Los Angeles:Wo James Dean aus dem Fenster sprang 

Chateau Marmont: storied Hollywood hangout targets members

Vom Künstlertreff zum Privatclub: Einst bevölkerten echte Stars das Hotel "Chateau Marmont" in Los Angeles. Heute sind es vor allem diejenigen, die sich mit viel Geld ein bisschen Coolness erkaufen möchten.

(Foto: Valerie Macon/AFP)

Nichts ist mehr Hollywood als das Hotel Chateau Marmont in Los Angeles. Es hat unzählige Geschichten zu erzählen, von Natalie Wood bis John Belushi. Nun soll es zum Privatklub für Reiche werden.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die wichtigsten Kriterien für Mitarbeiter im "Chateau Marmont" in Los Angeles sind: Wegsehen und Vergessen. Wenn eine berühmte Schauspielerin mit jemandem durch die Lobby turtelt, der nicht der aktuelle Partner ist; wenn der Drogenbote des Popstars eintrifft; wenn Gäste im Fahrstuhl übereinander herfallen. Dann sieht man weg oder vergisst ganz schnell. Das ist schwer in einer Stadt, in der Sehen und Gesehenwerden so bedeutsam sind wie in kaum einer anderen. Aber es gilt eben auch die wichtigste Regel für Prominenz: Wirklich berühmt ist nur, wer nicht mehr gesehen werden will.

Es ranken sich zahlreiche Mythen um dieses Gebäude - ein vom Schloss Amboise an der Loire inspirierter Prachtbau auf dem Sunset Boulevard. Wie kaum ein anderes steht es für das grandiose Zusammenspiel von wilder Kreativität und grenzenloser Dekadenz. Ein Hotel, das es so wohl nur in Los Angeles gibt. Seit 1929 ist es Treffpunkt für die Coolen und Schönen. Auch für die Unerwünschten: Der deutsche Besitzer Erwin Brettauer ließ bereits in den 1950ern Afroamerikaner hier nächtigen, später wurde es ein Zufluchtsort für Homosexuelle. Aber auch für die, die nicht gesehen werden wollen. Columbia-Pictures-Chef Harry Cohn sagte seinen Stars Glenn Ford und William Holden bereits vor 70 Jahren: "Wenn ihr schon Ärger machen wollt, dann bitteschön im Chateau Marmont."

Die Coronavirus-Pandemie hat auch dieses Hotel schwer getroffen, wer bei Trost würde derzeit freiwillig nach Kalifornien reisen? Die Tourismusindustrie liegt ebenso brach wie viele Produktionen der Unterhaltungsbranche. Prominente haben sich in ihre Zweitwohnsitze in anderen Bundesstaaten zurückgezogen, es gibt kaum "Power Lunches" und Partys (zumindest nicht in Hotels, sondern eher in Privathäusern in den Hollywood Hills). Der Sunset Strip ist verlassen wie selten zuvor, das Hotel wirkt in seiner Kurve zu den legendären Bars wie eine Erinnerung an ein Lebensgefühl, von dem derzeit niemand weiß, ob es jemals wiederkehren wird.

Schon lange nicht mehr cool

Eigentümer Andre Balazs hat die meisten Mitarbeiter entlassen, die überraschenderweise mit Protesten und nicht mit Enthüllungen reagiert haben. Nun will er die 63 Zimmer zum Privatklub umfunktionieren, möglichst schon bis Ende des Jahres. Die Mitglieder sollen im Hotel wohnen und arbeiten können, wie es in Los Angeles schon andere Anbieter als Geschäftsmodell praktizieren. "Wir werden das Chateau Marmont nicht für die Öffentlichkeit schließen", sagte er kürzlich in einem Interview mit Variety. Es soll also weiterhin möglich sein, in ausgewählten Bereichen zu essen oder sie für Events (Jay-Z und Beyoncé Knowles feiern hier gewöhnlich ihre Oscar-Party) zu mieten. Nur: "Etwas, das schon immer privat gewesen ist, bekommt nun ein Allerheiligstes, das noch ein bisschen privater ist."

