Umwelt:Bauboom auf dem Meeresgrund

Lesezeit: 2 min

Russische Ölplattform vor der Insel Sachalin. (Foto: Jess Jones/dpa)

Bauwerke wie Fischzuchtanlagen, Ölplattformen und Häfen versiegeln immer größere Flächen des Ozeans, zeigt eine neue Studie. Windparks spielen dagegen eher eine untergeordnete Rolle.

Von Julian Rodemann

"Füllet die Erde und machet sie euch untertan", heißt es im ersten Buch Mose. Heute scheint es, als wären die Nachkommen Adams und Evas diesem göttlichen Aufruf zielstrebig gefolgt. Auf der Erde wächst fast kein Wald mehr, in den der Mensch noch nicht vorgedrungen ist; es gibt kaum noch Gegenden, die nicht erschlossen wurden - jedenfalls an Land. Doch auch die Weltmeere hat sich die Menschheit untertan gemacht, wie eine neue Studie im Fachmagazin Nature Sustainability zeigt: Menschliche Bauwerke bedecken mehr als 32 000 Quadratkilometer des Meeresgrunds in den Weltmeeren; das entspricht fast neun Mal der Fläche Mallorcas.

Insgesamt ist damit zwar nur ein kleiner Teil der über 360 Millionen Quadratkilometer großen Meeresfläche versiegelt. Doch laut den Wissenschaftlern um die Ökologin Ana Bugnot von der Universität Sydney lohnt sich ein Blick auf eine weitere Fläche. Deutlich größer ist nämlich die Gegend, die zwar nicht direkt bebaut, aber durch Bauwerke wie Ölplattformen oder Tiefseekabel beeinflusst wird, etwa durch veränderte Meeresströmungen, Lärm oder Schadstoffe: Bugnot und Kollegen kommen auf ein bis 3,4 Millionen Quadratkilometer, je nach Berechnung.

Stahl und Beton treffen die Weltmeere an ihrer empfindlichsten Stelle

Auch wenn das immer noch weniger als ein Prozent der globalen Meeresfläche ausmacht, so können die Folgen für das Ökosystem Ozean dennoch weitreichend sein, wie die Wissenschaftler schreiben. Denn abgesehen von Tiefseekabeln befinden sich fast alle Bauten in Küstennähe. "Und dort ist die Biodiversität am größten", sagt Bugnot. Stahl, Beton und Co. mögen zwar nur einen Bruchteil des Ozeans bedecken, doch sie treffen die Weltmeere an ihrer empfindlichsten Stelle.

Umwelt
:Das Schrumpfen der Lachse

Fischer und Biologen wundern sich, warum pazifische Lachse immer kleiner werden. Wie das mit dem Klimawandel zusammenhängt - und welche weitreichenden Folgen es für Mensch und Natur hat.

Von Thomas Krumenacker

Es ist die erste Berechnung dieser Art, der menschliche Fußabdruck auf dem Meeresgrund wurde noch nie so genau geschätzt. Das 13-köpfige Forscherteam um Bugnot trug Positionsdaten von Bauwerken im Meer zusammen und schätzte Größe und Einfluss der maritimen Infrastruktur. Den größten Fußabdruck auf dem Meeresgrund haben Fischzuchtanlagen, auch Aquakulturen genannt, gefolgt von Häfen und künstlichen Riffen. Offshore-Windparks spielen hingegen nur eine Nebenrolle, von allen untersuchten Bauwerken bedecken sie aktuell derzeit die kleinste Fläche des Meeresgrunds.

Auch wenn Aquakulturen die größte Fläche bedecken, beeinflussen Häfen mehr Tiere und Pflanzen. Der Lärm verbreitet sich über eine weitaus größere Fläche als die unmittelbar bebaute. Den zweitgrößten Einfluss auf das Ökosystem haben Tiefseekabel, gefolgt von Öl- und Gaspipelines.

"Maritime Bauwerke sind nichts Neues, es gibt sie seit mehr als 4000 Jahren", sagt Bugnot. Wellenbrecher, Stege oder kleine Häfen sind schließlich keine Erfindung der Neuzeit. Doch ein Großteil der heutigen Häfen, Plattformen oder Fischzuchtanlagen wurde seit der Industrialisierung errichtet. Der Anstieg der versiegelten und beeinflussten Meeresfläche seit einigen Jahrzehnten sei besorgniserregend, sagt Bugnot.

Die Wissenschaftler schätzen, dass es so weitergehen wird. Die bebaute Fläche könnte bis 2028 um ein Viertel auf dann knapp 40000 Quadratkilometer steigen. "Das sind alarmierende Zahlen", sagt Bugnot. Sie hofft, dass ihre Forschung Politiker dazu anspornt, mehr für den Schutz der Meere zu tun - etwa im Rahmen der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie der Europäischen Union.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKlimawandel
:Die vergessene Katastrophe

Schmelzendes Polareis, Rekordtemperaturen und Waldbrände: Während die Welt im Bann der Pandemie steht, kommt die Erde immer weiter aus dem Gleichgewicht. Wo die Lage am brisantesten ist.

Von Sören Müller-Hansen und Julian Rodemann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: