Berufswahl:Frau am Bau

Janson

Jule Janson ist Beton- und Stahlbetonbauerin – und Preisträgerin.

(Foto: ZDB/Reidel)

Erst seit 1994 dürfen Frauen laut Gesetz in ganz Deutschland auf einer Baustelle arbeiten. Trotzdem gibt es in der Branche noch immer wenig weibliche Arbeitskräfte. Ingenieurinnen und Handwerkerinnen erzählen, wie sie es geschafft haben.

Von Steffen Uhlmann

Anne Ach, 35, ist eine Frühaufsteherin. In der Regel kurz nach sieben Uhr sperrt sie ihre Bürotür auf, schaltet dann den Computer an, checkt erst einmal die eingegangen E-Mails und macht danach ihre Baustellenrunde. Das kann dauern, weil auf so einer Baustelle vieles im Fluss ist, Gewerke neben- oder nacheinander, bisweilen auch gegeneinander zugange sind. Der Organismus Bau verändert sich ständig, läuft mal wie geschmiert, funktioniert mal chaotisch, auf der Baustelle ist fast kein Tag wie der andere.

Die Bauingenieurin muss da die Nerven und zugleich auch die Zügel fest in der Hand behalten. Schließlich steuert sie als Projektleiterin ganz direkt den gesamten Bauablauf. Über ihr sitzt nur noch der Oberbauleiter. Unter und mit ihr wiederum arbeiten Bauingenieure, Poliere und natürlich die Bauarbeiter selbst, deren Zahl von der Größe des Objekts abhängt. "Derzeit", sagt sie, seien das etwa 150 Leute. "Aber das werden jetzt immer weniger, weil wir mit dem Bau fast fertig sind." Das macht die Projektleiterin auch gelassener, weil sich nun nötige Bau- und Terminabsprachen in Grenzen halten und weil Anne Ach jetzt auch mal ein paar besinnliche Momente hat. An dem 50 Meter hohen Bürogebäude in der neuen Westberliner City sind die Gerüste schon abgebaut. "Das Haus passt hierher", sagt Ach. "Eine ordentliche Arbeit ist das."

In den alten Bundesländern durften Frauen bis 1994 nicht im Bauhauptgewerbe arbeiten

Ordentliche Arbeit will auch Melanie Horgas, 41, abliefern. "Und die liefern wir auch", sagt Horgas, die seit vielen Jahren Berlins einzige Fliesenmeisterin ist. Kurz nach ihrer Meisterprüfung hat sie sich 2006 selbständig gemacht - mit einem Ein-Frau-Unternehmen, wie sie lächelnd sagt. Mittlerweile aber hat sie ein knappes Dutzend Mitarbeiter und sich einen Namen in der Branche gemacht. Ihr Betrieb wird gesucht und gern gebucht, wenn Bäder ein komplett neues und vor allem modernes Gesicht erhalten sollen, dazu knifflige Umbauten nötig sind und Kreativität gefragt ist. "Die Qualität muss rundum stimmen, darauf achte ich penibel", sagt sie. "Und das schaffen meine Leute auch. Ansonsten würden wir von unseren Kunden nicht ständig weiterempfohlen." Das mache sich bezahlt, weil nach dem Wegfall der Meisterpflicht immens viele Schludereien in der Fliesenlegerbranche aufgekommen seien. "So ist die Behebung von Wasserschäden noch immer ein gut bezahltes Geschäft für uns", sagt die Meisterin, die dennoch froh ist, dass nun die Meisterpflicht wieder eingeführt worden ist. "Vielleicht ist das ja auch ein Anreiz für junge Frauen, in unsere Branche einzusteigen."

Nicht nur Fliesenmeisterin Horgas, sondern die gesamte Branche hofft, dass Frauen am Bau bald keine Seltenheit mehr sind. Noch aber interessieren sich Mädchen nach wie vor eher für eine Ausbildung zur Kauffrau oder Friseurin als für einen Bauberuf. Nicht zuletzt weil immer noch die Arbeit auf dem Bau nach altem Muster als laut, schwer und dreckig verschrien ist und damit auch als reine Männerdomäne gilt. Die Meinung hält sich hartnäckig. Noch bis 1994 galt in den alten Bundesländern ein gesetzliches Beschäftigungsverbot für Frauen im Bauhauptgewerbe. Nach dem Wegfall des Verbots aber vollzieht sich der Einzug der Frauen auf dem Bau freilich nur im Schneckentempo. Von den etwa 850 000 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe sind nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit zwischen zehn und 15 Prozent Frauen. Dabei sind sie am häufigsten in den Bereichen Architektur, Bauingenieurwesen, Kalkulation Vermessung und Kartografie anzutreffen. Womit auch klar ist, dass die wenigsten von ihnen - höchstens 1,5 Prozent - direkt auf dem Bau zu tun haben.

