Klimaschutz-Vorstoß:Peter Altmaier macht auf grün

Klima- und wirtschaftspolitische Vorschlaege des Bundeswirtschaftsministers in Berlin Aktuell, 11.09.2020, Berlin, Pete

Zwischen Industriepolitik und Klimaschutz: Peter Altmaier zieht Bilanz.

(Foto: imago images)

Die neuen Klima-Pläne des Ministers sind ehrgeizig. Manche sehen ihn schon als möglichen "Ludwig Erhard der Klimawende". Wie ernst Altmaier es meint, kann er schon nächste Woche zeigen - dank der EU-Kommission.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

Peter Altmaier kommt abgekämpft durch die Tür. Zwei Treppen hat er hinter sich, plus eine halbe Nacht am Schreibtisch. Letzte Hand wollte er da noch anlegen an sein Klima-Manifest: den Aufruf "für Klimaneutralität und Wohlstand". Und als Altmaier verschnauft hat, klingt er plötzlich wie in alten Zeiten, als er nicht Wirtschafts-, sondern Umweltminister war. "Viele Menschen, denen das Klima wichtig ist, haben wir enttäuscht", sagt der CDU-Mann. Und er geht noch weiter: "Das Klima muss als vorrangige Aufgabe definiert werden." Schließlich gehe es um "die entscheidende Frage unserer Zeit".

Es ist eine bemerkenswerte Wende, denn bei Klimaschutz dachte Altmaier in der Vergangenheit vor allem an Belastungen für die Wirtschaft. Nun aber will er beides versöhnen, mit einer partei- und fraktionsübergreifenden "Charta für Klimaneutralität und Wirtschaftskraft" - und das noch vor der Bundestagswahl. Insgesamt 20 Vorschlägen hat er in der Nacht davor den letzten Schliff gegeben. Zu allen Punkten habe er sich "sehr viele Gedanken gemacht", sagt Altmaier.

Neben der Charta möchte er genaue Pfade beschreiben, wie sich bis 2050 die Klimaneutralität erreichen lässt. Der Staat soll Garantien sowohl für die Erreichung von Klimazielen als auch für die Wirtschaftskraft geben - etwa durch die Abwendung von Wettbewerbsnachteilen. Ein fester Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts soll für Klima und Umbau der Wirtschaft zur Verfügung stehen. Die Rolle von CO₂-Preisen soll wachsen. Selbst einen eigenen "Klima- und Wirtschaftsrat" will Altmaier in seinem Haus einrichten. Ziemlich viele Vorhaben für eine Legislaturperiode, die gerade noch ein gutes Jahr dauert. "Wenn er die Idee zwei Jahre früher gehabt hätte, hätten wir uns manche Streiterei ersparen können", sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Nun aber freue sie sich auf den Rückenwind.

Ähnlich klingen Umweltverbände und Experten wie Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. "Wenn aus diesen Worten wirklich Taten werden, hat er die Chance, als ein Ludwig Erhard der Klimawende in die Geschichtsbücher einzugehen", sagt Edenhofer.

Auch die EU-Kommission schärft ihre Pläne für den Klimaschutz

Der erste Test steht unmittelbar bevor. Nächste Woche will die EU-Kommission ihre Pläne für den Klimaschutz vorlegen. Sie hatte überprüft, welches Klimaziel sich bis 2030 wie erreichen lässt, und peilt nun internen Papieren zufolge eine Minderung der europäischen Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 an - bisher waren 40 Prozent eingeplant. Das geht aus einem 23-seitigen Dokument zu den Klimazielen für 2030 hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die EU müsse die Ziele erhöhen. Je weniger die EU bis 2030 tue, desto härter müssten die Einschnitte nach 2030 werden.

Im Zentrum des Plans steht der Verkehrssektor. 2030 sollen Neuwagen im Schnitt nach bisherigen Plänen 37,5 Prozent weniger CO₂ ausstoßen. Die EU will diesen Wert nun auf 50 Prozent erhöhen. Das ginge nur, wenn der Umbau hin zur Elektromobilität noch mal beschleunigt würde. Zudem könnten der Gebäude- und der Verkehrssektor in das europäische Emissionshandelssystem integriert werden, was etwa den Treibstoff für Benziner oder Diesel deutlich verteuern könnte. Bis Juni 2021 soll der Vorschlag ausgearbeitet werden.

Die Autoindustrie ist über solche Pläne entsetzt. "Wir stehen zu den vereinbarten, sehr ambitionierten Zielen", erklärte der VDA am Freitag. "Eine weitere Zielverschärfung bis 2030 lehnt die deutsche Autoindustrie allerdings entschieden ab." Sie berücksichtige in keiner Weise den dramatischen Konjunktureinbruch und die Folgen von Corona, die die Industrie zusätzlich zu den Kosten des Umbaus hin zu neuen Antrieben unter Druck setze.

Die Nichtregierungsorganisation Transport and Environment kritisierte die Pläne dagegen als zu schwach. Das Reduktionsziel müsse über 50 Prozent steigen, sagte Deutschland-Direktor Stef Cornelis. Es reiche bei Weitem nicht aus, den Verkehr in das Emissionshandelssystem einzubeziehen.

"Den Verkehr in den Emissionshandel zu integrieren, wird kaum Emissionen einsparen und nur den Treibstoffpreis nach oben treiben", warnt Cornelis.

Altmaier selbst bleibt an diesem Freitag vorsichtig, was die Emissionen von Autos angeht. Schon die derzeitigen Grenzwerte würden von vielen Autoherstellern für "sehr schwer erreichbar" gehalten, weiß auch er. Dennoch seien sie aber demokratisch verabschiedet worden. Im Übrigen habe er schon vor Längerem mit EU-Kommissions-Vize Frans Timmermans über das Thema gesprochen. "Er hat mir zugesagt, dass er vor konkreten Vorschlägen noch einmal auf mich zukommt", sagt Altmaier. "Ich bin auch immer erreichbar."

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