Gesundheit:Milliarden-Pakt mit Lücken

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"Wir wollen viel Geld in die Hand nehmen", sagte Kanzlerin Angela Merkel bei der Webkonferenz "Der Öffentliche Gesundheitsdienst in der Corona-Pandemie". (Foto: Getty Images)

Der Bund will in den kommenden Jahren Mittel für etwa 5000 neue Stellen im öffentlichen Gesundheitsdienst bereitstellen. Doch die Gehälter sind unattraktiv.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Die Corona-Krise ist die Zeit der neuen Formate. Auf die Konferenz der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Lage in Deutschlands Gesundheitsämtern trifft das in doppelter Hinsicht zu. Nicht nur, dass die Kanzlerin am Dienstag quer durch die föderalen Instanzen konferierte - es nahmen Ministerpräsidenten genauso an dem Gespräch teil wie Behördenleiter aus Reutlingen oder Soest. Auch mit dem Format der "Webkonferenz" bewegte sich das Kanzleramt auf noch weitgehend unerforschtem Gebiet. Zu funkiger Musik zeigt eine Kamera zu Beginn die Kanzlerin an einem halbrunden Tisch sitzen, eingerahmt von ihrem Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) und Ute Teichert, die den Bundesverband der Amtsärzte (BVÖGD) vertritt. Eine Moderatorin führt durch die Talkrunde, in der zunächst Merkel, dann die Landeschefs Markus Söder (CSU) aus Bayern und Peter Tschentscher (SPD) aus Hamburg ihre Statements aufsagen.

"Ungewöhnlich ist aber auch, was die Beschäftigten des öffentlichen Gesundheitsdienstes leisten", lautet Merkels Überleitung vom Konferenzformat zum Thema. "Wir wollen viel Geld in die Hand nehmen, weil wir wissen, dass nicht nur die Individualmedizin in unserem Land gut sein muss, sondern auch die Communitymedizin, wie man so sagt, für die Gemeinschaft."

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Gemeint sind vier Milliarden Euro, die die Koalition den Gesundheitsbehörden versprochen hatte. In den vergangenen Wochen hatten sich Bund, Länder und Kommunen nun auf einen sogenannten "Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst" geeinigt, nach dem bis Ende 2022 mindestens 5000 unbefristete Vollzeitstellen in den Gesundheitsämtern entstehen sollen - davon mindestens 1500 bis Ende kommenden Jahres. Auch die Digitalisierung der Ämter soll verbessert werden, etwa in Form von neuen Meldesystemen.

Städtetags-Präsident Jung fordert, die Finanzierung auch langfristig zu sichern

Ein weiterer und besonderer schwieriger Punkt in dem Pakt lautet "Steigerung der Attraktivität". Hier geht es um die Bezahlung der Amtsärztinnen und -ärzte, die im Vergleich zu anderen Medizinern im Gesundheitswesen mäßig ist. Im Beschluss heißt es zwar, die Länder strebten eine "attraktive Bezahlung" in den Gesundheitsämtern an. Doch wie genau das geschehen soll, lässt der Pakt offen. Schon vor Beginn der Pandemie hatten sich die Kommunen, die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, der BVÖGD, die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund in der Frage überworfen, wer eigentlich die Interessen der Beschäftigten vertritt. Seitdem herrscht Stillstand in den Verhandlungen. Im Beschluss steht nun lediglich, die Bezahlung könne "etwa im Rahmen bestehender Tarifverträge" verbessert werden. Eine Lösung für den Konflikt ist das nicht.

Teichert vom BVÖGD ist nach der Konferenz mit der Kanzlerin trotzdem optimistisch. Der Pakt sei ein "historisches Ereignis", und auch die Kanzlerin habe am Dienstag angesprochen, dass es mehr Geld für die Ärzte geben müsse. Der Präsident des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung, warnt dagegen schon einmal davor, dass die Milliarden vom Bund nur ein "Strohfeuer" werden könnten: Die Finanzierung des zusätzlichen Personals müsse "nachhaltig" sein, also "über das Jahr 2026" hinausgehen

© SZ vom 09.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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