Urteil:Bayerns Grenzpolizei ist teilweise verfassungswidrig

Bayerische Grenzpolizei beginnt mit Kontrollen

Eine eigene bayerische Grenzpolizei wieder aufzubauen, war eines der wichtigsten Projekte von Markus Söder nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten 2018 (hier mit ihrem Chef, Alois Mannichl).

(Foto: dpa)

Der Verfassungsgerichtshof rügt eines der Prestigeprojekte von Ministerpräsident Söder: Die Wiedereinführung verstoße in Teilen gegen die Verfassung. Dagegen geklagt hatten die Landtags-Grünen.

Von Kassian Stroh

Nach nur zwei Jahren muss der Freistaat Bayern seine eigene Grenzpolizei zwar nicht unbedingt abschaffen, aber nun ist höchstrichterlich klar: Sie darf nur eine Hilfstruppe der Bundespolizei sein. Ihre Rechtsgrundlage sei in Teilen mit der Verfassung nicht vereinbar - das hat am Freitag der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschieden. Er gab damit einer Klage der Vorsitzenden der Grünen-Landtagsfraktion, Katharina Schulze, statt. Die Grenzpolizei einzuführen, war im Frühjahr 2018 eine der ersten und wichtigsten Entscheidungen des damals neuen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU).

Konkret richtete sich Schulzes Klage wie auch eine ähnliche der Grünen-Landtagsfraktion gegen zwei Regelungen: Einmal Artikel 5 des bayerischen Polizeiorganisationsgesetzes (POG), der die Errichtung der Grenzpolizei regelt und ihre Aufgaben beschreibt. Zum anderen Artikel 29 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG), der ihr bestimmte Befugnisse überträgt - zum Beispiel dass die Beamten bei einer Kontrolle einen Zug oder Bus betreten dürfen. Den Artikel im POG beanstandeten die Richter nicht. Den Artikel im PAG hingegen verwarfen sie, unter anderem weil er gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße. Ein Land wie Bayern dürfe in diesem Bereich keine Gesetze erlassen; das sei Sache des Bundes. Bei den Regelungen im PAG handele es sich um einen "offensichtlichen und zudem um einen schwerwiegenden Eingriff in die Kompetenzordnung des Grundgesetzes".

Die bayerischen Grenzpolizisten dürfen also weiter kontrollieren, aber nicht selbstständig, sondern nur im Sinne einer Amtshilfe für die eigentlich zuständige Bundespolizei. "Im Kern ändert das an der Arbeit der Grenzpolizei nichts", sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach der Urteilsverkündung. "Wir können in dem vollen Umfang, wie wir das in den letzten zwei Jahren getan haben, weiterarbeiten." Grünen-Fraktionschefin Schulze hingegen, die gesagt hatte, die Beamten würden anderswo im Lande besser gebraucht, sprach von einem "Etikettenschwindel": Die Grenzpolizei sei nach dem Urteil "nur noch eine leere Hülle".

Das Gericht folgte also der Argumentation der Grünen, die Grenzen zu sichern, sei nach dem Grundgesetz ausschließlich Sache des Bundes; es gebe nur deutsche Außengrenzen, keine bayerischen. Somit sei es verfassungswidrig, wenn der Freistaat hier seiner Landespolizei ebenfalls Kompetenzen übertrage, wenn er also neben der dafür zuständigen Bundespolizei eine eigene Grenzpolizei aufbaue. CSU und Staatsregierung widersprachen bei der Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof vor gut zwei Wochen: Die bayerischen Grenzpolizisten würden ausschließlich in Abstimmung mit der Bundespolizei aktiv. Deren Kompetenzen würden dadurch also nicht verletzt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landtagsfraktion, Tobias Reiß, sprach von einem "synergetischen, kongenialen Zusammenwirken" von Bundes- und Landespolizei.

Soweit die juristische Argumentation. Politisch halten die Grünen die Grenzpolizei für einen "Teil der damaligen Strategie der CSU im Landtagswahlkampf", wie ihr Abgeordneter Jürgen Mistol sagte. Die Christsozialen hätten im Frühjahr und Sommer 2018 "versucht, die AfD mit einem rechtspopulistischen Kurs und noch lauteren und schrilleren Tönen übertrumpfen zu wollen". Söder hatte die Einführung der Grenzpolizei 2018 unter anderem damit begründet, damit könne sich Bayern gegen illegale Einwanderung "wappnen". Inzwischen argumentiert die CSU vor allem, die Zahl der erfolgreichen Kontrollen spreche für diese Einrichtung.

Angekündigt hatte Söder das Vorhaben bereits vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im März 2018, in der ersten Kabinettssitzung unter seiner Leitung wurde es dann auf den Weg gebracht. Die Grenzpolizei, deren Zentrale in Passau steht, hat derzeit etwa 500 Beamte, in den nächsten drei Jahren sollen sie um weitere 500 verstärkt werden. Über die Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen ihnen und den Bundespolizisten gab es anfangs auch Reibereien zwischen Söder und seinem Vorgänger Horst Seehofer, der inzwischen Bundesinnenminister geworden war.

Ihre Arbeit aufgenommen hat die bayerische Grenzpolizei im Juli 2018 - oder auch wiederaufgenommen. Denn sie war ursprünglich nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen und fortan an Grenzübergängen und Flughäfen eingesetzt worden. 1998 löste der Freistaat sie auf: Der Eiserne Vorhang war gefallen und Österreich war der EU und dem Schengen-Abkommen beigetreten, das Grenzkontrollen grundsätzlich abgeschafft hat.

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