Baugesetz:Große Baustelle

Mit der Novelle des Baugesetzbuchs macht die Bundesregierung einen letzten bedeutenden Versuch, die Wohnungsprobleme zu lösen. Vor allem die Städte sollen mehr Macht bekommen. Das sorgt für Ärger - auch in der Koalition.

Von Andreas Remien

Es ist in den vergangenen Jahren schick geworden, komplexen Gesetzen einfache Namen zu geben. Was manchen Ministerien vermeintlich besser gelingt, man denke da zum Beispiel an das Gute-Kita-Gesetz, hat das Bau- und Innenministerium mit dem "Baulandmobilisierungsgesetz" eher nicht so gut hinbekommen. Es ist aber auch kompliziert. Mit dem Vorhaben soll das verstaubte Baugesetzbuch novelliert werden. Dabei geht es keineswegs nur um rechtliche Feinheiten, die für Behörden, Bauunternehmen oder Architekten relevant sind. Es geht auch um die große Frage, wie das Wohnungsproblem in den Städten gelöst werden kann. Wer baut was, wo, und zu welchem Preis? Vor allem das Baugesetzbuch gibt Kommunen dafür die planerischen Instrumente an die Hand. Kein Wunder, dass in Berlin um die Novelle heftig gerungen wird.

Muss der Staat noch stärker in die Wohnungsmärkte eingreifen? Das ist nicht nur eine handwerkliche, sondern auch und vor allem eine politische Frage. Auch deshalb wird, ein Jahr vor der Bundestagswahl, die Diskussion um das neue Baugesetzbuch in Berlin mit zunehmender Aufgeregtheit diskutiert. Aus dem Gesetzentwurf ist nämlich herauszulesen, dass die Bundesregierung dem freien Markt die Lösung der Wohnungsprobleme immer weniger zutraut. Vor allem die Kommunen sollen mehr Rechte bekommen. Da verwundert es nicht, dass Claudia Tausend, Mitglied im Bauausschuss und Münchner SPD-Vorsitzende, mit dem aktuellen Verhandlungsstand recht zufrieden ist. "Da stecken schon sehr viel sozialdemokratische Ideen drin", sagt sie zu einem Papier, das aus dem von Horst Seehofer (CSU) geführten Bauministerium kommt. Dass sie das Baurecht novellieren wollen, hatten die Regierungsparteien schon vorher im Koalitionsvertrag und anschließend in der Baulandkommission vereinbart.

Luxuswohnungen oder Mietshäuser? Städte bestimmen, was gebaut wird

Zu den "sozialdemokratischen Ideen", die nun im Gesetzentwurf gelandet sind, gehören vor allem die neuen, sektoralen Bebauungspläne. Damit können Kommunen Bauunternehmen die Vorgabe machen, günstige Mietwohnungen zu bauen, und zwar nun auch in Gebieten, wo Bauherren bisher frei entscheiden konnten. Das betrifft alle Vorhaben, die nach dem berüchtigten Paragraph 34 des Baugesetzbuchs gebaut werden: In diesen sogenannten 34er-Gebieten ist eine Bebauung in der Regel schon dann zulässig, wenn sie sich in die umliegende Bebauung einfügt. Vereinfacht gesagt: Gibt es eine große Baulücke zwischen zwei viergeschossigen Häusern, darf ein Projektentwickler dort auch ein viergeschossiges Haus bauen. Mit den nun geplanten sektoralen Bebauungsplänen könnte eine Kommune die verbindliche Vorgabe machen, dass dort zu einem bestimmten Anteil preisgedämpfte Mietwohnungen entstehen müssen - das war bisher nur bei der Aufstellung eines neuen Bebauungsplans möglich, wenn also zum Beispiel ein altes Industrieareal in ein Wohngebiet umgewandelt wurde. "Die Städte bekommen damit endlich mehr Einfluss darauf, was gebaut wird", sagt Tausend.

Baustelle der Leuphana-Uni

Besser bauen: In den Städten sollen nicht nur mehr, sondern vor allem günstigere Wohnungen entstehen. Gelingen soll das mit dem "Baulandmobilisierungsgesetz".

(Foto: Philipp Schulze/dpa)

Das neue Mitspracherecht der Kommunen stößt vor allem bei privaten Bauträgern auf massive Kritik. "Damit wird ein zusätzliches, zeitaufwendiges Verfahren geschaffen", klagt Andreas Ibel, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Bisher war Bauen in 34er-Gebieten die einfachste Möglichkeit, neue Wohnungen zu errichten. Mit den sektoralen Bebauungsplänen werde der dringend benötigte Neubau nicht beschleunigt, sondern massiv ausgebremst, kritisieren die privaten Unternehmen. "Mit Baulandmobilisierung hat das nichts zu tun", sagt Ibel. Die kommunalen Spitzenverbände und der Deutsche Mieterbund begrüßen dagegen das neue Instrument und hoffen, dass statt teurer Luxus- nun mehr Mietwohnungen entstehen. "Positiv ist auf jeden Fall, dass die Kommunen zukünftig in diesen Quartieren explizit Flächen für Sozialwohnungen ausweisen dürfen", sagt Hans Maier. Er ist Direktor des Verbandes VdW Bayern, in dem vor allem kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften organisiert sind. Schon lange sei der mangelnde Zugang zu bezahlbarem Bauland eine der größten Hürden für sozial orientierte Unternehmen. Welchen Effekt das neue Instrument aber tatsächlich haben könnte, kann der Verband noch nicht abschätzen. "In der Praxis wird es vor allem auf den Kaufpreis der Grundstücke und auf die Verfahrensdauer ankommen", sagt Maier.

