Bundestag:Opposition will Wirecard-Untersuchungsausschuss

Zahlungsdienstleister Wirecard

Der Schriftzug von Wirecard an der Firmenzentrale des Zahlungsdienstleisters in Aschheim bei München.

(Foto: dpa)

Darin soll der milliardenschwere Bilanzskandal parlamentarisch aufgearbeitet werden. Die Grünen wollen sich gemeinsam mit FDP und Linken dafür einsetzen - die Opposition hätte damit ausreichend Stimmen.

Zur politischen Aufarbeitung des Wirecard-Skandals will die Opposition im Bundestag einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Nach AfD, FDP und Linke sind nun auch die Grünen dafür, wie der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz nach einer Sondersitzung des Finanzausschusses in Berlin sagte. FDP, Linke und Grüne haben zusammen die nötige Stimmenzahl für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und wollen gemeinsam abstimmen.

Um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, muss ein Viertel der 709 Abgeordneten im Bundestag zustimmen - FDP, Grüne und Linke haben zusammen 216 Sitze. Auf die Stimmen der AfD wollen sich die anderen drei Fraktionen nicht stützen.

Untersuchungsausschüsse können Zeugen und Sachverständige laden und Akteneinsicht verlangen. Die Ermittlungen sind allerdings zeitaufwendig, und die Zeit für den Wirecard-Ausschuss, der wegen der Bundestagswahl im kommenden Herbst wohl allenfalls bis zur Sommerpause arbeiten könnte, ist kurz.

Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lisa Paus, begründete den Schritt auf Twitter damit, dass die Bundesregierung bis zum Schluss gemauert habe und es weitere Instrumente brauche, um den Wirecard-Skandal aufzuklären. Zum konkreten Untersuchungsauftrag des Gremiums werde es zügig Gespräche mit FDP und Linken geben, sagte Paus der Deutschen Presse-Agentur. Ein Ergebnis werde es dann hoffentlich bis kommende Woche geben.

Der Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz ergänzte, es gehe nicht um ein politisches Tribunal, sondern lückenlose Aufklärung. Christian Dürr, Fraktionsvize der FDP, kritisierte die Grünen dafür, dass sie einem Untersuchungsausschuss erst jetzt zustimmen: "Es hat aber auch wirklich lange gedauert", schrieb er auf Twitter. Es sei schön, dass die Grünen nun doch zustimmen.

Linken-Politiker Fabio De Masi sagte, es gehe nicht allein um Wirecard, sondern angesichts der Tatsache, dass immer mehr Menschen bargeldlos bezahlten, auch um neue digitale Geschäftsmodelle insgesamt. Wenn man zu dem Ergebnis komme, dass niemand über mögliche Geldwäsche wache und Bilanzen kontrolliere bei diesen "neuen digitalen Tankern", so könne das nicht beruhigen. Die Ausführungen von Bafin-Chef Felix Hufeld im Ausschuss hätten ihn nicht überzeugt, so De Masi: Dieser habe wiederholt, dass Wirecard als Technologiekonzern einzustufen gewesen sei und damit nicht in den Bereich der Finanzaufsicht falle. Andere europäische Aufsichtsbehörden hätten bei vergleichbaren Unternehmen aber anders entschieden.

Widerspruch zu einem Untersuchungsausschuss war auch aus den Fraktionen der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD nicht zu vernehmen. "Wir würden natürlich auch sehr gerne mit den Verantwortlichen der Wirecard sprechen", kündigte der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann an. Es handle sich um "bandenmäßigen Betrug, um höchst kriminelle Handlungen" - aber eben auch um Versagen verschiedenster staatlicher Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen, die den Skandal nicht verhindert hätten.

Auch Vizekanzler Scholz gerät durch den Untersuchungsausschuss unter Druck

Im Juni hatte der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Wirecard seit 2015 Scheingewinne auswies, und ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Der Schaden für die kreditgebenden Banken und Investoren könnte sich auf 3,2 Milliarden Euro summieren.

Zentrale Fragen bei der politischen Aufarbeitung sind, wann genau die Bundesregierung von Unregelmäßigkeiten wusste und ob sie zu wenig dagegen unternommen hat. Im Fokus stehen insbesondere die Finanzaufsicht Bafin, die dem Finanzministerium untersteht, sowie Rechnungsprüfungsgesellschaften, die Wirecard jahrelang prüften und in den Zuständigkeitsbereich des Wirtschaftsministeriums fallen.

Mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gerät auch Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) weiter unter Druck. Die Bafin untersteht seiner Aufsicht. Scholz hat sich bei der Aufklärung des Bilanzbetrugs von Wirecard auf das Narrativ verlegt, er hätte gern mehr getan, doch die Regeln hätten das nicht zugelassen.

Im Vorfeld der heutigen Oppositionsentscheidung, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, wies Scholz Kritik an der Bafin erneut zurück. "Die Bafin hat sofort im Februar 2019 die Überprüfung des Konzerns eingeleitet und die dafür zuständige Bilanzpolizei, die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, damit beauftragt, genau wie es gesetzlich für einen solchen Fall vorgesehen ist", sagte er am Samstag der Rheinischen Post.

Zugleich kritisierte der SPD-Kanzlerkandidat abermals die Rechnungsprüfungsgesellschaften, die in den Zuständigkeitsbereich von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) fallen. "Wir müssen davon ausgehen können, dass Wirtschaftsprüfer, die viele Leute mit hohen Tagessätzen beschäftigen, Unternehmen wie Wirecard ausreichend kontrollieren", sagte Scholz dem Blatt.

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