SZ-Serie: "München natürlich":Der Fuchs ist faul und nicht wählerisch

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Was das Essen angeht, sind Rotfüchse überhaupt nicht wählerisch. (Foto: Sven Meurs)

Neun Mäuse oder ein Cheeseburger - das reicht dem Rotfuchs als Mahlzeit. In der Großstadt fühlt er sich wohl, weil er nicht weit laufen muss, um seine Tagesration an Kalorien zu finden.

Von Thomas Anlauf

Auf einer Wiese entdeckt der Fuchs eine Schar Gänse - ein gefundenes Fressen, findet er. Das Federvieh schnattert aufgeregt und eine Gans bittet, dass alle vor ihrem Ableben noch beten dürfen. Das schlägt der Fuchs nicht aus. Und wie die Gebrüder Grimm im Märchen erzählen, wird es ein nie endendes Gänse-Gebet. Diese Geschichte kann sich so allerdings niemals im heutigen München abgespielt haben. Denn so blöd ist hier kein Fuchs. Schließlich gibt es Cheeseburger.

"Rotfüchse sind überhaupt nicht wählerisch", sagt Martin Hänsel. Hauptsache die Energiezufuhr stimmt: Das wären als Menü pro Tag neun Mäuse, eine Ratte oder eben ein fetter Cheeseburger, rechnet der stellvertretende Geschäftsführer beim Bund Naturschutz (BN) in München vor. Und wozu sollte er sich in der Großstadt, in der es doch überall Mülltonnen gibt und viele Menschen ihre Essensreste einfach wegwerfen, groß anstrengen? Neue Fuchsforschungen haben ergeben, dass sich der Rotfuchs ( Vulpes vulpes) in der Stadt nur so viel wie nötig bewegt, auf dem Land hingegen muss er schon mal 14 Kilometer durch die Gegend streifen, um genügend Nahrung zu finden.

Martin Hänsel, stellvertretender Geschäftsführer des Bund Naturschutz in München. (Foto: Stephan Rumpf)

Weil aber der Fuchs ein relativ fauler Hund ist - er gehört trotz seiner katzenhaften Bewegungen zu den Hundeartigen -, fühlt er sich in einer Stadt wie München ziemlich wohl. Zwischen drei- und viertausend Füchse leben unter uns, schätzt Naturschützer Hänsel: "Er steuert gezielt verschiedene Nahrungsquellen an, um die Plätze nicht zu übernutzen." Lange Zeit dachte man, dass Füchse Einzelgänger sind. Doch das stimmt nicht, sie leben in Familienverbünden. Vor allem die jungen Weibchen bleiben häufig länger als nötig bei den Eltern, sie helfen dann wie Ammen bei der Betreuung der Neugeborenen mit. Denn die sind zunächst ziemlich hilflos. Die ersten zwei Lebenswochen haben sie die Augen geschlossen und verlassen erst nach einem Monat den Bau, um die Welt zu erkunden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, wenn die Welpen neugierig werden, sucht ein weiterer Bewohner der Familienunterkunft das Weite: Füchse ziehen gerne in bewohnte Höhlen ein; es gibt Fälle in denen Füchse sogar mit Brandgänsen und Dachsen gemeinsam wohnen. Burgfrieden nennt man das. Der Dachs toleriert zunächst die neuen Nachbarn, doch die Jungen scheinen ihn dann doch zu nerven.

Als in den Siebzigerjahren in Deutschland die Angst vor der sich ausbreitenden Tollwut wuchs, wurden die Füchse nicht nur massiv gejagt, sondern auch mit Gas in ihrem Bau getötet. Doch damit trafen die Jäger meist den Falschen: Denn während die flinken Füchse sich häufig noch aus einem Seitenausgang retten konnten, erstickten die Dachse. So wurden in Deutschland nicht nur die Tollwut ausgerottet, sondern beinahe auch die Dachse. Deren Population hat sich zum Glück wieder etwas erholt, nachdem die Behörden Impfstoffe statt Gas gegen Tollwut einsetzten. Und die Füchse vermehren sich auch weiterhin ziemlich ungehindert, dank ihrer extremen Anpassungsfähigkeit. Zwar gelten sie als scheu, aber auch als ziemlich neugierig. Wenn man einen Rotfuchs auf Bahngleisen oder Baumstämmen balancieren sieht, hat das jedoch nicht mit ihrem Spieltrieb zu tun, sondern damit, dass sie gern den Überblick behalten und schon von Weitem sehen, ob Gefahr droht oder Fressen in Reichweite ist. "Rotfüchse sehen zwar schlechter als wir, aber sie riechen und hören extrem gut", sagt Martin Hänsel.

Auf der Jagd legt der Fuchs gern den Kopf schräg, dadurch kann er seine potenzielle Beute besser hören und orten. Ist das Opfer gefunden, setzt der Fuchs wie eine Katze zum Mäusesprung an. Und der Hüpfer muss sitzen. Denn im Gegensatz zur Katze hat er keine scharfen Krallen, mit denen sie die Beute packt. Eine im Mai von Kevin Parsons von der University of Glasgow und seinen Kollegen vorgestellte Studie, wonach britische Stadtfüchse kürzere Schnauzen haben als die in den Wäldern, haben Experten in München so noch nicht beobachtet. Denn bislang scheinen sich die Umlandfüchse mit Münchner Füchsen stark genetisch zu mischen. Trotzdem wäre der Trend langfristig logisch: Ein Fuchs im Wald braucht eine längere Schnauze auf der Jagd nach einer flinken Maus als ein Münchner Fuchs, der im Englischen Garten ein Stück Pizza findet.

© SZ vom 11.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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