FDP:Mission Abbruch

Die eigentliche Nachricht des FDP-Parteitages ist nicht die Wahl eines neuen Generalsekretärs. Sondern ein sehr bezeichnendes Eingeständnis des Vorsitzenden Christian Lindner.

Von Daniel Brössler

Seit Christian Lindner 2017 entschieden hat, es sei besser, nicht zu regieren, als schlecht zu regieren, durchlaufen er und seine Partei einen Erkenntnisprozess. Am Anfang stand das trotzige Beharren, für Demokratie und Partei die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Sinkende Umfragewerte erzwangen schließlich die Einsicht, dass viele Wähler das nicht so sehen. Fast drei Jahre nach dem Ende der Jamaika-Verhandlungen hat sich der FDP-Vorsitzende nun zu einem weiteren Eingeständnis durchgerungen. Er gibt nun zu, den angeblich an sich richtigen Abbruch schlecht ins Werk gesetzt und kommuniziert zu haben.

Das "ewige Jamaika" verfolgt Lindner und wird ihn weiterverfolgen - so lange, bis die FDP entweder regiert oder Lindner den Vorsitz aufgibt. Nicht die Wahl eines neuen Generalsekretärs, sondern dieses Eingeständnis ist das eigentliche Ergebnis des FDP-Parteitags. Daraus ergibt sich eine zumindest aus heutiger Sicht fast kaum zu bewältigende Aufgabe.

Lindner muss die FDP nicht nur erneut in den Bundestag führen, was angesichts des Umfragedauertiefs nicht selbstverständlich ist. Es müsste bei der Bundestagswahl auch ein Ergebnis herauskommen, das überhaupt Bedarf schafft für eine Regierungsbeteiligung der FDP. Noch am wahrscheinlichsten wäre das der Fall in der von Lindner 2017 verschmähten Jamaika-Konstellation mit CDU, CSU und Grünen. Damit auch Gedankenspiele wie eine Ampel-Konstellation mit Grünen und SPD oder gar das von der FDP erträumte Zweierbündnis mit der Union realistisch wird, müsste bis zur und in der Bundestagswahl Dramatisches geschehen.

Was die FDP nun "Mission Aufbruch" nennt, ist in Wahrheit eine Mission Abbruch. Die Liberalen brechen den Versuch ab, sich vor allem als neue, moderne Kraft zu präsentieren. Durch eine doppelte Rückbesinnung auf althergebrachte Qualitäten versuchen sie zumindest einen Teil der älteren Wähler zurückzugewinnen, die sie durch das verärgert und verprellt haben, was nicht als Prinzipienfestigkeit, sondern als Flucht vor der Verantwortung wahrgenommen wurde. Diese Bürger sollen ihre FDP wiedererkennen, was zum guten Teil auch die Aufgabe des neuen Generalsekretärs Volker Wissing sein wird. Der Finanzexperte und Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz soll die FDP wieder als bodenständige Partei des Mittelstands und der Wirtschaft sichtbar machen.

Dabei weiß Lindner, dass es nicht genügt, verlorenen Anhängern niedrigere Steuern und weniger Staat zu verheißen. Er, ausgerechnet er, muss nun den alten, unbedingten Willen der FDP zum Regieren verkörpern. Genau hier schnappt die Falle zu, die Lindner sich 2017 selbst gestellt hat. Nur unter größten Verrenkungen ist zu erklären, warum 2017 angeblich richtig war, was 2021 nicht mehr richtig sein darf. Würde Lindner nun zugeben, dass das Jamaika-Aus nicht nur schlecht gemacht, sondern auch schlecht war, würde er seine Autorität als Parteichef vernichten. Sein Amt hat er nun stattdessen daran geknüpft, es das nächste Mal besser zu machen - die FDP also in die Regierung zu führen.

Was allerdings auch die Konkurrenz weiß. Sollte die FDP nach der Wahl tatsächlich in die Verlegenheit von Koalitionsgesprächen kommen, verhandelt sie automatisch aus einer Position der Schwäche. Das "ewige Jamaika" wird Lindner verfolgen. Bis zum Schluss.

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