Traditionelle Wirtshäuser:Wilde Anfangszeiten

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Der Höherwirt in Frauenneuharting hatte zwei Jahre keine Genehmigung. Mittlerweile gibt es das Bier aus der Flasche, das Essen kommt aus einer kalten Küche - ganz offiziell. Das mehr als 500 Jahre alte Bauernhaus, in dem das Lokal zu Hause ist, lässt keine andere Schanklizenz zu

Von Johanna Feckl

Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis das Gewerbeamt vor der Tür von Rosi und Hans Weigl stand. Nachdem die Eheleute ihren Viehbetrieb 1999 endgültig aufgegeben hatten, wandten sie sich der Gastronomie zu. Der Höherwirt im Frauenneuhartinger Ortsteil Höhenberg im Landkreis Ebersberg öffnete seine Pforten - nur eben nicht offiziell. Angemeldet hatten die Weigls ihr Gastrogewerbe nämlich nicht. Hans Weigl, der vor sechs Jahren gestorben ist, ging da wohl recht pragmatisch an die Sache heran, so könnte man es wohl am besten bezeichnen.

"Er hat gesagt, wir machen das jetzt einfach mal und zwar so lange, bis es eben gut geht", so seine 71-jährige Witwe Rosi. Gut gegangen ist es zwei Jahre lang, im Jahr 2001 war es dann schließlich doch so weit: Das Gewerbeamt klopfte an, der Höherwirt wurde geschlossen. Lange währte dieser Zustand aber nicht. Noch im selben Jahr konnten die Weigls ihre Wirtschaft wieder eröffnen - dieses Mal ganz offiziell.

"So lange es geht, lassen wir es mal so - und wenn's scheppert, dann machen wir es eben anders!" Eine Art Lebensmotto von Hans Weigl. So formuliert es Rosi Lemke, eine seiner Töchter und seit Januar 2019 die Wirtin vom Höherwirt - benannt übrigens nach dem Ortsteil Höhenberg, in dem sich Gaststube und Biergarten befinden, und nicht etwa nach dem Nachnamen der Wirtsleute, wie bis heute viele denken. Eigentlich war Lemkes Vater Landwirt. Er erbte den Hof in Höhenberg. Bis heute besteht der gesamte Ortsteil nur aus der Familie Weigl; ein älteres Wohnhaus, in dem Rosi Weigl sowie Rosi Lemke und deren Familie leben, ein Neubau, in den eine der Schwestern der Wirtin einziehen wird, und eben das alte Landwirtschaftsgebäude. Der Bestand dieses Hauses, in dem sich heute Gaststube, Küche, Toiletten und Lagerräume befinden, führt laut Rosi Weigl bis ins Ende des 15. Jahrhunderts zurück, es steht unter Denkmalschutz. Im Familienbesitz ist es seit etwa 1899, als die Ururgroßmutter von Wirtin Rosi Lemke in die Bauersfamilie eingeheiratet hat.

Hans Weigl war der älteste Sohn; zur damaligen Zeit stand es nicht zur Diskussion, dass er die Landwirtschaft nicht übernehmen und stattdessen einen anderen Beruf ergreifen könnte. "Der Papa war aber nie gerne Landwirt", sagt seine Tochter Rosi Lemke. Als es immer schwieriger wurde, allein mit dem Hof über die Runden zu kommen, beschlossen die Weigls, ihre Landwirtschaft aufzugeben. Von der Idee, stattdessen eine Wirtschaft zu etablieren, war Rosi Weigl nicht unbedingt begeistert. Schon damals, im Jahr 1999, haben immer mehr Gastronomien in der Region schließen müssen. Und: "Ich war eine Bäuerin", sagt die 71-Jährige. Wie man eine Gaststube betreibt, davon hatte sie keine Ahnung. Aber Hans Weigl war überzeugt von dem Plan und setzte sich durch. "Mei, das war halt mein Mann!" Rosi Weigl lacht. Heute ist der Höherwirt neben dem Bräustüberl Stachet die letzte Gaststätte in ganz Frauenneuharting.

