Kolumne "Mitten in...":Allwissender Algorithmus

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Was muss man heute eigentlich noch wissen? Ein Klick und die Bilderkennungs-App sagt einem, wie der orangefarbene Schmetterling heißt, der da im Unterholz schwirrt.

Von Moritz Geier, Boris Herrmann und Mareen Linnartz

Mitten am... Osterfeuerkopf

Illustration: Marc Herold (Foto: Marc Herold)

Diese Bilderkennungs-App hat wirklich ihren Reiz. Beim Aufstieg zum Osterfeuerkopf in den Bayerischen Voralpen mag man gar nicht aufhören, mit ihr herumzuspielen. Der orangefarbene Schmetterling zum Beispiel, der da im Unterholz schwirrt, wie heißt der noch mal? Warten, bis er auf einem Zweig zur Ruhe kommt, dann schnell mit dem Smartphone fotografieren. Die App liefert sofort die Antwort: Kaisermantel. Und der gelbe Falter dort? Klick, Foto, Schwalbenschwanz. Der Algorithmus erkennt sie alle, Tiere, Blumen, Bäume. Was muss man heutzutage eigentlich noch wissen? Oben beim Gipfelkreuz wieder überall die gelben und orangen Falter. Eine Wandergruppe kommt uns entgegen, mit ihren Blicken folgt eine Frau dem bunten Geflatter. "Wissen Sie zufällig", fragt sie plötzlich, "was das für Schmetterlinge sind?" Moritz Geier

Mitten in... Berlin

Illustration: Marc Herold (Foto: Marc Herold)

Die Idee war eigentlich gut: Nach der Bandprobe im verrauchten Keller einmal kurz in den Weißensee hüpfen, die laue Sommernacht ausnutzen. Leider werden solche Nächte auch von anderen genutzt. Netterweise haben die Diebe wenigstens die Unterhosen dagelassen, die über den Lenkern der abgeschlossenen Fahrräder hingen. Bezüglich des Rucksacks mit dem Geld, der Telefone, der Fahrradschlüssel und der restlichen Klamotten waren sie nicht ganz so gnädig. Das Schöne an Berlin ist aber: Man fällt hier gar nicht weiter auf, wenn man nachts um zwei in Unterhosen und mit geschulterten Rädern die Tram Richtung Alex nimmt. Zwei Spinner unter vielen. Irgendwann fragt dann doch einer: "Na, alles okay mit euch, Sportsfreunde?" Und so weit ist es schon, dass man dann sofort denkt: Ja fuck, die Maske war ja auch im Rucksack! Boris Herrmann

Mitten in... Mardorf

Illustration: Marc Herold (Foto: Marc Herold)

Am Steg flattern die Segel der Boote, in "Birgits Café" gibt es sensationellen Käsekuchen, man selbst liegt bräsig auf der hitzetrockenen Wiese dazwischen. "Staycation", Ferien im eigenen Land. Da kann es einen auch ans Steinhuder Meer bei Hannover verschlagen. Aber was sind das für merkwürdige Bewegungen im Augenwinkel? Was nun zu sehen ist, lässt Begriffe wie "Schirmherrschaft" und "Helikoptereltern" in einem neuen Licht erscheinen. Ein Mädchen schaukelt. Und hinter ihrem Rücken hält ihr Vater aus Schutz vor der prallen Sonne einen Schirm über den kleinen Körper, lehnt sich nach vorne, wieder zurück, wippt, stellt sich auf Zehenspitzen, führt einen kleinen Tanz auf, der nur durch unbeabsichtigte Kollisionen mit dem Schaukelgerüst unterbrochen wird. Das Mädchen quietscht. Der Vater keucht. Das Leben, es ist ein ewiges Auf und Ab. Mareen Linnartz

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