Es stimmt schon: Wirklich cool ist Chateau Marmont schon lange nicht mehr. Die meisten der kreativen Anekdoten (Nathanael West hat seinen Roman "The Day of the Locust" hier verfasst, Billy Wilder hat am Drehbuch von "Ninotchka" gefeilt, James Dean soll durchs Fenster gehüpft sein, um sich für die Rolle in "Rebel Without a Cause" zu empfehlen - und dabei, das aber nur nebenbei, die Affäre von Regisseur Nicholas Ray mit Natalie Wood gestört haben) und auch der tragischen Geschichten (John Belushi starb an einer Überdosis, der Fotograf Helmut Newton steuerte seinen Cadillac in die Mauer an der Auffahrt und erlag seinen Verletzungen) liegen weit in der Vergangenheit, als der Charme des Hauses darin lag, dass es nicht mondän, sondern ein wenig heruntergekommen war.

Los Angeles: März 1982: Die Leiche von John Belushi wird aus dem Hotel abtransportiert.

März 1982: Die Leiche von John Belushi wird aus dem Hotel abtransportiert.

(Foto: Nellox McLendon/AP)

Das Hotel zehrt heute von diesen Geschichten und auch davon, dass die Wahrscheinlichkeit doch sehr hoch ist, beim Mittagessen (Spaghetti Bolognese: 26 Dollar) in der Nähe eines Promis zu sitzen. Balazs hat das Hotel im Jahr 1990 gekauft, und er hat es nach und nach opulenter werden lassen. Es gibt nun Fitnesscenter und eine Bar in der Lobby (mit geheimer Cocktailkarte für Stammgäste), es gibt Merchandising (ein Marmont-Pulli kostet 550 Dollar) und kleine Skandale (Lindsay Lohan soll ihre Rechnungen nicht bezahlt haben!). Es passiert, was mit vielen Dingen geschieht, die cool gewesen sind und nun Geld abwerfen sollen: Es kommen nicht mehr nur In-People hierher, sondern vor allem die Reichen, die glauben, sich Coolness und Schönheit erkaufen zu können.

Wie verrückt kann diese Party werden?

Das Hotel konnte sich die üppigen Preise (ein Zimmer kostet 500 Dollar die Nacht, eine Suite 3000) mit diesem Was-wäre-wenn-Versprechen leisten. Also: Was wäre, wenn man irgendwie Zeuge oder sogar Gast einer wilden Party wird, auf der (alles so passiert) Jim Morrison zugedröhnt vom Dach hüpft oder die Jungs von Led Zeppelin auf Motorrädern durch die Lobby fahren. Wenn es in Suite 33 (die von Lohan) oder im Bungalow No.3 (der von Belushi) etwas Ungeheuerliches zu erleben gibt? Deshalb bezahlten Touristen aus aller Welt sehr viel Geld für ein Zimmer.

Nur: Eine Party wird nicht legendär, weil jemand viel Geld dafür bezahlt, sondern wegen der Leute, die sich dort begegnen. Wenn der etablierte Filmemacher auf einen jungen Autor trifft, wenn sich zwei Rockstars gemeinsam betrinken und eine völlig unbekannte Band entdecken, wenn ein paar Verrückte an einer Idee feilen. So etwas ist selten geworden, gerade in Zeiten von sozialen Medien - weshalb die grandiosesten Partys in Los Angeles jene sind, bei denen man sein Handy an der Tür abgibt und von denen all jene, die nicht dabei gewesen sind, nie was erfahren werden.

So etwas kann man nicht planen, so etwas entsteht spontan - genau deshalb wird das Modell von Balazs für das Chateau Marmont heftig kritisiert. Wie verrückt kann eine Party werden, bei der die Gästeliste über Mitgliedschaft definiert ist? Es mag sein, dass Balazs mit dieser Strategie finanziell erfolgreich ist. Der König verkauft jedoch, um den Palast zu retten, den kostbarsten Besitz: die Kronjuwelen.

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