Rechtsextremismus:Verdächtige Anrufe

Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz

Wird von Rechtsextremen bedroht: Die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Erneut finden sich private Daten in Drohmails mit dem Absender "NSU 2.0". Wie kann das sein? Womöglich gab es in weiteren Bundesländern Abfragen über Polizeicomputer -diskutiert wird aber auch über ein anderes Szenario.

Von Florian Flade und Ronen Steinke, Berlin

Im Fall der rechtsextremen Drohserie mit dem Absender "NSU 2.0" wächst die Sorge um die persönlichen Daten der betroffenen Frauen. Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız ist eigens umgezogen, um sich und ihre Familie den Bedrohungen zu entziehen. In anonymen Faxen und Mails hatten der oder die Täter ihre Adresse und auch die Namen ihrer Tochter und Eltern erwähnt. In neuen Mails ist nun aber auch diese neue Anschrift aufgetaucht, wie am Donnerstag die taz enthüllt hat.

So stellt sich die Frage, wie schon wieder eine private Information von Başay-Yıldız, die für die Öffentlichkeit gesperrt war, in die Hände der Rechtsextremen gelangt ist. Beim ersten Drohfax mit dem Absender "NSU 2.0", das bereits im August 2018 bei der Anwältin einging, hatte die Spur zur Polizei selbst geführt. Es hatte sich herausgestellt, dass die geschützten Daten unmittelbar vor dem Absenden des Drohschreibens an einem Rechner der Polizei im Frankfurter Innenstadtrevier abgerufen worden waren.

Die neue Wohnanschrift von Seda Başay-Yıldız tauchte nun erstmals in einer Drohmail im Juni 2020 auf. Zumindest über hessische Polizeicomputer scheint diese neue Adresse aber nicht abgefragt worden zu sein, wie in Sicherheitskreisen zu hören ist. Die Sonderermittler, die sogenannte AG 21 im Wiesbadener Landeskriminalamt, wissen bislang von drei verdächtigen Abfragen nach Başay-Yıldız' Daten an Polizeicomputern. Diese lägen allerdings schon länger zurück. Sprich: noch vor Başay-Yıldız' Umzug.

Ein Mann ruft bei der taz an, gibt sich als Polizist aus und verlangt private Auskünfte

Das würde nahelegen, dass es womöglich in weiteren Bundesländern Abfragen über Polizeicomputer gegeben hat. Verdächtige Abfragen, die "NSU 2.0"-Opfer betreffen, hat es mindestens auch noch in Hamburg und Berlin in Polizeirevieren gegeben, wie die Süddeutsche Zeitung und der WDR in der vergangenen Wochen aufdeckten.

Es waren allerdings nicht die Daten von Seda Başay-Yıldız, die dort abgefragt wurden, sondern von anderen Betroffenen. Außerdem bleibt möglich, dass der oder die Täter - was von Beginn auch eine Hypothese der Ermittler gewesen ist - auf ganz anderem Weg an die Adresse gekommen sein könnten.

Von einer solchen Möglichkeit berichtet nun die taz in ihrer Wochenendausgabe. So habe sich ein Mann im August 2018 telefonisch bei der taz gemeldet und versucht, private Daten der taz-Autorin Hengameh Yaghoobifarah zu bekommen. Der Mann habe sich als Polizist ausgegeben und diese Daten herausverlangt.

In zwei späteren "NSU 2.0"-Schreiben sei dann präzise auf diesen Anruf Bezug genommen worden. Zum ersten Mal im Oktober 2019, zum zweiten Mal im Juni 2020 sei das Telefonat in "NSU 2.0"-Drohmails erwähnt worden, die von einem, den Ermittlern bekannten, anonymen Account des russischen Anbieters Yandex ausgingen, dessen Nutzername ein rassistisches Schimpfwort ist.

Ein hessischer Polizist geriet bereits vor mehr als einem Jahr in den Fokus der Ermittlungen. Er war in jener Frankfurter Wache tätig, in der die Daten der Anwältin Başay-Yıldız abgefragt wurden. Gegen ihn wurden mehrere Maßnahmen durchgeführt - darunter Überwachungen und auch eine Durchsuchung. Für einen Haftbefehl aber reichte es nicht. Dass der Polizist für die "NSU 2.0"-Drohungen der jüngeren Vergangenheit verantwortlich ist, gilt als eher unwahrscheinlich.

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Seda Basay-Yildiz

"NSU 2.0"
:Verfasser von Drohmails kennen auch Başay-Yıldız' neue Adresse

Das berichtet die "taz", der die neue E-Mail vorliegt. Darin macht der Absender deutlich, dass ihm die neue Adresse der Frankfurter Anwältin bekannt ist. Ob diese erneut über Polizeidatenbanken abgefragt wurde, ist unklar.

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