Hörspiel:Fliegende Teppiche

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"Überweben" ist ein luftleichtes Hörspiel nach Briefen der libanesischen Schriftstellerin Etel Adnan.

Von Stefan Fischer

Die libanesische Schriftstellerin Etel Adnan ist mittlerweile 95 Jahre alt. Hierzulande wurde sie jedoch erst in den vergangenen zehn Jahren so richtig entdeckt sowohl vom Buchmarkt als auch vom Hörfunk. Klaudia Ruschkowski hatte 2008 einen ersten Text von ihr fürs Radio inszeniert, gemeinsam mit Jean-Claude Kuner: Schiff im Sturm Berg Mond Meer ganz und gar schwerelos. Dieser Titel gibt eine erste Ahnung von der poetischen, teilweise lyrischen Prosa Adnans.

Nun hat Ruschkowski wieder einen Text Etel Adnans fürs Radio bearbeitet, wieder für DLF Kultur, diesmal allerdings gemeinsam mit der Regisseurin und Komponistin Ulrike Haage. Überweben basiert auf Briefen, die Adnan 1968 aus Kalifornien, wo sie seinerzeit Philosophy of the Arts am San Rafael College unterrichtet hatte, an eine Freundin in Beirut schrieb. Jener Stadt, in der sie geboren und aufgewachsen ist und in die sie immer wieder zurückgekehrt ist. In Adnans Kindheit wurde der Libanon noch von Frankreich kontrolliert, die Schriftstellerin hat ihre ersten literarischen Texte in französischer Sprache veröffentlicht, später schrieb sie auch auf Englisch.

Etel Adnan ist in der Kultur des Nahen Ostens verwurzelt, aber durch Studien- und Arbeitsaufenhalte in Frankreich und den USA auch vertraut mit europäischer und amerikanischer Kultur. Vordergründig beschreibt Überweben das Handwerk des Webens, in einer ursprünglichen Form, und wie diese Technik Kunststudentinnen vermittelt wird, wozu auch gehört, Farben aus Naturstoffen herzustellen und Webrahmen aus Fundstücken zu bauen. Schon das ist eine erste Überschreibung der Tradition.

In den Briefen schimmern - zwischen den Zeilen - noch weitaus vielfältigere Formen der Transformation und des Verwebens durch. Das Hörspiel thematisiert auch die Differenz zwischen nahöstlicher und amerikanischer Wahrnehmung. Es geht darüber hinaus um kulturelle Umbrüche in der kalifornischen Gesellschaft der Sechzigerjahre. Und um das, was heute Nachhaltigkeit heißt.

Eingewoben ist den sensiblen, leisen Texten auch Ulrike Haages Musik, die so dezent ist wie die Literatur, und doch ausdrucksstark. Ein Coup ist die Besetzung: Ilse Ritter, die in Hörspielen kaum vertreten ist, findet in Überweben einen Ton, der das Geerdete und zugleich das Luftleichte von Etel Adnans Sprache wunderbar verbindet. Ihr zur Seite stehen Valery Tscheplanowa und August Diehl, ätherisch und doch unverrückbar präsent auch sie. Gemeinsam erschaffen sie ein bemerkenswert sinnliches Hörspiel.

Überweben , DLF Kultur, Sonntag, 18.30 Uhr.

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