SUV im Test:Doppelwhopper unter den Pkw

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Mit circa 75.000 Euro ist der Explorer kein Schnäppchen, dafür sind viele Extras aber schon drin. (Foto: Ford)

Zum ersten Mal seit 20 Jahren gibt es den Ford Explorer wieder in Europa, allerdings nur als Plug-in-Hybrid. Doch der Elektromotor hat mit den 2,5 Tonnen ordentlich zu kämpfen.

Von Jan Schmidbauer

Nein, ein Reichweitenwunder ist er nicht, der Ford Explorer. Gerade mal 39 zahm gefahrene Kilometer sind vergangen, als die Elektrobatterie des gewaltigen SUVs um Hilfe ruft - und der Benzinmotor einspringen muss. Das sind zwar nur drei Kilometer weniger als der Hersteller in den Verkaufsprospekten angibt. Und doch ist der Wert alles andere als berauschend. Vor allem dann nicht, wenn man sich überlegt, was für ein technischer Aufwand dafür betrieben wird.

Wie bei anderen Plug-in-Hybriden ist auch im Ford Explorer neben einem mit Benzin befeuerten Aggregat noch ein zusätzlicher E-Motor an Bord. Mit allem, was da noch so dazugehört: schwere Batterien etwa, und eine komplexe Elektronik. Zur Belohnung gibt's ein E auf dem Nummernschild, steuerliche Bevorzugung, und natürlich: ein paar Dutzend Kilometer Segeln statt Blubbern, auch wenn es beim Explorer - wie bei anderen großen Hybrid-Fahrzeugen - am Ende nicht besonders viele sind.

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Viel innovative Technik verbaut

Was man den Ford-Ingenieuren zugute halten muss: Sie können wohl nichts dafür, dass der Explorer mit dem Strom nicht länger auskommt. Im Gegenteil: Mit Bremsenergie-Rückgewinnung und anderen Gimmicks hat Ford viel innovative Technik verbaut. Dass die elektrische Reichweite trotzdem gering ist, dürfte vor allem an den gewaltigen Ausmaßen des Siebensitzers liegen: Mit 5,05 Metern Länge, 2,28 Metern Breite und vor allem 2500 Kilo Gewicht ist der Explorer, um es mal kulinarisch zu fassen, so etwas wie der Doppelwhopper unter den Pkws.

Der Innenraum im Explorer: Charts-Welle aus, Oldie-Sender an, Tempomat rein und entspannt dahingleiten. (Foto: Ford)

Der 100 PS starke Elektromotor hat ordentlich zu kämpfen, solange er nicht vom 350 PS starken V6-Turbobenziner unterstützt wird. Das Resultat ist keine Überraschung, sondern Physik. Und es stellt sich die Frage, welchen Sinn so ein Auto ergibt - und für wen? Umweltfreundlicher als ein moderner Diesel-Kombi ist der Hybrid-Riese wohl eher nicht. Vielmehr bleibt der Eindruck, als sei hier die richtige Technik im falschen Gewand verbaut worden. Oder um mal kurz ins Mittelalter abzubiegen: Es fühlt sich halt schon ein bisschen wie Ablasshandel an, wenn man in den wuchtigen Lederstühlen des 2,5-Tonners sitzt und den kleinen Elektromotor anwirft.

Welche Sünden der Explorer begeht? Na ja. Sind die Akkus erstmal leergesogen und die Verbrauchsanzeige des Bordcomputers zurückgesetzt, pendelt sich der Verbrauch schnell bei zehn Liter Super auf 100 Kilometer ein, bei sehr zügiger Fahrweise sind es noch etwas mehr.

Allerdings kann man es ja auch ganz anders sehen: Ohne die innovative Hybridtechnologie würde der Wagen weitaus mehr verbrauchen. Und irgendwie ist es ja durchaus löblich, dass Ford den Explorer in Europa ausschließlich in dieser Form anbietet, auch wenn dahinter natürlich Taktik stecken dürfte: In Europa wäre der Wagen anders kaum vermittelbar.

In den USA, wo Sprit billiger und Autos grundsätzlich größer sind, ist der Explorer ein Bestseller, ganz ohne E-Motor. In Europa hat Ford sein Flaggschiff seit zwei Jahrzehnten nicht mehr angeboten und probiert es jetzt erneut - mit etwas grünerer Technik. Für ein Nischenpublikum könnte das interessant sein. Wer nur kurze Strecken pendelt und schon immer von einem Auto geträumt hat, mit dem man auch am Kamener Kreuz ein wenig Route-66-Feeling haben kann, der könnte im Explorer fündig werden.

Charme hat das ganze ja schon. Kleiner Tipp: Charts-Welle aus, Oldie-Sender an, Tempomat rein und entspannt dahingleiten. So fühlt man sich im Explorer dann doch ganz wohl. Dazu trägt auch die üppige Ausstattung bei. Mit 75 000 Euro ist der Explorer aber kein Schnäppchen, dafür sind Ledersitze, Navigationssystem und andere Dinge, die anderswo ordentlich Aufpreis kosten, schon mit drin.

Und wer die Komfortzone verlässt, wird feststellen, dass der Explorer mit seinen 457 PS auch ganz anders kann. In sechs Sekunden beschleunigt der 2,5-Tonner dann auf 100 Stundenkilometer. Geradeaus macht das ordentlich Spaß. Sobald die Strecke ein bisschen kurviger wird, nervt allerdings das hohe Gewicht. Und gegen das hilft kein Elektromotor der Welt.

© SZ vom 26.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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