Hertha BSC:Weit weg vom Big-City-Klub

Labbadia sucht Führungsspieler

Bruno Labbadia: Nicht alle Planstellen im Kader sind besetzt.

(Foto: dpa)

Drei torlose Testspiele, Pokal-Aus und Lücken im Kader: Es deutet wenig darauf hin, dass Hertha BSC dem Anspruch des eigenen Investors gerecht wird. Das finanzkräftige Image ist nicht unbedingt ein Vorteil.

Von Javier Cáceres, Berlin

Bruno Labbadia, der Trainer von Hertha BSC, wurde gefragt, ob der bislang teuerste Einkauf des Sommers am Samstag in Bremen denn auch in der Startelf stehen würde? Er atmete laut und vernehmlich durch. "Puuuh ...", sagte er, wobei nicht völlig klar wurde, ob er nun bluffte, oder ob er tatsächlich unsicher ist, den gerade aus Köln nach Berlin geholten Stürmer Jhon Córdoba gegen Werder von Beginn an aufzustellen. Erst am Mittwoch war der Kolumbianer, der aus dem nordwestlichen Departement Chocó stammt und vor seiner Kölner Zeit in Mainz reüssiert hatte, nach Berlin gekommen. Und auch wenn er versicherte, sich fit zu fühlen, so wies Labbadia darauf hin, dass Córdoba die Abläufe bei der Hertha noch gar nicht kenne und nicht kennen könne.

Allerdings: In der vergangenen Saison hatte Córdoba, 27, immerhin 13 Tore erzielt. Herthas PR-Abteilung unterlegte ein Video, das aus Anlass des Trainingseinstands von Córdoba entstand, mit Bildern, die zeigten, dass er tatsächlich sehr gut weiß, wo das gegnerische Tor steht.

Wer dieser Tage durch die Zeitungen der Hauptstadt blätterte, musste jedoch zu dem Schluss kommen, dass nicht Córdoba Herthas Königstransfer des Sommers ist. Sondern ein Mann, der qua Amt und Qualifikation nicht in kurzen Hosen zu sehen sein wird: Carsten Schmidt, 56, lange Zeit Chef und zuletzt "Senior Advisor" des Pay-TV-Senders Sky. Schmidt wurde zum neuen "CEO" des Fußball-Bundesligisten bestimmt. Er soll als Chef einer Troika die bislang aus Michael Preetz (Sport) und Ingo Schiller (Finanzen) bestehende Geschäftsführung leiten.

Er gehe seine Aufgabe als überzeugter Teamplayer und nicht als Solist an, betonte Schmidt, dessen Hauptaufgabenfelder im Bereich des Marketings, des Vertriebs, der Unternehmenskommunikation und der Internationalisierung Herthas liegen werden. Das Image des Klubs soll sich jenen Vorstellungen annähern, die der im Sommer 2019 eingestiegene Investor Lars Windhorst formuliert hat: Hertha sei in seinen Augen ein "Big City Club", also unterstreicht Windhorst seine Ambitionen mit Investitionen, die sich Ende Oktober auf insgesamt 374 Millionen Euro belaufen werden - dann gehören ihm zwei Drittel der Profiabteilung. Das verträgt sich perspektivisch nicht damit, dass Hertha als ein Klub wahrgenommen werde, "der immer ein bisschen im Mittelfeld der Tabelle verharrt", wie es Schmidt bei seiner Vorstellung sehr höflich formulierte.

All das, was die Hertha in der Saisonvorbereitung und im ersten Pflichtspiel der Saison erlebt hat, lässt aber zumindest nicht zwingend darauf schließen, dass sich dieser Status quo kurzfristig ändert. Nach drei torlosen Testspielen unterlag man im Pokal bei Zweitliga-Aufsteiger Braunschweig 4:5, was immerhin dafür sorgte, dass Berichte über die Rückkehr der etatmäßigen Innenverteidigung aus Dedryck Boyata und Jordan Torunarigha in Westberliner Eckkneipen so gerührt verzehrt wurden wie ein Spätsommergedicht von Hesse - gerührter jedenfalls als die anderen Hertha-Erfolgsgeschichten, die ausschließlich in Berichten über den Transfermarkt zu lesen waren.

