeder könne seinen Teil dazu beitragen, die Menge der Giftstoffe zu reduzieren indem er auf Einwegkunststoffe wie Plastiktüten und -flaschen verzichte. "Diese Chemikalien arbeiten sich durch die Nahrungskette nach oben - vom kleinen Fisch zum großen Fisch und von dort zum Wal - und werden mit jeder Stufe konzentrierter", sagt die Forscherin. Eine Verringerung der Chemikalienlast im Meer sei deshalb auch für die menschliche Ernährung wichtig. "Wale fressen die Fische, die auch wir mögen."

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