Israel:Bibi, der Retter

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Ellbogencheck zu Begrüßung: US-Außenminister Mike Pompeo (links) und Israels Premier Benjamin Netanjahu sprachen in Jerusalem wohl über mögliche Annäherungen an weitere arabische Staaten. (Foto: Debbie Hill/AP)

Kompromiss im Haushaltsstreit, Vorbereitung neuer Friedensinitiativen: Israels Premier Netanjahu gelingt es, sich als Macher zu inszenieren. Über den Zustand seiner Koalition kann das nicht hinwegtäuschen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Erst als die Spannung sich dem Siedepunkt näherte, hatte er seinen Auftritt. Konzentriert und gut gelaunt trat Premierminister Benjamin Netanjahu in Jerusalem vor die Presse, um live hineingeschaltet ins TV-Abendprogramm den Israelis gleich ein ganzes Bündel guter Nachrichten zu überbringen: Zunächst sprach er vom Frieden mit der arabischen Welt, zu dem das angekündete "historische Abkommen" einer Normalisierung der Beziehungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) führen könne.

Danach verkündete er, dass er in fast letzter Minute "aus nationaler Verantwortung" einem Kompromiss im innerkoalitionären Haushaltsstreit zugestimmt habe, der eine drohende Neuwahl verhindere. Es wäre die vierte Wahl in gut anderthalb Jahren gewesen. "Es ist die Zeit für Einigkeit", erklärte Netanjahu. "Es ist nicht die Zeit für Wahlen."

Die Botschaft sollte jeder gut vernehmen können: Der Regierungschef hat mal wieder das Land gerettet, alle anderen sind bestenfalls Statisten. Denn seine Zustimmung hat den Weg für ein Gesetz geebnet, das den Zeitrahmen zur Verabschiedung eines Haushalts bis in den Dezember hinein verlängert. Die bisherige Frist wäre exakt am Montag, dem 24. August, um Mitternacht abgelaufen - und nach alter Gesetzeslage wäre dann automatisch das Parlament aufgelöst worden.

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"Frieden statt Wahlen" titelte hastig noch Netanjahus Hausblatt Israel Hajom (Israel heute), das gnädig die Tatsache herunterspielte, dass vor allem der Regierungschef selbst zuvor die Neuwahl-Szenarien angeheizt hatte.

Und während sich der Rest der Regierung am Montag noch um den vermeintlichen Kleinkram kümmern musste, nämlich bis Mitternacht das Gesetz zum Haushaltskompromiss im Eiltempo durchs Parlament zu bringen, machte Netanjahu schon wieder Weltpolitik. In Jerusalem empfing er den frisch eingeflogenen US-Außenminister Mike Pompeo.

Pompeos kurzfristig angesetzter Besuch ist Teil der Washingtoner Anstrengungen, nach dem Deal mit den Emiraten weitere arabische Staaten zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel zu bewegen.

Aufschluss darüber, wo die Hoffnungen liegen, gibt Pompeos Reiseroute: Er besucht neben den VAE noch Sudan und Bahrain. Weiteren Druck erzeugen soll eine für Anfang September angekündigte Visite von Jared Kushner, dem Nahost-Berater und Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump. Die beiden hatten jüngst vor allem Saudi-Arabien ins Visier genommen als möglichen Folgekandidaten. Aber in Riad und auch andernorts hält man sich vorläufig noch äußerst bedeckt.

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Dabei wären positive Nachfolge-Nachrichten in Jerusalem und Washington gerade sehr erwünscht, weil nach dem Überraschungscoup mit den VAE nun ein paar irritierende Details die Debatte bestimmen. Es geht dabei um ein womöglich heimliches Gegengeschäft, sprich die Lieferung modernster Waffensysteme und F-35-Kampfjets an die Emirate. Dies könnte Israels militärische Vormachtstellung in der Region bedrohen.

Zu Hause steht Netanjahu nun im Verdacht, einer solchen Belohnung für die Emirate hinter den Kulissen zugestimmt und mithin Israels Sicherheitsinteressen verscherbelt zu haben.

An Pompeos Seite betonte der Regierungschef nun, dass ein Abkommen mit den VAE "keine israelische Zustimmung zu irgendeinem Waffendeal" enthalte. "Mir ist nichts über einen vereinbarten Waffendeal bekannt", fügte er noch hinzu.

Dabei hätte er nur seinem Gast aufmerksam zuhören müssen, der in Jerusalem zwar Israel die Wahrung seines militärischen Vorsprungs versprach, zugleich aber weitere einschlägige Geschäfte mit den VAE ankündigte. "Wir werden sicherstellen, dass wir ihnen die Ausrüstung liefern, die sie brauchen, um ihr Volk vor derselben Bedrohung zu schützen: vor der Islamischen Republik Iran", sagte Pompeo. Zuvor schon hatte Jared Kushner in Washington verlauten lassen, dass ein Ausgleich mit Israel die "Wahrscheinlichkeit erhöht", dass F-35-Kampfjets in die Emirate geliefert werden.

Pompeo ließ es sich in Jerusalem auch nicht nehmen, nach dem Austausch mit Netanjahu noch Außenminister Gabi Aschkenasi und Verteidigungsminister Benny Gantz zu treffen, die Protagonisten des Koalitionspartners Blau-Weiß. Netanjahu selbst lässt die beiden dagegen inzwischen meist links liegen.

Vom Deal mit den VAE erfuhren sie aus den Medien, und auch von der jüngsten Pressekonferenz, in der ihr Regierungschef sich als Retter vor einer Neuwahl inszenierte, wussten die beiden vorab nichts. Sonst hätten sie wohl kaum unmittelbar vor dessen öffentlichem Einigkeitsappell eine Erklärung veröffentlicht, die sie nun als Scharfmacher dastehen lässt. "Sie spucken der israelischen Bevölkerung aus persönlichen Motiven ins Gesicht", wird Netanjahu darin vorgeworfen.

Deutlich wird dabei, wie zerrüttet das Koalitionsklima ist. Der Haushaltskompromiss dürfte die Gefahr eines Bruchs der Regierung nur aufgeschoben haben. Spätestens im Dezember wird wohl das Wahltheater zur Wiedervorlage kommen. Eine Neuwahl im Frühjahr wäre schließlich immer noch zeitig genug, um die im Koalitionsvertrag für November 2021 vereinbarte Rotation im Premiersamt von Netanjahu zu Gantz zu verhindern.

© SZ vom 25.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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