Verkehr in Bayern:Tempolimit auf der A 94 gekippt

A94 Story Hohenlinden

Seit das letzte Teilstück der A 94 Anfang Oktober eröffnet wurde, gibt es zumindest für Durchreisende nicht mehr viele Gründe, an der Ausfahrt in Hohenlinden abzufahren.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Verwaltungsgericht München hat in einem Eilverfahren der Klage eines Mühldorfers stattgegeben. Das Limit auf 120 Stundenkilometer sei unzureichend begründet. Die Beschilderung muss "einstweilen unkenntlich" gemacht werden.

Von Florian Tempel, Erding

Das Tempolimit auf dem 32 Kilometer langen Abschnitt der A 94 zwischen Pastetten und dem Tunnel bei Ampfing ist mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Das Verwaltungsgericht (VG) München hat in einem Eilverfahren der Klage eines Mühldorfers stattgegeben, der die Begrenzung auf maximal 120 Stundenkilometer angefochten hatte. "Der beklagte Freistaat Bayern ist verpflichtet, die Beschilderungen von Tempo 120 km/h einstweilen unkenntlich zu machen", heißt es in der Presseerklärung des VG München.

Die Richter erkannten die Anordnung des Tempolimits als rechtswidrig, da es unzureichend begründet gewesen sei. Es reiche nicht aus, auf Beschwerden von Anwohnern hin ein Tempolimit als "Verkehrsversuch" anzuordnen. Ob der A 94-Lärm tatsächlich über die Maßen groß ist, hätte vor der Anordnung des Tempolimits mit Messungen überprüft werden müssen.

Das Tempolimit war in der Tat ein ziemlich freihändig vergebenes Zugeständnis von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er hatte es überraschend aus dem Ärmel geschüttelt, als er sich am 8. Januar mit lärmgeplagten A 94-Anwohnern auf einem nahe der Autobahn gelegenen Reiterhof in Hammersdorf in der Gemeinde Buch traf.

Söder sagte damals zu, den Lärmschutz an der Isentalautobahn zügig zu verbessern. Das Teilstück zwischen Pastetten und Heldenstein war erst drei Monate zuvor, am 1. Oktober 2019, eröffnet worden. Söder bezeichnete ein Tempolimit "als ein Zeichen der Glaubwürdigkeit", bis der offenbar geräuschintensive Fahrbahnbelag ausgetauscht und Lärmschutzbauten installiert seien.

Formal erfolgte die Anordnung des Tempolimits, das ab 1. Februar galt, durch die Autobahndirektion Süd, allerdings auf Weisung des bayerischen Innenministeriums. Rechtlich wurde die Tempobegrenzung auf der nagelneuen Autobahn mit Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung begründet. Demnach könne man "versuchsweise" und "zur Ordnung des Verkehrs" eine solche Maßnahme anordnen, sagte damals ein Sprecher des Innenministeriums. Versuchsweise sei das Tempolimit, da es zeitlich im Zusammenhang mit den Lärmmessungen und dem Lärmgutachten stehe.

Zunächst war das Tempolimit bis Ende Juli befristet. Wegen der Corona-Pandemie nahm der Verkehr auf der A 94 stark ab. Die geplanten Lärmmessungen an Anwesen neben der Autobahn wurden bis nach den Sommerferien verschoben, "um alltagstaugliche und wirklichkeitsgetreue Messergebnisse zu erzielen", erklärte ein Sprecher des Innenministeriums im Juli. Das Tempolimit wurde schließlich bis Ende des Jahres verlängert.

Vor allem in den Landkreisen Mühldorf und Altötting war das Tempolimit auf Kritik gestoßen. Eine Online-Petition dagegen fand fast 19 000 Unterstützer.

Das VG München gab nun dem Eilantrag eines Mühldorfers gegen das Tempolimit statt. In der Presseerklärung des Gerichts heißt es: "Es genügt nicht, dass sich die Autobahndirektion auf subjektive Empfindungen und Wahrnehmungen von Anwohnern stützt, selbst wenn die Beschwerden angesichts der erstmaligen Inbetriebnahme der Isentalautobahn bei bis dahin gewohnter weitgehender Ruhe subjektiv nachvollziehbar sind." Eine objektiv nachvollziehbare "Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes" fehle jedoch vollständig.

Gegen den Beschluss des VG München kann binnen zwei Wochen Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingelegt werden.

"Das Urteil legt klar: Deutschland braucht endlich ein allgemeines Tempolimit", erklärten die Aktionsgemeinschaft gegen die Isentalautobahn und der Bund Naturschutz in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Zusätzlich brauche es Gesetze, "die spezielle Geschwindigkeitsbegrenzungen aus Lärmschutzgründen ermöglichen", damit zum Beispiel die Geschwindigkeit von Lastwagen auf bestimmten Abschnitten auf 60 Stundenkilometer begrenzt werden kann. "Das Gericht verbietet ja kein Tempolimit sondern kritisiert nur die fehlende gesetzliche Grundlage", heißt es weiter. Die bayerische Staatsregierung sei aufgefordert, in dieser Hinsicht gesetzgeberisch aktiv zu werden. Als Lärmschutzmaßnahme hat das Tempolimit nur wenig gebracht. "Die Lastwagen sind das Schlimmste", sagen alle A 94-Anwohner. Dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 Stundenkilometer bei Lastwagen, die höchstens 80 fahren dürfen, wirkungslos bleiben würde, ist eh logisch. Das Tempolimit hat nur die Lärmspitzen der Vollgasfahrer gekappt.

Das bayerische Innenministerium hat am Freitag begonnen, sich aus der ganzen Sache zurückzuziehen und herauszuhalten. Zuständig für das Tempolimit sei die Autobahndirektion gewesen, heißt es vorweg aus dem Ministerium. Man habe lediglich "auf Antrag der Autobahndirektion" diesem zugestimmt. Weiter heißt es: "Ob und gegebenenfalls welche rechtlichen Schritte weiter eingeleitet werden, wird derzeit von der Autobahndirektion geprüft." Die noch ausstehenden Lärmmessungen würden, nach Auskunft des dafür zuständigen Verkehrsministeriums, "wie geplant ab September stattfinden".

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