Während sich der Anteil der Frauen bei höher qualifizierten Bauberufen wie Architekt oder Bauingenieur stetig erhöht, dümpelt der Frauenanteil im Handwerk beziehungsweise in den Bereichen Tief- und Hochbau bei ein bis drei Prozent vor sich hin - Tendenzwende nicht in Sicht. Dabei gibt es inzwischen fast 200 verschiedene Ausbildungsberufe im Bau - vom Holz- und Bautenschützer über den Maler und Stuckateur bis hin zum Kran- oder Baugeräteführer. Trotz wachsenden Interesses unter jungen Frauen an solchen Berufen geht die Bundesanstalt für Arbeit davon aus, dass Frauen auf absehbare Zeit hauptsächlich an der Bauplanung beteiligt sein werden, als dass sie direkt auf dem Bau beschäftigt sind. So sind denn auch von den derzeit 40 000 Azubis am Bau nur knapp sieben Prozent weiblich.

"250 Jungs gegen uns drei Mädels. Die wollten uns einfach weghaben."

Für Anne Ach, die aus einem kleinen Ort bei Trier stammt, stand frühzeitig fest, dass sie einmal auf dem Bau landen wird - freilich als Ingenieurin. Ihr Vater, der Maurermeister ist, habe sie darin bestärkt, diesen Weg zu gehen. Zunächst allerdings wurde sie Bauzeichnerin, holte dann das Fachabitur nach und schrieb sich schließlich an der Fachhochschule in Trier ein. "Eigentlich wäre ich gern Architektin geworden", gesteht sie. "Aber dafür fehlte mir wohl das Kreative." Also dann ein Bauingenieurstudium in Trier, zusammen mit 50 Männern und weiteren fünf Frauen. "Mit mir haben nur noch zwei von den sechs Frauen das Studium durchgehalten", sagt sie. Ach bewarb sich 2010 bei dem großen Baudienstleister Züblin AG, der sie in sein Nachwuchs-Ingenieur-Programm aufnahm und sie nach Berlin schickte. Das war im Oktober 2010. "Alles richtig gemacht", sagt sie. "Ich bin in der Stadt und im Unternehmen bald angekommen." Und doch will sie jetzt noch weiter: sich zum Oberbauleiter qualifizieren, mit ihrem Freund eine größere Wohnung beziehen und natürlich noch jede Menge Häuser bauen.

Melanie Horgas

Melanie Horgas ist Fliesenmeisterin, die einzige in Berlin. Sie hat sich selbständig gemacht.

(Foto: privat)

Auch Melanie Horgas fühlt sich angekommen. In der Stadt sowieso, schließlich ist sie in Berlin-Reinickendorf aufgewachsen und immer dort geblieben. Angekommen ist sie auch im Job, der sie ganz ausfüllt und viel Freude bereitet. Nur war ihr Weg dahin alles andere als leicht. Ihr Onkel, der eine Straßenbaufirma führt, hatte sie zwar in ihrer Berufswahl bestärkt. Doch fiel es ihr immens schwer, sich gegen die männlichen Azubis auf dem Lehrbauhof durchzusetzen. "250 Jungs gegen uns drei Mädels", sagt sie. "Die wollten uns einfach weghaben." Prompt ist sie auch bei der Gesellenprüfung 1999 durchgefallen. Ein halbes Jahr später, im Februar 2000, aber hielt sie den Gesellenbrief in der Hand und begann wenig später auch noch ihre Meisterausbildung. "Seit 2006 bin ich Meister und selbständig", sagt sie. "Ziemlich erfolgreich, versteht sich."

Fachkräftemangel, überalterte Belegschaften, fehlender Nachwuchs, steigende Anforderungen hinsichtlich Qualität und Quantität am Bau fordern die Firmen mehr und mehr heraus. Die Chancen für Frauen für eine berufliche Karriere im Baugewerbe sind enorm gewachsen. Doch ob sie bestehende Mängel beseitigen und Lücken schließen können, hängt sehr davon ab, wie Unternehmen Chancengleichheit für Frauen sichern, offen für die beruflichen wie familiären Belange der Frauen sind und dafür geeignete Rahmenbedingungen schaffen. Jule Janson, 21, aus Pforzheim hat sie beim Bauunternehmen Heinrich Ross allemal gefunden. Der Familienbetrieb hat ihr alle Chancen gegeben, in der, wie sie sagt, "komplett männerdominierten Branche erfolgreich zu sein". Und wie: Die zierliche Beton- und Stahlbetonbauerin wurde im vergangenen Jahr Siegerin im bundesweiten Berufswettbewerb ihrer Sparte. "Ich habe mich im Finale gegen neun allesamt männliche Konkurrenten durchgesetzt", sagt sie selbstbewusst. Und bekennt zugleich, dass sie auf dem Bau noch weiter vorankommen will - demnächst als Ingenieurin. Das Studium dafür hat sie gerade in Karlsruhe begonnen.

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