BGH-Urteil:Familie darf geklautes Wohnmobil behalten

BGH verkündet Urteil zu Sampling

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe musste in einer verzwickten Fall entscheiden, wer der rechtmäßige Eigentümer eines Wohnmobils ist.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Das Fahrzeug war bei einer Probefahrt von einem bislang nicht gefassten Täter gestohlen und an ein Ehepaar aus Hessen verkauft worden. Das Autohaus forderte es zurück.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Manchmal hängt das Glück an einem einzigen Wort. Im Falle eines hessischen Ehepaares, das sich so sehr über den günstigen Kauf eines kompaktes Campmobils gefreut hatte, war es das Wort "abhandenkommen". Ein Begriff, der ein wenig aus der Mode gekommen ist, aber er steht im Bürgerlichen Gesetzbuch: Man kann kein Eigentum an einer Sache erwerben, die dem Eigentümer "abhandengekommen" ist. Auch dann nicht, wenn man sie im "guten Glauben" gekauft hat, dass alles mit rechten Dingen zugehe. Weil das Campmobil aber aus einem Autohaus stammte, dem es ein ziemlich professioneller Krimineller bei einer Probefahrt abgeluchst hatte, musste der Bundesgerichtshof (BGH) nun über die Frage entscheiden: Ist das Auto dem Händler "abhandengekommen"? Ist eine Probefahrt ohne Wiederkehr nichts anderes als der Autodiebstahl vom Hof? Oder ist ein Autohaus am Ende ein bisschen selbst schuld, wenn es solchen Tricks auf den Leim geht?

Es war vor ziemlich genau drei Jahren, als sich der Mann in dem norddeutschen Autohaus als Kaufinteressent vorstellte. Alles sah seriös aus, italienischer Pass und Führerschein, Meldebestätigung in Deutschland - sehr professionell gefälscht, wie sich später herausstellen sollte. Der Verkäufer kopierte alles, ließ sich eine Handynummer geben und übergab ihm eine Kopie des Fahrzeugscheins. Eine Stunde sollte die Probefahrt dauern, der Mann rief von unterwegs sogar noch an, er werde sich verspäten. Dann war er weg und der Mercedes ebenfalls.

Dafür tauchte der Wagen kurz darauf im Internet auf, und das hessische Paar griff zu. Man verabredete sich am Hamburger Hauptbahnhof, besichtigte das Fahrzeug, prüfte die Papiere - alles schien zu passen, auch wenn der Treff am Bahnhof schon ein wenig seltsam war. Die Käufer hatten auch gleich das Geld dabei, 46 500 Euro in bar. Der Deal war perfekt, die Familie fuhr zufrieden mit dem neuen Auto davon.

Auch das Papier für die Zulassungsbescheinigung war geklaut

War das nun ein "gutgläubiger Erwerb", von dem das Gesetz spricht, also ein Kauf, mit dem man wirksam Eigentum erwerben konnte? Das Autohaus klagte auf Rückgabe, aber das Landgericht Marburg wies die Klage ab. Die vorgelegte Zulassungsbescheinigung war, so fand die Polizei später heraus, auf Originalpapier gefälscht, das wiederum aus einer Zulassungsstelle gestohlen worden war. Da waren Profis am Werk. Die Käufer sollten das Campmobil behalten dürfen.

Aber schon ein Dreivierteljahr später wendete sich das Schicksal. Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied zugunsten des Autohauses, es sollte das Auto zurückbekommen. Zwar hatte auch das OLG keinen Zweifel, dass die unglücklichen Käufer nichts Böses geahnt haben, dass sie also "gutgläubig" waren. Aber der Wagen sei dem Autohaus eben "abhandengekommen". Damit sei der Eigentumserwerb ausgeschlossen. 46 500 Euro ausgegeben - für nichts?

Am Ende hat sich der Autokauf für die ziemlich verzweifelten Käufer doch noch zum Guten gewendet. Der fünfte BGH-Zivilsenat gab ihnen am Freitag recht, sie dürfen den Wagen behalten. Aber die Sache hing rechtlich am seidenen Faden. Unter Juristen war nämlich bisher umstritten, ob ein Autohaus zwar nicht das Eigentum, aber doch den Besitz - also die tatsächliche Verfügungsgewalt - über den Wagen vorübergehend aufgibt, wenn es einen potenziellen Kunden auf eine Probefahrt schickt. Sitzt der Händler selbst auf dem Beifahrersitz mit, ist die Sache klar. Bei der unbegleiteten Probefahrt hingegen, so hat der BGH nun entschieden, gibt das Autohaus den Wagen gleichsam aus den Händen, sobald der Kunde losfährt. Der spätere Verkauf durch den Trickdieb ist damit zwar nicht legal - aber der Käufer darf den Wagen behalten, weil er gutgläubig Eigentum erworben hat.

Das Autohaus muss laut BGH daher nun die Zulassungspapiere herausrücken. Der Händler darf - warum auch immer - nur den Zweitschlüssel behalten, entschied das Gericht.

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