Baustelle in Grünheide:Bei Tesla ist auch die Fabrik das Produkt

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Auch Fotografen durften mit: Blick aus der Drohne auf die Baustelle in Grünheide. (Foto: Sean Gallup/Getty)

Tesla will natürlich alles schneller und schöner machen. Das gilt auch für die Baustelle bei Berlin. Bei einer Führung in Grünheide zeigt der US-Autobauer, wie weit er schon ist - und welches Risiko das Unternehmen eingegangen ist.

Von Jan Heidtmann, Grünheide

Es sind gerade Tesla-Wochen, und einiges daran ist recht gewöhnungsbedürftig. Begonnen hatte die Aufführung in der vergangenen Woche, als Firmenchef Elon Musk Deutschland besuchte. Per Twitter hatte er das knapp angekündigt, die Details seiner Reise blieben so geheim wie das Coca-Cola-Rezept. Tesla-Fans, Bundesminister und Ministerpräsidenten, sie alle durften rätseln, ob er auch bei ihnen vorbeikommt. Als Musk dann bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auftauchte, beim brandenburgischen Landeschef Dietmar Woidke (SPD) oder an der Baustelle in Grünheide nahe Berlin, wo seine vierte Großfabrik entsteht - Musk gelang die Selbststilisierung zu einer Figur zwischen Heiland und Genie.

An diesem Donnerstag dann stellte Tesla in Berlin zwölf Ladestationen vor, Strom für 120 Kilometer Reichweite in nur fünf Minuten. Supercharger heißt das natürlich bei Tesla. Davor, am Mittwoch, hatte das Unternehmen noch zwei Handvoll Journalisten auf die Baustelle in Grünheide eingeladen. Eine Führung rund um den Rohbau, 500 000 Tesla Modell Y sollen hier einmal pro Jahr gebaut werden. Doch das Signal von Transparenz wird durch ein eigentümliches Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit getrübt: Keiner der sechs anwesenden Vertreter von Tesla dürfe mit Namen genannt werden, keiner dürfe direkt zitiert werden, das sei Firmenpolitik. Es gehe um das Produkt, um das Team, aber nicht um den Einzelnen. (Es sei denn, er heißt Elon Musk.)

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Schließlich lässt sich wenigstens der Leiter des Bauprojekts seinen Namen entlocken: Evan Horetsky, ein gelassener und sympathischer Mittdreißiger, Chef der rund 100 Tesla-Mitarbeiter, die derzeit hier arbeiten. Horetsky war bereits bei Teslas Fabrikbauten in Reno im US-Bundesstaat Nevada und in Shanghai in China mit dabei. Nun wolle er mal etwas zur Ruhe kommen, sagt er, deshalb habe er sich für fünf Jahre in Grünheide verpflichtet. Das Haus in den USA sei verkauft und eine Wohnung in Berlin gefunden.

Das ist auch deshalb interessant, da Tesla in Grünheide derzeit auf eigenes Risiko baut. Die endgültige Genehmigung steht noch aus, Ende des Monats werden die Bedenken der Bürger gegen den Bau öffentlich verhandelt. Dazu gehört vor allem der enorme Wasserverbrauch der Fabrik. Wie der gedeckt werden soll, ist noch unklar. Dennoch wird die Lizenz zum Bauen für den Herbst erwartet, bis dahin arbeitet Tesla mit Ausnahmegenehmigungen. Sollte der Bau aber abgelehnt werden, müsste Tesla den Urzustand des Geländes wiederherstellen. Angesichts dessen, was dort bereits steht, erscheint das fast unmöglich.

Die Grundanlage hat die Form eines Diamanten

Im Februar hatte Tesla Kiefernwald auf einer Fläche von mehreren Fußballfeldern roden lassen. Jetzt sind dort die Fundamente für die Montagehalle und das Presswerk gelegt. Das Gebäude für die Lackiererei ist fertig, und an der Stelle, an der einmal die Antriebsstränge gefertigt werden sollen, prangt an der Betonwand schon die Fassade. Kühle, grau-beige Blenden, die wenig einladend wirken. Für Horetsky ist auch die Fabrik ein "Produkt". Im Design seien sich alle Gigafactorys ähnlich, die Grundanlage hat die Form eines Diamanten. Aber Grünheide werde das beste Produkt, sagt er, also die beste der Tesla-Fabriken.

Das ungewöhnliche Nebeneinander von nichtfertig, halbfertig und fertig hat auch einen Grund, wie einer der Mitarbeiter erzählt. Man lerne beim Bau ständig dazu, deshalb würden erst die kleineren Gebäude fertiggestellt, um die dort gemachten Erfahrungen beim Bau der größeren zu nutzen. Während des Rundgangs schält sich dann auch heraus, welche Rohstoffe die beiden wichtigsten für Tesla sind. Der eine ist Innovation. So bringe Tesla anders als in der Autobranche üblich nicht alle paar Jahre eine überarbeitete Version einer Baureihe heraus. Sinnvolle Neuerungen würden sofort in die Montage einbezogen. Entsprechend flexibel müsse auch die Fabrik sein. Der Drang nach Innovation sei es auch gewesen, dass sich Tesla von den rund einhundert denkbaren Standorten für Grünheide entschieden habe. Der "Talent-Pool" in Berlin sei besonders groß.

Der zweite Rohstoff heißt Zeit. Damit geht Tesla sehr sparsam um. Sie überlegten ständig, wie sie schneller werden könnten, sagt Horetsky. So habe das Team dadurch, dass erst die kleinen Gebäude fertiggestellt würden und dann die großen, bereits ein paar Tage Bauzeit "rauspressen" können. Tatsächlich ist in Grünheide fast alles im Zeitraffer geschehen. Trotz Corona verging kaum eine Woche, in der nicht Fledermäuse umgesiedelt, Bäume gerodet oder erste Pfähle in den Boden gerammt wurden. In Shanghai hat Tesla elf Monate gebraucht, um die Fabrik fertigzustellen. Daran wolle er sich nicht messen, sagt Horetsky. Was aber sicher sei: Die ersten Autos liefen hier noch vor Juli 2021 vom Band.

Elon Musk, der Supercharger und die Gigafactory - die Tesla-Wochen wirkten ziemlich übertourt und doch auf eine kuriose Weise überzeugend.

© SZ vom 11.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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