Sicherheit öffentlicher Gebäude:Aha-Erlebnis am Bundestag

Sicherheit öffentlicher Gebäude: Absperrgitter vor dem Reichstagsgebäude. Künftig soll der Bundestag durch einen Graben gesichert werden.

Absperrgitter vor dem Reichstagsgebäude. Künftig soll der Bundestag durch einen Graben gesichert werden.

(Foto: AP)

Das Parlament plant bereits einen Graben vor dem Reichstagsgebäude - er soll zehn Meter breit und 2,5 Meter tief werden. Aber die Umsetzung zieht sich.

Von Robert Roßmann, Berlin

Das Reichstagsgebäude mag wie eine Trutzburg aussehen - doch es gibt nur wenige Parlamente, die so leicht zugänglich sind wie der Bundestag. Etwa 2,5 Millionen Menschen besuchen das Parlament jedes Jahr. Wenn nicht gerade Corona-Regeln den Betrieb einschränken, ist es für die Bürger kein Problem, die Volksvertreter aus der Nähe zu beobachten. Auch die Sicherungsmaßnahmen rund um das Reichstagsgebäude sind nicht sonderlich abschreckend: Ein paar Absperrgitter, ein paar Poller, ein paar Polizisten - das ist es im Normalfall auch schon. Doch seit vergangenem Wochenende gibt es eine Diskussion darüber, ob das alles so bleiben kann. Dass Rechtsradikale, Verschwörungstheoretiker und andere Demonstranten erst direkt vor der Eingangstür am Hauptportal gestoppt werden konnten, muss alle Demokraten erschrecken. Und genau deshalb wollen jetzt manche den schon länger geplanten Bau eines Grabens vor diesem Hauptportal beschleunigen.

"Aha-Graben" nennen sie in der Bundestagsverwaltung das Bauwerk. Der Name leitet sich nicht von Abstand, Händewaschen, Atemschutzmaske ab - sondern davon, dass die Grube erst zu erkennen sein soll, wenn man direkt davorsteht. Und dass der erstaunte Betrachter dann "Aha" sagt. Die Baukommission des Ältestenrates des Bundestags hat die Errichtung des Grabens bereits im Februar beschlossen. Er soll über die gesamte Westseite des Gebäudes laufen. Dort liegt die Freitreppe, über welche die Demonstranten am Wochenende ins Parlament eindringen wollten. Rechts und links der Freitreppe sollen 55 Meter lange Zäune aufgestellt werden. Der Graben dazwischen soll 2,5 Meter tief und zehn Meter breit werden. Damit wäre die gesamte Westseite, und damit auch das Hauptportal des Reichstagsgebäudes, abgesichert. Diese Lösung hat zudem den Vorteil, dass die Sicht auf das Gebäude nicht eingeschränkt wird. Vor dem Schloss Bellevue, dem Sitz des Bundespräsidenten, gibt es bereits einen ähnlichen Graben.

Künftiges Empfangsgebäude soll würdiger ausfallen als die bisherigen Container

Eigentlich geplant ist der Graben im Zusammenhang mit dem neuen Besucherzentrum des Bundestags. Bisher stehen vor dem Reichstagsgebäude provisorische Container, durch die die Besucher müssen. Stattdessen soll ein würdiges Empfangsgebäude an der Scheidemannstraße, schräg gegenüber dem Reichstagsgebäude, entstehen. Dort sollen die Besucher künftig kontrolliert werden und dann durch einen Tunnel zum Hauptportal gehen können. Und genau deshalb muss der Bereich vor dem Hauptportal zuverlässig abgesperrt werden - ansonsten könnten sich dort unkontrollierte und bereits kontrollierte Besucher mischen.

Der Vorsitzende der Baukommission, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), sagte der Süddeutschen Zeitung, ihm wäre es am liebsten, wenn der Bau des Grabens sofort beginnen könnte. Aber man hänge auch von Genehmigungen durch Berliner Behörden ab. Außerdem müsse in dem Bereich eine neue unterirdische Kältezentrale für den Bundestag errichtet werden. Das mache die Sache zusätzlich kompliziert. So schnell werde es also nicht gehen.

Doch viele Abgeordnete sind wegen der Vorkommnisse vom Wochenende ungeduldig. Carsten Schneider, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, erklärte zum Beispiel, er werde eine Sondersitzung des Ältestenrates beantragen, "um die Pläne zur Errichtung einer Sicherheitszone zu überprüfen und für eine schnelle Umsetzung zu sorgen". Am Donnerstag wird es diese Sitzung geben. Doch viel dabei herauskommen dürfte - zumindest bezogen auf den Aha-Graben - nicht.

Am Montag hieß es, es könne sogar bis 2025 dauern, bis Bagger auffahren. Schuld daran sei nicht nur die geplante Kälteanlage. Unter dem Areal würden auch eine U-Bahn- und eine Fernbahn-Linie verlaufen, ein S-Bahn-Tunnel sei geplant. Außerdem gebe es dort Geothermie-Bohrungen. Der Graben und der Tunnel zum Besucherzentrum seien deshalb keine einfachen Unterfangen. Und so wird noch viel Zeit vergehen, bis vor dem Reichstagsgebäude die Ersten "Aha" sagen - und ein Graben den Bundestag schützt.

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