Neben der neuen Möglichkeit, den Bau von günstigen Wohnungen vorzuschreiben, sollen die Kommunen außerdem erweiterte Vorkaufsrechte bekommen. Sie sollen nun unter anderem auch bei Brachflächen und Problemimmobilien den Vorzug erhalten. Außerdem können sie ihr Anliegen mit dem Verweis auf das Gemeinwohl leichter begründen als zuvor. Für Kommunen kann die Ausübung des Vorkaufsrechts allerdings sehr teuer werden. Denn sie treten in der Regel in einen bestehenden Kaufvertrag ein, müssen also das bezahlen, was der private Investor bezahlt hätte. "An diesem Punkt muss der Entwurf noch nachgebessert werden", sagt Tausend, "wir brauchen hier dringend noch eine Preisbremse". Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände schlägt deshalb vor, dass Gemeinden erlaubt werden soll, eine Fläche zum Verkehrswert zu kaufen. Auch der Mieterbund fordert, Kommunen vor einer "Spekulationsblase zu schützen" und die Preise zu begrenzen.

Bis Weihnachten muss das Thema durch sein. Danach herrscht Wahlkampf

Das neue Baugesetzbuch soll nicht nur Kommunen mehr Instrumente an die Hand geben, sondern auch Baufirmen, Eigentümern und Architekten manche Erleichterungen bringen. Dazu gehört zum Beispiel, dass Gebäude einfacher aufgestockt werden können. Aber auch bei den Bauerleichterungen sind manche der geplanten Regelungen hoch umstritten, allen voran eine Vorschrift, die auch weiterhin das Bauen am Ortsrand einfacher macht (§ 13b). Vor allem die Unionsparteien pochten auf das beschleunigte Verfahren. "Wir wollten diese Regelung nicht, weil wir die Gefahr sehen, dass die Ortszentren veröden", sagt Tausend. Experten sprechen in solchen Fällen von einem sogenannten "Donut-Effekt": An den Rändern entstehen neue Siedlungen, meist aus Einfamilienhäusern, in der Ortsmitte dagegen wachsen die Leerstände. Weil neue Flächen versiegelt statt vorhandene genutzt werden, bemängelt neben der Bundesarchitektenkammer auch der Naturschutzbund (Nabu) die geplante Regelung. Sie sei "weder mit Argumenten einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung noch mit Arten- und Umweltschutz in Einklang zu bringen", kritisiert der Nabu. Sehen Gemeinden auf dem Land immer mehr so aus wie Donuts? Kai Wegner (CDU), baupolitischer Sprecher der Unionsfraktion, hält die Kritik für unberechtigt. Denn die Stadt- und Gemeinderäte müssten "zunächst prüfen, ob in der Ortsmitte gebaut werden kann", sagt Wegner. Günstige Baugrundstücke seien außerdem ein wichtiger Faktor, um die Wohnungsmärkte in Ballungsgebieten zu entlasten.

Streit um Mietwohnungen

Wenn die Wohnungen in einem Mietshaus aufgeteilt und einzeln verkauft werden, kann es für den Mieter schnell unangenehm werden. Nach Erfahrungen des Deutschen Mieterbundes erhöhen die neuen Eigentümer häufig die Miete. Im schlimmsten Fall droht eine Kündigung wegen Eigenbedarf. Im Gesetzentwurf zum neuen Baugesetzbuch (BauGB) ist daher ein sogenannter Genehmigungsvorbehalt enthalten: Sollen die Einheiten in einem Mietshaus in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, muss das zukünftig genehmigt werden. Das gilt zumindest in angespannten Wohnungsmärkten. Weil die Genehmigung in vielen Fällen nicht erteilt werden dürfte, sprechen die meisten Experten von einem Umwandlungsverbot. Mieter sollen so davor geschützt werden, aus ihrer Wohnung verdrängt zu werden.

Befürworter wie der Mieterbund und die kommunalen Spitzenverbände hoffen außerdem, dass mit der Regelung Mietwohnungen dauerhaft erhalten bleiben. Kritiker wie Verbände aus der Immobilienbranche bezweifeln dagegen den Nutzen, sehen private Immobilienkäufer benachteiligt und einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht.

Ob und mit welchen Details das Umwandlungsverbot kommen wird, ist derzeit noch ungewiss. Für die SPD ist die geplante Regelung ein wesentlicher Baustein für mehr Mieterschutz. Der Koalitionspartner sieht das allerdings größtenteils anders. Das Umwandlungsverbot sei ein "ideologisches Projekt der SPD", sagt Kai Wegner, baupolitischer Sprecher der Unionsfraktion, "dem werde ich so nicht zustimmen". rem

Welche Regelungen aus dem Entwurf noch auf den Prüfstand kommen, wird sich voraussichtlich in den kommenden Wochen entscheiden. Vor allem in der CDU sind viele Abgeordnete unglücklich mit dem Entwurf. "Die Beteiligung der Länder und Verbände hat viel berechtigte Kritiken ergeben", sagt Wegner, "wir erwarten nun eine Auswertung durch das Bundesbauministerium und eine entsprechende Anpassung." Ein wichtiges Ziel der Baulandkommission sei es gewesen, dass schneller und günstiger gebaut werden könne. "Der Gesetzentwurf erreicht dieses Ziel noch nicht", sagt Wegner. In der SPD ist man dagegen kaum gewillt, an wesentlichen Punkten des Entwurfs zu rütteln. "Wir hoffen, dass wir bis Weihnachten durch sind", sagt Tausend. Danach ist Wahlkampf, nicht nur im Bund, sondern auch in Berlin. Bei einem aufgeheizten Thema wie der Wohnungspolitik sind dann eher keine Kompromisse mehr zu erwarten - auch dann nicht, wenn man ein Vorhaben in deeskalierender Nüchternheit "Baulandmobilisierungsgesetz" nennt.

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