Als das Ehepaar sein Lokal schließen musste, war die Frage zunächst groß, wie es weiter gehen soll. Das Wirtshaus steht unter Denkmalschutz - die notwendigen baulichen Veränderungen, um eine Schanklizenz zu erhalten, standen damit im Konflikt. So ist zum Beispiel für den Betrieb einer Küche mit Dunstabzug eine bestimmte Deckenhöhe Pflicht. In dem alten Bauernhaus sind die Räume dafür zu niedrig, ein entsprechender Umbau wegen des Denkmalschutzes ist nicht möglich. Eine Lösung haben die Weigls dann aber doch gefunden, nämlich eine eingeschränkte Schanklizenz. Die von den Behörden vorgeschriebenen Bedingungen dafür waren nämlich erfüllbar.

Das Nötigste, sozusagen, wurde also umgebaut, damit die Weigls für ihr Lokal eine begrenzte Genehmigung erhielten: Getränke dürfen nur in Flaschen serviert werden - eine gezapfte Halbe sucht man vergebens. Und die Küche ist kalt, aber der typisch bayerische Gourmet wird deshalb nicht weniger glücklich. Von Wurstsalat, Presssack, einem gemischten Brotzeitteller hin zu belegten Broten oder einer Portion kalten Braten - all das und noch mehr gibt's beim Höherwirt. Nicht zu vergessen Kaffee und selbst gemachte Kuchen von Wirtin Rosi Lemke. Oft kommt der Belag dafür aus dem eigenen Garten, zum Beispiel beim Zwetschgendatschi oder bei Apfel- und Birnenkuchen. In jedem Fall achtet Lemke darauf, dass saisonales Obst auf ihren Kuchen landet. An den Wochenenden, wenn der Höherwirt meistens die aktuell neun Biertischgarnituren auf der Terrasse bis auf den letzten Platz besetzt sind, backt die 46-Jährige mindestens zwei verschiedene Kuchen. Drinnen gibt es noch eine kleine Gaststube mit vier Tischen. Im Moment läuft der Höherwirt aber beinahe ausschließlich über den Biergarten.

Mittlerweile findet man das Angebot an Speisen und Getränken auch auf einer Karte. Das war früher anders. "Ah ja, aber da hat ja auch nie jemand danach gefragt", sagt Rosi Weigl. Stammgäste haben sowieso gewusst, was der Höherwirt zu bieten hat, und neue Gäste haben eben einfach gefragt. Nur auf einem Aushang an der Eingangstür waren ein paar Dinge aufgelistet. Wann genau eine Karte eingeführt wurde, daran können sich weder Rosi Weigl noch ihre Tochter erinnern. Vor sechs Jahren ungefähr. Vielleicht waren es aber auch 13. Oder zehn. Irgendwann eben.

Zu Beginn, als der Höherwirt nur dem Hörensagen nach existierte, gab es das Bier für 1,50 Mark. Eine richtige Kasse hingegen gab es nicht, das Bezahlen lief auf Vertrauensbasis: Jeder warf den Geldbetrag für die konsumierten Getränke eigenständig in ein Schachterl - oder sollte es zumindest. So richtig funktioniert hat das System nicht. Deshalb begannen Rosi und Hans Weigl irgendwann, zu kassieren. Eine gewisse Vertrauensbasis aber ist bis heute geblieben. Rosi Lemke führt kein elektronisches Kassensystem, in das jede Bestellung aufgenommen und beim Bezahlen automatisch eine entsprechende Rechnung erstellt wird. "Mir muss halt jeder beim Bezahlen sagen, was er gehabt hat", sagt die 46-Jährige. Und dieser Tage klappt es mit dem Vertrauen.

© SZ vom 14.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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