Heiterkeit in Köpenick

Denn: Manager Preetz lieferte. Im Winter drehte er bereits Werder den Stürmer Davie Selke an; wenn die Bremer in dieser Saison die Klasse halten, wird zwingend eine achtstellige Ablösesumme fällig. Diese Woche führte Preetz ein ähnliches Kunststück auf, als er dem 1. FC Köln den Spielmacher Ondrej Duda für angeblich 6,7 Millionen Euro zuschob. Diese Summe bedeutet, dass Duda Gewinn abwirft, obwohl er die in ihn gesteckten Erwartungen nicht einmal annähernd erfüllt hat. Der Slowake war 2016 für angeblich 4,2 Millionen Euro von Legia Warschau gekommen; zuletzt war er an den englischen Premier-League-Klub Norwich City ausgeliehen.

Den Herthanern dürfte bei diesem Handel entgegengekommen sein, dass Köln dieses Gegengeschäft mit Cordoba/Duda brauchte, um die überschüssigen Millionen daraus in Stürmer Sebastian Andersson zu investieren - und damit an Union Berlin weiterzuleiten. Das sorgte in der Hauptstadt, also in Köpenick, für Heiterkeit, schließlich verleiht Windhorst damit indirekt den Unionern finanzielle Muskulatur. Wobei: Bei den Eisernen ist man vor dem Start in die zweite Bundesligasaison der Geschichte eh bester Laune. Denn im Gegensatz zur Hertha hat Union die erste Pokalrunde überstanden, durch einen in der Verlängerung erzielten 1:0-Sieg beim Zweitligisten Karlsruher SC. Damit festigte Union den Eindruck, vor dem Saisondebüt gegen Augsburg über eine solide durchstrukturierte Elf zu verfügen.

Davon kann die Hertha nur träumen, Windhorst-Millionen hin oder her. Schon in der Vorwoche hatte Trainer Labbadia vernehmbar darüber geklagt, dass nicht alle Planstellen besetzt seien; allerdings vergaß er nicht, die besonderen Umstände zu erwähnen. Sie ergeben sich auch aus den Windhorst-Investitionen. Hertha wird in einem weitgehend paralysierten und schwer zu analysierenden Markt eine größere finanzielle Schlagkraft attestiert, als sie der Klub offenkundig besitzt. Und als erschwere das die zielgerichtete Arbeit nicht schon genug, bekam Labbadia schon mal vor Augen geführt, dass dies wegen Corona eine besondere Saison sein wird. Zu Wochenbeginn zeigte der Brasilianer Matheus Cunha Erkältungs-Symptome und musste tagelang isoliert trainieren.

Überhaupt hatte der Trainer der Berliner bislang Probleme, in voller Kaderstärke zu üben. Das hatte Folgen für die innere Führung. Denn Hertha BSC startete die Reise in diese ungewisse neue Saison, ohne einen Mannschaftskapitän gewählt zu haben.

Zur SZ-Startseite
Zuschauer, junge Fussballfans des BVB, Fussball, Bundesliga, 1977/1978, Borussia Dortmund gegen TSV 1860 Muenchen 1:3; Zuschauer, junge Fussballfans des BVB, Fussball, Bundesliga, 1977/1978, Borussia Dortmund gegen TSV 1860 Muenchen 1:3
ONLINE FREIGABE N

SZ PlusBundesliga
:Labern und labern lassen

Ist der Fußball nicht eigentlich kaputt? Sicher, trotzdem schauen alle zu und reden drüber, wenn die Liga jetzt wieder anfängt. Und besser Millionen Bundestrainer als Millionen Virologen. Ein Lob dem Fußball als Gesprächsgegenstand.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: